Irre Theorie von Prigoschin
Könnte Russland eine Atombombe auf Belgorod abwerfen?

Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin kritisiert die russische Militärführung seit Monaten. Die Kreml-Zahlen zu ukrainischen Gefallenen stellt er infrage. Ausserdem sorgt er mit einer verrückten Theorie zu Belgorod für Wirbel.
Publiziert: 08.06.2023 um 09:53 Uhr
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Aktualisiert: 08.06.2023 um 10:31 Uhr

Die Fehde zwischen der Wagner-Gruppe und dem russischen Verteidigungsministerium habe ein noch nie dagewesenes Ausmass erreicht, stellte das britische Verteidigungsministerium am Dienstag in seinem täglichen Briefing zur Lage in der Ukraine fest. Als wollte er die Einschätzung der Briten untermauern, teilte Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin (62) gleich doppelt gegen die russische Militärführung aus.

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Prigoschin hält russische Angaben zu «massiven Verlusten» beim ukrainischen Militär für unglaubwürdig. Angaben des russischen Verteidigungsministeriums, wonach das Militär bei der Abwehr einer ukrainischen Offensive insgesamt «1500 Soldaten» getötet und mehr als 28 gepanzerte Fahrzeuge zerstört habe, seien «wilde Fantasien», sagte der Chef der russischen Söldnergruppe am Dienstag im Onlinedienst Telegram. «Eineinhalbtausend Menschen an nur einem Tag (...) zu vernichten wäre ein solches Massaker», erklärte Prigoschin – und fügte hinzu, er halte die Angaben aus Moskau für unrealistisch.

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Am Montag hatte Prigoschin erklärt, ukrainische Truppen seien in der Nähe der lange umkämpften und mittlerweile zerstörten Stadt Bachmut vorgerückt und hätten Gebiete zurückerobert. Die russischen Truppen verliessen nun «langsam» das Dorf Berchiwka nahe Bachmut. Das sei eine «Schande», sagte Prigoschin. Noch im vergangenen Monat hatte Russland erklärt, Bachmut eingenommen zu haben.

Am Dienstag hat Jewgeni Prigoschin mal wieder gegen die russische Militärführung ausgeteilt.
Foto: Telegram
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Prigoschin kritisiert Militärführung

Wenig später legte der Söldnerführer nach: Er habe Angst, dass die russischen Behörden auf die «dumme Idee» kommen könnten, einen Atomschlag auf die russische Grenzregion Belgorod auszuführen. «Ist nicht etwa das der Grund, warum wir uns in Belgorod zurückziehen und sie (die Ukrainer Anm. d. Red.) vorrücken lassen, weil es unheimlich ist, Bomben auf das Gebiet eines anderen zu werfen, aber aufs eigene Land können wir sie werfen», sinnierte Prigoschin. Dies könne beispielsweise geschehen, wenn die ukrainische Armee ein Dorf in der Region erobere.

Dann wiederholte er seine Drohung, Belgorod auch ohne Befehl aus dem Kreml zu verteidigen, und setzte dem Verteidigungsministerium eine Frist von zwei Wochen, um Belgorod zu räumen.

Weiter spottete er, dass das Verteidigungsministerium auch nach Belgorod umziehen könnte. «Wenn wir sterben, dann alle zusammen», so der Wagner-Boss. Belgorod war in den vergangenen Tagen in die Schlagzeilen geraten, weil dort proukrainische Kämpfer die Russen auf eigenem Boden angegriffen hatten. Mehrere Menschen wurden getötet und Dutzende Häuser zerstört. Frauen und Kinder mussten aus ihrer Heimat fliehen. Die Stadt ist Wirtschafts- und Verwaltungszentrum der gleichnamigen Oblast und zählt rund 350'000 Einwohner.

Prigoschin kritisiert seit Monaten den Zustand der russischen Armee und wirft dem Verteidigungsministerium in Moskau sowie dem Armee-Generalstab mangelnde Unterstützung und dadurch höhere Opferzahlen in seiner Söldnergruppe vor. So prangerte er etwa auch einen Mangel an Munition an.

Selenski: «Gut gemacht, Krieger!»

Indes kam es in der Nacht zum Dienstag erneut zu russischen Luftangriffen auf die ukrainische Hauptstadt Kiew. Die Luftverteidigung zerstörte den Angaben zufolge mehr als 20 Geschosse. Es wurden keine Verletzten gemeldet. Herabfallende Trümmer beschädigten in einem Bezirk nach Angaben der örtlichen Verwaltung Gehwege, Oberleitungsbus-Stromleitungen und Schaufenster von Geschäften.

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (45) lobte seine Truppen für die Vorstösse in der Nähe von Bachmut. «Gut gemacht, Krieger! Wir sehen, wie hysterisch Russland auf jeden Schritt reagiert, den wir dort gehen», sagte er am Montag in einem Video in den Online-Netzwerken. (AFP/nad)

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