Russland und Ukraine beschuldigen sich gegenseitig
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Bau einer radioaktiven Bombe:Russland und Ukraine beschuldigen sich gegenseitig

Ukraine und Westen weisen Behauptung zurück
Schoigu unterstellt Kiew Bau einer «schmutzigen Bombe»

Der Vorwurf des russischen Verteidigungsministers hat scharfe Reaktionen ausgelöst. In Kiew spricht man von gefährlichen und absurden Lügen.
Publiziert: 23.10.2022 um 18:20 Uhr
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Aktualisiert: 24.10.2022 um 10:00 Uhr

Russlands Verteidigungsminister Sergei Schoigu (67) hat in einem Telefonat mit seinen französischen und britischen Amtskollegen behauptet, Kiew plane zur Diskreditierung Moskaus die Zündung einer radioaktiven Bombe.

Schoigu habe «seine Besorgnis über mögliche Provokationen der Ukraine mit Hilfe einer ‹schmutzigen Bombe› übermittelt», teilte das russische Verteidigungsministerium am Sonntag mit.

Als «schmutzige Bombe» werden konventionelle Sprengsätze bezeichnet, die auch radioaktives Material verstreuen. Die Ukraine, die nach dem Zerfall der Sowjetunion ihre Atomwaffen abgegeben hat, unterstellt ihrerseits Russland, den Abwurf einer solchen Bombe zu planen.

Der russische Verteidigungsminister Schoigu habe «seine Besorgnis über mögliche Provokationen der Ukraine mit Hilfe einer ‹schmutzigen Bombe› übermittelt».
Foto: imago images/SNA
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«Russische Lügen sind gefährlich und absurd»

«Die russischen Lügen über angebliche Pläne der Ukraine, eine «schmutzige Bombe» zu nutzen, sind so absurd wie sie gefährlich sind», reagierte Aussenminister Dmytro Kuleba (41) auf Twitter. Die Ukraine stehe treu zum Atomwaffensperrvertrag. «Die Russen beschuldigen andere oft dessen, was sie selber planen», warnte Kuleba in Kiew.

Aus London hiess es nach dem Telefonat, Verteidigungsminister Ben Wallace (52) habe die Behauptungen zurückgewiesen und gemahnt, solche Vorwürfe sollten nicht als Vorwand für eine weitere Eskalation genutzt werden. Der Minister habe ausserdem den Wunsch nach einer Deeskalation betont.

Ungewöhnlicherweise sprach Schoigu am Sonntag auch zum zweiten Mal in zwei Tagen mit US-Verteidigungsminister Lloyd Austin (69). Es sei um die Lage in der Ukraine gegangen, hiess es. Ein Verweis auf das Atomthema fehlte in der Mitteilung des Verteidigungsministeriums in Moskau. Das Pentagon in Washington teilte mit, das Gespräch sei von russischer Seite initiiert worden.

Auch westliche Atommächte widersprechen

Die westlichen Atommächte Frankreich, Grossbritannien und die USA haben Russlands Behauptung zurückgewiesen, die Ukraine wolle auf ihrem eigenen Gebiet eine nuklear verseuchte Bombe zünden. Die Behauptung über eine «schmutzige Bombe» sei eindeutig falsch, hiess es in einem gemeinsamen Statement der Aussenminister der Länder vom frühen Montagmorgen. «Die Welt würde jeden Versuch durchschauen, diese Behauptung als Vorwand für Eskalation zu nutzen.»

Frankreich, Grossbritannien und die USA versicherten in ihrem Schreiben, der Ukraine weiterhin humanitäre Hilfe sowie Unterstützung im Wirtschafts- und Sicherheitsbereich leisten zu wollen. «Wir halten daran fest, die ukrainischen Anstrengungen, ihr Territorium zu verteidigen, so lange wie nötig weiter zu unterstützen.»

Russen prognostizieren «unkontrollierte Eskalation»

Laut dem russischen Verteidigungsministerium spitzt sich die Lage in der Ukraine immer stärker auf eine «unkontrollierte Eskalation» hin zu. Die staatliche russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti behauptete, dass Kiew die Fertigstellung einer kleinen taktischen Atombombe faktisch abgeschlossen habe und bereit sei, diese auf eigenem Boden zu zünden, «um eine starke antirussische Kampagne zu starten, die das Vertrauen zu Moskau untergraben soll».

Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine läuft seit Monaten nicht so, wie von Moskau geplant. Der Vormarsch geriet zunächst ins Stocken, inzwischen sind die russischen Einheiten sogar teilweise in die Defensive geraten. Vor diesem Hintergrund mehren sich Spekulationen um einen möglichen russischen Einsatz taktischer Atomwaffen gegen das Nachbarland. Moskau bestreitet derartige Absichten. (ced/SDA)

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