Ibiza-Drahtzieher legte Strache und Gudenus rein
«Es war unglaublich einfach»

Der Privatdetektiv Julian H. nahm das Ibiza-Video auf. Nun äussert er sich erstmals ausführlich – aus dem Knast.
Publiziert: 27.01.2021 um 11:41 Uhr
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Aktualisiert: 27.01.2021 um 13:31 Uhr

Sein «Werk» brachte vor knapp zwei Jahren die österreichische Regierung zu Fall. Nun äussert sich Privatdetektiv Julian H. (Alter unbekannt) erstmals in Interviews – aus dem Gefängnis in Berlin, wo er wegen des Verdachts auf Drogenhandel und Erpressung sitzt. Er gibt zu, das Ibiza-Video gedreht zu haben.

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«Die Leute stellen sich (..) alles weit professioneller vor, als es tatsächlich war», sagt der Ibiza-Drahtzieher über die Politiker-Falle in einem Interview mit dem «Spiegel». Der Wiener Anwalt M. habe ihn beauftragt, belastendes Material über den FPÖ-Politiker und späteren Ösi-Vizekanzler Heinz-Christian Strache (51) zu besorgen, um einen Whistleblower aus dessen Umfeld – einen Bodyguard – zu schützen.

Privatdetektiv Julian H. heuerte die angebliche russische Oligarchennichte an. Wer sie ist, will er nicht verraten. «Ihren Namen nehme ich mit ins Grab.» Im Frühjahr 2017 kam es offenbar zum ersten Treffen mit dem Strache-Vertrauten Johann Gudenus (44): «Die Legende war, dass sie russisches Schwarzgeld nach Österreich transferieren wollte. Gudenus ist sofort darauf eingegangen, es war unglaublich einfach.»

Das Ehepaar Gudenus mit Heinz-Christian Strache (r.) im 2017 aufgenommenen Ibiza-Video.
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Julian H.: «Sie hat Strache von oben herab behandelt»

Doch Julian H. patzt. Dem «Standard» erzählt der Ibiza-Drahtzieher: «Der Abend wäre ein Erfolg gewesen, aber ich habe noch nie mit Aufnahmetechnik gearbeitet; ich war da komplett grün hinter den Ohren. Ich hatte vergessen, die Kameras mit SD-Karten zu bestücken, es gab keine Aufnahmen. Das fiel erst am nächsten Tag auf, und dementsprechend ist Anwalt M. dann explodiert.»

Erst im nächsten Anlauf sei der Plan aufgegangen. Bei einem Treffen auf Ibiza im Juli 2017 filmt Julian H., der auch selbst im Ibiza-Video zu sehen ist, heimlich mit. «Der Eindruck, sie musste monatelang eingearbeitet werden, ist falsch. Sie ist hochintelligent», sagt der Privatdetektiv im «Spiegel» über die Fake-Oligarchennichte. Auch dem «Standard» sagte er, der Ablauf des verfänglichen Abends sei «spontan» gewesen. «Man braucht wen, der in der Sekunde glaubwürdig improvisieren kann.»

Die Fake-Oligarchennichte sei ein Glücksgriff gewesen. Auf Ibiza habe sie regelrecht «geglänzt»: «Und zwar, weil sie so sauer war, nach Ibiza zu müssen, dass sie aus ihrer schlechten Laune heraus den Strache von oben herab behandelt hat. Der ist quasi im Kreis gehüpft, um ihr zu imponieren.»

Ibiza-Drahtzieher sitzt seit 10. Dezember in U-Haft

In beiden Interviews spricht Julian H. detailreich über die folgenreiche Aktion – widerspricht sich allerdings auch. Dem «Spiegel» sagt er, das Briefing mit der Fake-Oligarchennichte vor dem Ibiza-Video habe nur 40 Minuten gedauert – beim Standard ist von einem einstündigen Briefing die Rede.

Der Moment, als das Video veröffentlicht wurde, war eine Befreiung für den Privatdetektiv: «Ich habe ein paar Tränen verdrückt. Ich weiss nicht, ob sich das irgendwer vorstellen kann: Es war eine Zeit von unglaublicher emotionaler Anspannung, diese fast zwei Jahre seit Ibiza. Dieses Video hat mein Leben gefressen.»

Julian H. wurde am 10. Dezember 2020 wegen Drogenhandels und versuchter Erpressung in Berlin festgenommen. Der Privatdetektiv und Ibiza-Drahtzieher wehrt sich gegen den Auslieferungsantrag der österreichischen Behörden. Die Vorwürfe gegen ihn bezeichnet er als «konstruiert». (kin)

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