Hochrechnung entlarvt Putins Lüge
So viele Russen wurden tatsächlich eingezogen

Vor etwa einem Monat verkündete Putin die Teilmobilmachung, um für Nachschub an der Front zu sorgen. 300'000 Rekruten sollten eingezogen werden. Doch die Zahl dürfte viel höher sein. Das verrät die Zahl der plötzlichen Eheschliessungen.
Publiziert: 26.10.2022 um 09:21 Uhr
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Aktualisiert: 26.10.2022 um 13:54 Uhr

Putins Bekanntmachung der Mobilisierung vor etwa einem Monat schlug im eigenen Land gewaltige Wellen. Es kam zu Protesten und Russen, die aus Angst vor der Front ins Ausland flüchteten. Zudem schossen ungewöhnliche Suchanfragen bei Google in die Höhe. «Wie breche ich mir eine Hand?» und «Wie verlasse ich Russland jetzt?», lauteten sie zum Beispiel.

Inzwischen wurden offenbar genug Reservisten eingezogen. Eine weitere Mobilisierung sei nicht geplant, erklärte Kreml-Chef Putin vor einigen Tagen. In der «vorhersehbaren Zukunft» sehe er dazu keine Notwendigkeit. Bisher seien 222'000 Reservisten zu den Waffen gerufen worden, in rund zwei Wochen werde die geplante Zahl von 300'000 erreicht sein.

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Knapp eine halbe Million Russen wurden offenbar seit Bekanntgabe der Mobilmachung bereits einberufen. Auf den Bildern Einberufungsszenen aus Moskau.
Foto: Anadolu Agency via Getty Images
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Doch die Zahl der Mobilisierten dürfte höher sein – viel höher. Die Rede ist gar von einer Million. Einen Anhaltspunkt liefert ein Blick auf die Eheschliessungen in den letzten Wochen.

Nur wer verheiratet ist, hat Anspruch auf Entschädigung

Seit Ende September gab es massiv mehr Hochzeiten in ganz Russland. Hintergrund: In den russischen Gesetzen wird die Wehrpflicht als «besonderer Umstand» bezeichnet. Vorgeladene Männer können sich für eine Eheschliessung innerhalb eines Tages anmelden und müssen nicht – wie sonst üblich – einen Monat warten.

Viele der frisch Verheirateten sind eventuell schon lange Zeit ein Paar und wollten vielleicht gar nicht heiraten. Aber mit der Einberufung könnte der Mann im Krieg fallen. Und nur ein Ehepartner hat Anspruch auf eine Witwenrente. Darum heiraten viele Paare doch noch schnell, wie Mediazona berichtet. Im Netz kursieren zahlreiche Videos, die Massenhochzeiten von Wehrpflichtigen und ihren Partnerinnen in ganz Russland zeigten.

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Das russische Nachrichtenportal hat die Daten zu Eheschliessungen von 75 der 85 Regionen ausgewertet. Und meint: insgesamt wurden 492'000 Männer mobilisiert.

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So wurde die Zahl der Mobilisierten ermittelt

So kam das Portal zum Ergebnis.

Als erstes rechneten die Journalisten anhand öffentlich zugänglicher Daten in 75 der 85 Provinzen Russlands aus, dass dort seit der Mobilmachung 31'000 Eheschliessungen mehr als üblich stattfanden.

Gemäss einer Volkszählung von 2021 lebten in diesen 75 Provinzen 1'800000 Männer im wehrfähigen Alter von 18 bis 49 Jahren in einer festen, ausserehelichen Beziehung. Also genau die Kandidaten, die im Fall einer Einberufung wohl ihre Partnerin – gleichgeschlechtliche Ehen sind in Russland verboten – heiraten würden. Aufgrund mangelhafter Datensätze bei der Volkszählung rundeten die Journalisten die Zahl auf zwei Millionen auf.

31'000 aus einem Pool von 2'000'000 sind 1.56 Prozent. Dieser Prozentsatz ist laut Mediazona zugleich die generelle Mobilisierungsquote. Denn es gebe keinen Grund, weshalb sie bei Singles und Verheirateten anders liegen würde. Eine Ausnahme sind Väter von mindestens vier Kindern unter 16 Jahren, was sehr selten ist.

Teilt man die Anzahl wehrfähiger Männer in allen 85 Provinzen Russlands durch 1.56, kommt man auf die Zahl von 492'000 Männern.

Da die Journalisten sogar die «überschüssigen» Hochzeiten – und damit die Mobilisierungsquote – sogar nach Regionen, soweit in diesen Daten vorhanden waren, aufschlüsselten, kam eine weitere Auffälligkeit ans Licht. In den armen Regionen im Osten Russlands, etwa Transbalkanien, Chabarowsk, Burjatien und dem autonomen jüdischen Gebiet im Südosten, werden proportional mehr Marschbefehle verteilt als im reichen Westen. (hei)

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