Halloween-Schocker im Südtiroler Grödnertal
Totgeglaubter (42) sticht in der Nacht Bruder (39) nieder, verletzt Schwägerin

So unerwartet wie er vor 20 Jahren verschwand, so plötzlich taucht Ernst W.* in der Nacht auf Sonntag wieder auf. Doch statt Wiedersehensfreude gibt es im Dorf Wolkenstein ein Blutbad.
Publiziert: 03.11.2021 um 16:24 Uhr
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Aktualisiert: 04.11.2021 um 11:10 Uhr
Myrte Müller

Es ist die Nacht auf Halloween. Das Ehepaar W.* und ihr neunjähriger Sohn schlafen tief und fest, als gegen zwei Uhr morgens plötzlich ein Mann ins Chalet eindringt. Es ist der totgeglaubte Bruder von Peter W.* (39). Vor 20 Jahren war der Südtiroler (42) spurlos verschwunden. Plötzlich taucht er in der Grödnertaler Gemeinde Wolkenstein wieder auf. Doch Ernst W.* will seinen Bruder nicht wiedersehen. Er will ihn töten.

Wortlos stürmt er auf den noch benommenen Peter W. los. In der Hand hält er ein Messer. Er rammt es mehrmals in die Brust seines jüngeren Bruders. Auch die Schwägerin wird verletzt. Martina W.* eilt zum Sohn und flieht mit ihm ins Nachbarhaus. Über den Vorfall berichten italienischen Medien. Martina W. habe darauf folgenden Notruf abgesetzt: «Ein Mann ist bei uns und bringt gerade meinen Ehemann um.» Erst später erfährt die Italienerin, wer der Eindringling wirklich ist.

Familie liess Vermissten über Fernsehsendung suchen

Es dauert wenige Minuten, dann rücken die Polizisten von St. Ulrich und Waidbruck an. Es gelingt ihnen, das Blutbad zu beenden und den 42-Jährigen festzunehmen. Peter W. liegt schwer verletzt im Schlafzimmer. Der Skilift-Angestellte und freiwillige Feuerwehrmann wird sofort ins Bozener Spital gebracht und noch in derselben Nacht notoperiert. Ein Stich nahe der Lunge ist lebensbedrohlich. Die Ärzte können Peter W. retten.

Warum wollte Ernst W., 20 Jahre nachdem er spurlos verschwand, seinen jüngeren Bruder töten? Bislang macht der Südtiroler keine Aussage dazu.
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Das Grödnertal steht unter Schock. Viele können sich gut an das Drama vor 20 Jahren erinnern. Damals war Ernst W. von einem Augenblick auf den anderen spurlos verschwunden. Die Familie meldete ihn als vermisst, liess ihn sogar über die Sendung «Chi l`ha visto», eine Art italienische Version von «Aktenzeichen XY ... ungelöst», suchen. Möglicherweise sei es damals um einen Erbschaftsstreit gegangen, so die Gerüchteküche im Ort.

Wegen versuchten Mordes vor dem Haftrichter

Ernst W. blieb verschollen. Die Familie fürchtete, es könnte ihm etwas passiert sein. Doch der Südtiroler lebte. Der Totgeglaubte wohnte in Norditalien. Erst in Mailand, wo er für Sozialeinrichtungen jobbte, dann in Verona. Dort arbeitete er auf einem Tennisplatz. Schliesslich verlor er auch diesen Job und geriet in finanzielle Schwierigkeiten.

Am vergangenen Dienstag wird Ernst W. dem Haftrichter vorgeführt und wegen versuchten Mordes angeklagt. Sich zur Tat äussern will der Mann nicht. Seine Anwälte erklärten unterdessen gegenüber italienischen Medien, ihr Mandant sei unzurechnungsfähig. Sie fordern ein psychiatrisches Gutachten.

* Namen geändert

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