Durow drohen bis zu 10 Jahre Haft und Mega-Geldstrafe
Frankreich ermittelt gegen Telegram-Gründer Pawel Durow

Der Chef der Messenger-App Telegram Pawel Durow wurde am Samstag in Frankreich verhaftet. Die französische Justiz hat ein Ermittlungsverfahren gegen den Gründer eingeleitet und ihn unter Justizaufsicht gestellt.
Publiziert: 26.08.2024 um 02:29 Uhr
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Aktualisiert: 29.08.2024 um 14:20 Uhr

Kurz zusammengefasst

  • Telegram-Chef Pawel Durow muss sich in Frankreich vor Gericht verantworten.
  • Durow wird vorgeworfen, kriminelle Nutzung von Telegram nicht verhindert zu haben.
  • Telegram erlaubt Gruppen mit bis zu 200'000 Nutzern.
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AFPAgence France Presse

Nach seiner überraschenden Festnahme am Samstag und dem Verhör durch einen Ermittlungsrichter kam Pawel Durow am Mittwochabend zwar wieder auf freien Fuss, allerdings unter strikten Auflagen. So muss der Gründer des Nachrichtennetzwerks eine Kaution von fünf Millionen Euro hinterlegen, sich zweimal pro Woche bei der Polizei melden und darf Frankreich nicht verlassen, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Wie viel Zeit die Ermittlungen in Anspruch nehmen könnten, sagte die Behörde nicht.

Gegen Durow lag ein Haftbefehl wegen Vorermittlungen im Zusammenhang mit Vorwürfen wie Betrug, Drogenhandel, Online-Mobbing, Organisierte Kriminalität und Förderung des Terrorismus vor. Die französische Justiz wirft dem russischen Milliardär 12 Delikte vor. Zudem berichtet die französische Zeitung «Le Parisien» unter Berufung auf die Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch, dass offenbar auch wegen «schwerer Gewalt» gegen eines seiner Kinder gegen Durow ermittelt wird. Dies habe die AFP aus zwei mit dem Fall vertrauten Quellen erfahren.

Das Ermittlungsverfahren gegen Durow kann am Ende zu einem Strafprozess führen, falls die Ermittler ausreichend Beweise gegen den Beschuldigten sehen. Andernfalls können sie das Verfahren auch wieder einstellen. Alleine für den Vorwurf, mit dem Chatdienst Beihilfe zu illegalen Transaktionen geleistet zu haben, drohten Durow bis zu zehn Jahre Haft und eine Geldstrafe von 500'000 Euro, teilte die Staatsanwaltschaft mit.

Pawel Durow, der in Frankreich festgenommene Chef der Messenger-App Telegram, bleibt vorerst in Polizeigewahrsam.
Foto: Steve Jennings

Frankreich veröffentlicht mutmassliche Verbrechen

Die genauen Gründe für Durows Verhaftung blieben zunächst unklar – wurden am Montag aber schliesslich veröffentlicht. Folgende 12 Punkte werden dem Telegram-Gründer unter anderem vorgeworfen:

1. Mittäterschaft – Web-Mastering einer Online-Plattform, um eine illegale Transaktion in einer organisierten Gruppe zu ermöglichen

2. Weigerung, auf Ersuchen der zuständigen Behörden Informationen oder Dokumente zu übermitteln, die für die Durchführung und den Betrieb von gesetzlich zulässigen Abhörmassnahmen erforderlich sind

3. Mittäterschaft – Besitz von pornografischen Bildern von Minderjährigen

4. Mittäterschaft – Verbreiten, Anbieten oder Zugänglichmachen von pornografischen Bildern von Minderjährigen in einer organisierten Gruppe

5. Mittäterschaft – Erwerb, Beförderung, Besitz, Anbieten oder Verkauf von Betäubungsmitteln

6. Mittäterschaft – Anbieten, Verkaufen oder Zurverfügungstellen von Ausrüstungen, Werkzeugen, Programmen oder Daten, die dazu bestimmt oder geeignet sind, sich Zugang zu einem automatisierten Datenverarbeitungssystem zu verschaffen und dessen Betrieb zu beeinträchtigen, ohne dass ein rechtmässiger Grund vorliegt

7. Mittäterschaft – organisierter Betrug

8. Kriminelle Vereinigung mit dem Ziel, ein Verbrechen oder eine Straftat zu begehen, die mit einer Freiheitsstrafe von fünf oder mehr Jahren geahndet wird

9. Wäsche von Erträgen aus Vergehen und Verbrechen einer organisierten Gruppe

10. Erbringung von kryptologischen Dienstleistungen zur Gewährleistung der Vertraulichkeit ohne beglaubigte Erklärung

11. Bereitstellung eines Kryptologiewerkzeugs, das nicht nur die Authentifizierung oder die Integritätsüberwachung gewährleistet, ohne vorherige Erklärung

12. Einfuhr eines Kryptologiewerkzeugs, das die Authentifizierung oder Integritätsüberwachung gewährleistet, ohne vorherige Anmeldung

Telegram erklärte am Sonntagabend, Durow habe «nichts zu verbergen». Der 39-Jährige, der die russische und die französische Staatsbürgerschaft hat, reise «häufig nach Europa», hiess es in einer Stellungnahme des Onlinedienstes. Telegram halte sich an die europäischen Gesetze und die Moderation der Inhalte auf der Plattform sei «branchenüblich». Es sei «absurd», eine Plattform oder ihren Chef «für den Missbrauch dieser Plattform» verantwortlich zu machen.

Macron: Festnahme keine politische Entscheidung

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron meldete sich am Montag ebenso zu Wort. «Ich habe nach der Festnahme von Pavel Durov falsche Informationen über Frankreich gesehen», mahnte er. «Frankreich bekennt sich zutiefst zur Meinungs- und Kommunikationsfreiheit, zur Innovation und zum Unternehmergeist. Und das wird auch so bleiben», so der Präsident auf X.

In einem Rechtsstaat würden Freiheiten sowohl in den sozialen Medien als auch im realen Leben innerhalb eines rechtlichen Rahmens gewahrt – «um die Bürger zu schützen und ihre Grundrechte zu respektieren». Es sei zudem die Aufgabe der Justiz, das Gesetz durchzusetzen.

Macron fügte hinzu, dass die Verhaftung «im Rahmen einer laufenden gerichtlichen Untersuchung» stattgefunden habe. «Es handelt sich in keiner Weise um eine politische Entscheidung. Es obliegt den Richtern, in dieser Angelegenheit zu entscheiden.»

Verschlüsselte Plattform

Der verschlüsselte Messengerdienst Telegram hat sich seit seiner Gründung 2013 als eine Alternative zu US-Plattformen etabliert. Telegram verweigert jegliche Herausgabe von Nutzerdaten, selbst bei Straftaten. Telegram erlaubt Gruppen mit bis zu 200'000 Nutzern. Dies handelte dem Onlinedienst den Vorwurf ein, die Verbreitung von Falschinformationen sowie pädophiler oder rechtsextremer Inhalte und von Verschwörungstheorien zu begünstigen.

Der konkurrierende Messengerdienst Whatsapp hatte 2019 Begrenzungen für die Weiterverbreitung von Beiträgen eingeführt. Zuvor war der App vorgeworfen worden, die Verbreitung von Falschinformationen ermöglicht zu haben, die zu Lynchmorden in Indien führten.

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