Härtester Bähnler tritt zurück
Stadler-Schreck Alexander Kamyshin hat einen neuen Job

Der Chef der 231'000 ukrainischen Bahn-Mitarbeiter tritt überraschend ab. Erst vergangene Woche noch hatte er Joe Biden sicher ins Kriegsgebiet gebracht. Jetzt winkt ein neuer Top-Job in Europa. Für ein Schweizer Unternehmen ist das ein gutes Zeichen.
Publiziert: 28.02.2023 um 18:18 Uhr
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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Der härteste Bähnler der Welt schmeisst hin: Alexander Kamyshin (38), CEO der ukrainischen Eisenbahn und Chef von mehr als 230'000 Angestellten, hat beim zuständigen Verkehrsminister seine Kündigung eingereicht. Erst vor einer Woche hatte Kamyshin die historische und hochriskante Zugreise von US-Präsident Joe Biden (80) nach Kiew und wieder zurück organisiert und dafür international viel Bewunderung eingeheimst.

Ende Januar noch empfing er Blick in seinem Büro in Kiew. «Unsere eisernen Männer und Frauen sind die zweite Armee des Landes. Ohne sie würde es die Ukraine gar nicht mehr geben», sagte Kamyshin. Seit Sommer 2021 hatte er die staatliche Eisenbahngesellschaft Ukrsalisnyzja erst interimistisch, ab April 2022 dann offiziell geführt.

Neuer Top-Job in der EU

Warum Kamyshin genau jetzt zurücktritt, wollte er auf Anfrage von Blick nicht verraten. Klar aber ist: Auch in Zukunft wird der Hüne mit den langen schwarzen Haaren eine zentrale Rolle bei der ukrainischen Eisenbahn spielen: «Ich werde in die EU ziehen und das Büro zur EU-Integration der ukrainischen Eisenbahn übernehmen», teilte Kamyshin am Montagabend mit. Das habe er so mit dem zuständigen Verkehrsminister abgesprochen.

Alexander Kamyshin war der Chef von 231'000 ukrainischen Bahn-Angestellten.
Foto: DOVGAN TETIANA
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Die bessere Integration der ukrainischen Eisenbahn ins europäische Verkehrsnetz ist für das Land zentral. Alleine 2022 hat die Eisenbahn mehr als 150 Millionen Tonnen Güter in die Ukraine und aus dem Land hinaustransportiert – trotz des Krieges.

Rund vier Millionen Menschen sind nach Kriegsbeginn mit dem Zug aus der Ukraine geflohen. Ein Grossteil der Waffen und Panzer aus dem Westen gelangt mit dem Zug ins Land. Und nach dem Krieg sollen neue internationale Zugverbindungen abenteuerlustige Touristen in die riesige osteuropäische Nation bringen. Der Kult-Reiseführer Lonely Planet hat die neu eröffnete Zugstrecke zwischen der moldawischen Hauptstadt Chisinau und Kiew erst gerade zu einer der schönsten des ganzen Kontinents auserkoren.

Neue Chance für Stadler Rail in der Ukraine?

In einer seiner letzten Wortmeldungen vor seiner Kündigung dankte Kamyshin auf Twitter der Schweiz für die finanzielle Unterstützung bei der Anschaffung neuer Schienenklammern. Mit den Anfertigungen der Thurgauer Firma Schwihag will die ukrainische Bahn die zerstörten Gleisabschnitte reparieren.

Doch nicht mit allen Schweizer Firmen hatte sich der Bahn-Chef gut verstanden. Den Schweizer Zug-Bauer Stadler Rail kritisierte Kamyshin gegenüber Blick zuletzt scharf dafür, dass er in Belarus weiterhin eine Firma habe. Solange eine Firma in Belarus Steuern zahle, unterstütze sie indirekt die russischen Truppen, die von Belarus aus Angriffe auf die Ukraine starteten, sagte Kamyshin. Die Ukraine sei daher nicht an Gesprächen über eine mögliche Lieferung neuer Züge interessiert. Stadler verweist darauf, dass man die Produktion in Belarus faktisch heruntergefahren habe und jederzeit gerne mit der Ukraine über neue Züge diskutiere.

Wer an Kamyshins Stelle tritt und allfällige Diskussionen mit Stadler führen wird, ist noch nicht bekannt.

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