Grenzausbau und Truppenverschiebungen – Finnen «verstärken heimlich Ostgrenze»
Europas Nato-Nordosten rüstet sich für Krieg mit Russland

Russlands Angriff auf die Ukraine hat in Europa Verunsicherung ausgelöst. Jetzt bereiten sich viele Staaten auf einen möglichen Angriff Moskaus vor. Wie Polen, Finnland und das Baltikum auf die neue Bedrohung aus dem Osten reagieren.
Publiziert: 07.11.2023 um 20:45 Uhr
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Aktualisiert: 07.11.2023 um 22:14 Uhr
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Marian NadlerRedaktor News

Lange wiegten sich die Nato-Staaten in Nord- und Osteuropa in Sicherheit. Bis Russland am 24. Februar 2022 die Ukraine überfiel und es zum grössten militärischen Konflikt in Europa seit 75 Jahren kam. Der Kreml stellt mittlerweile immer mehr auf Kriegswirtschaft um. Das haben inzwischen auch die europäischen Nato-Mitglieder erkannt. 

Russland, allen voran der frühere Präsident Dimitri Medwedew (58) und die Propagandisten in TV und Hörfunk, kokettieren immer wieder auch mit einem möglichen Feldzug über die Grenzen der Ukraine hinaus. Die Verteidigungsminister von Finnland, Polen und dem Baltikum reagieren auf die neue Bedrohung aus dem Osten – und rüsten massiv auf. Ein Überblick.

Finnland

Finnland ist seit Anfang April offiziell Nato-Mitglied, ein klares Zeichen gegen Russland. Jahrelang wurde die Grenze zu Russland vernachlässigt. Das hat sich nun geändert. Die finnischen Streitkräfte (FDF) haben damit angefangen, «heimlich ihre Ostgrenze zu verstärken», berichtet die grösste finnische Zeitung «Helsingin Sanomat». Man baut wieder einen Grenzzaun an der rund 1300 Kilometer langen Grenze zu Russland, zunächst auf 200 Kilometern Länge. Lokale Landbesitzer erhalten eine Entschädigung von umgerechnet mehr als 5000 Franken pro Hektar, wenn auf ihrem Grund Wachtürme, Lautsprecheranlagen oder Zäune gebaut werden. 

Die Nato-Staaten, die Grenzen zu Russland haben, rüsten massiv auf.
Foto: Getty Images
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Damit nicht genug: Die Finnen «können in einem Kriegsfall ihre recht kleine Armee praktisch innerhalb weniger Tage verzehnfachen, weil sie sehr konsequent seit Jahrzehnten Reservisten ausbilden und die nötige Ausrüstung vorhalten», erklärt der deutsche Militärexperte Thomas Wiegold im Gespräch mit n-TV. 

Baltikum

Auch im Baltikum wird aufgerüstet. Litauen kann sich dabei auf die Unterstützung Deutschlands verlassen. Wie der «Spiegel» am Montag berichtete, will Verteidigungsminister Boris Pistorius (63) Tausende Soldaten mit finanziellen Prämien und anderen Privilegien in den Osten locken. Rund 4000 Soldaten will Deutschland nach Litauen verlegen, bis 2027 will man voll einsatzbereit sein. Militärexperten gehen zudem davon aus, dass auch polnische Soldaten in dem baltischen Staat stationiert werden könnten. 

Estland hat schon vor längerer Zeit beschlossen, die Verteidigungsausgaben auf 3 Prozent des BIP zu erhöhen. Die Regierung bewilligte schon im Juni 1,3 Milliarden Euro allein für Munition. Bis 2031 sollen weitere Waffensysteme angeschafft werden. Schon bis 2025 sollen mehrere Himars-Mehrfachraketenwerfer den Weg nach Estland finden und die Truppengrösse aufgestockt werden. Bereits bis Ende 2023 sollen 10'000 weitere Soldaten ihren Dienst antreten.

Lettland gab im September eine Absichtserklärung ab, das deutsche Luftabwehrsystem Iris-T kaufen zu wollen. Ein Luftabwehrsystem ist nach Angaben von Verteidigungsministerin Inara Murniece (52) bereits für Tests in dem Land stationiert worden. 

Polen

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Polen hat mit 4,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) die prozentual höchsten Verteidigungsausgaben aller Nato-Staaten. Ein Sparkurs ist angesichts dessen, dass Polen nicht nur an die Ukraine, sondern auch an Russlands treuen Verbündeten Belarus grenzt, nicht in Sicht. Im kommenden Jahr sollen die Militärausgaben auf fünf Prozent steigen. Bis 2035 soll die Armeegrösse auf 300'000 Mann anwachsen – eine Verdopplung zu 2022.

Im Augst gaben die USA grünes Licht für eine Lieferung von 96 Kampfhelikoptern des Typs Apache, Polen besitzt damit bald die grösste Flotte der Kampfmaschinen ausserhalb der USA. Kostenpunkt: stolze 12 Milliarden Dollar.

Jan Opielka, freier Journalist in Polen, gab dem SRF eine Übersicht dessen, was ansonsten noch auf der Einkaufsliste der Osteuropäer steht: «Polen will insgesamt mehr als 1300 neue Panzer anschaffen.» Diese sollen aus südkoreanischer und US-amerikanischer Produktion kommen. Hinzu kommen mehr als 600 Haubitzen und 32 F-35-Kampfjets. 10'000 Soldaten sollen an die Ostgrenze verlegt werden. Unklar ist aktuell allerdings, wie eine mögliche neue Regierung nach den Wahlen vom 15. Oktober zu den Plänen steht.

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