Generalstabschef Gerassimow und Selenski sollen als Sündenböcke herhalten
Wie Putin versucht, sich im Ukraine-Krieg aus der Verantwortung zu ziehen

Die Verantwortung für den Krieg schiebt der Kremlchef anderen zu. An ernsthaften Verhandlungen mit der Ukraine ist Wladimir Putin laut der US-Denkfabrik ISW nicht interessiert. So versucht er, den kostspieligen Krieg zu Hause zu rechtfertigen.
Publiziert: 23.12.2022 um 11:44 Uhr

«Unser Ziel ist es, den Krieg zu beenden!» Das sagte der russische Präsident am Donnerstag vor den Medien. Doch Wladimir Putin (70) will nur ein schnelles Ende des Krieges in der Ukraine, wenn Russland gewinnt. Der russische Präsident versuche mit seinen jüngsten Statements vor der eigenen Bevölkerung die kostspieligen Kriegsanstrengungen zu rechtfertigen und sich selbst von der Verantwortung für einen langwierigen Krieg freizusprechen, analysiert das «Institute for the Study of War» (ISW).

Seit Anfang Juli habe die russische Armee in der Ukraine keine signifikanten Erfolge mehr verzeichnen können. Nun hat der Kreml zwei Sündenböcke ausgemacht, die für den Krieg in der Ukraine verantwortlich gemacht werden sollen.

Gerassimow und Selenski sollen als Sündenböcke herhalten

Die Hauptverantwortung schiebt Putin dabei seinem Generalstabschef Waleri Gerassimow (67) zu. Bis Mitte Dezember war er fast zehn Monate von der Bildfläche verschwunden. Jetzt tauchte er wieder auf und stellte eine Menge längst widerlegter Behauptungen auf.

Russlands Präsident Wladimir Putin versucht, vor der eigenen Bevölkerung die kostspielige Invasion in der Ukraine zu rechtfertigen.
Foto: IMAGO/SNA
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So wachse in der Ukraine die «Neonazi-Ideologie», und es habe in Kiew Vorbereitungen gegeben, wonach Anfang 2022 der Donbass und die Krim zurückerobert werden sollten. Dies ist laut dem ISW nicht der Fall. Der hohe Blutzoll hat in Teilen der russischen Bevölkerung für schlechte Stimmung gesorgt. Gerassimows Äusserungen sollen die öffentliche Unterstützung zurückgewinnen, stellt das ISW fest.

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Putin bezeichnet Ukraine-Invasion erstmals als Krieg

Der zweite Sündenbock sei Wolodimir Selenski (44). Denn der ukrainische Präsident gebe nicht nach und verlängere damit den Krieg – so der Ton im Kreml. Dabei hat Selenski bei seinem Besuch in den USA gerade erst einen 10-Punkte-Friedensplan vorgestellt.

Erstmals hatte Wladimir Putin am Donnerstag die Invasion in der Ukraine als «Krieg» bezeichnet. Die Kämpfe in der Ukraine wolle er so schnell wie möglich beenden. Gleichzeitig stellte er in einer im Fernsehen übertragenen Pressekonferenz im Anschluss an eine Regierungssitzung fest, dass Russland das Tempo der Invasion nicht erhöhen werde, da dies zu «ungerechtfertigten Verlusten» führen würde.

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Selenski nach seiner Reise:«Ich komme mit guten Resultaten zurück aus Washington»

Bislang hatte der Autokrat die Ukraine-Invasion immer als «militärische Spezialoperation» bezeichnet. Der Gebrauch des Wortes «Krieg» im Zusammenhang mit der Ukraine-Invasion steht in Russland unter Strafe. Dass Putin nun für einmal von einem «Krieg» sprach, hat einigen Wirbel ausgelöst. Der St. Petersburger Bezirksabgeordnete und Putin-Kritiker Nikita Juferew (34) reichte prompt Klage gegen Putin ein. (nad)

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