Geschworene entscheiden nun über Schuld oder Unschuld
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Prozess von Derek Chauvin
Geschworene entscheiden nun über Schuld oder Unschuld

Im Fall George Floyd neigt sich der Prozess gegen den Ex-Polizisten Derek Chauvin dem Ende zu. Vor der Urteilsverkündung gleicht die Stadt Minneapolis einer Festung. Denn die Behörden befürchten neue Ausschreitungen. Nun liegt der Fall in den Händen der Geschworenen.
Publiziert: 19.04.2021 um 17:33 Uhr
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Aktualisiert: 21.04.2021 um 04:26 Uhr

Strassensperren, gepanzerte Militärfahrzeuge und meterhohe Zäune mit Stacheldraht: Minneapolis gleicht momentan einer Festung. In der Hauptstadt des US-Bundesstaats Minnesota patrouillieren derzeit schwer bewaffnete Soldaten mit Sturmgewehren. Viele Geschäfte haben ihre Eingänge und Fenster verbarrikadiert. Sie haben Angst vor Plünderungen und Zerstörung.

Grund für die angespannte Lage ist der Gerichtsprozess gegen Derek Chauvin (45) – den Ex-Polizisten, dem der Mord an George Floyd (†46) vorgeworfen wird. Die Abschlussplädoyers wurden von Staatsanwaltschaft und Verteidigung vorgetragen. Die Verhandlungen stehen kurz vor dem Ende.

Jury berät über Schuld oder Unschuld

Beide Seiten haben dabei versuchet, die Geschworenen zu überzeugen. Die Anhörung von Zeugen im Hauptverfahren war nach drei Wochen am Donnerstag zu Ende gegangen.

Die Stadt Minneapolis sieht momentan aus wie eine Festung.
Foto: Getty Images
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Nach den Plädoyers beraten nun die zwölf Mitglieder der Jury, um über Schuld oder Unschuld Chauvins zu befinden. Dafür gibt es keine Zeitvorgabe – sie könnten innerhalb einer Stunde entscheiden oder nach einer Woche, wie Richter Peter Cahill erklärte. Die Geschworenen dürfen während der Beratungen nicht mehr nach Hause gehen, sondern werden in einem Hotel untergebracht. Die Geschworenen bleiben aus Sicherheitsgründen bis auf Weiteres anonym.

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Weiteren Zunder liefert auch der Tod des 20-jährigen Afroamerikaners Daunte Wright. Er wurde vor rund einer Woche in einem Vorort von Minneapolis durch Polizeischüsse getötet. Der Vorfall hatte zu massiven Protesten in der Stadt geführt.

Mehr als 3000 Soldaten

Um die Situation unter Kontrolle zu behalten, hat die Nationalgarde mehr als 3000 Soldaten aufgeboten. Diese sollen die rund 1000 Sicherheitskräfte vor Ort unterstützen. Es handelt sich dabei um eine behördenübergreifende Operation mit dem Namen «Operation Safety Net».

Dafür musste auch Verstärkung aus den Bundesstaaten Ohio und Nebraska angefordert werden. Bewacht werden unter anderem Polizei- und Gerichtsgebäude. Es wird aber auch vor zivilen Gebäuden patrouilliert.

Befestigung kostet eine Million Dollar

Wie die «New York Post» schreibt, soll die Befestigung von Regierungsgebäuden mindestens eine Million US-Dollar gekostet haben. Die Sicherheitsmassnahmen werden aber als notwendig erachtet. Denn die Stadt wurde seit dem Tod von George Floyd mehrfach zum Schauplatz von Protesten und Strassenschlachten.

Die Erwartungen an das Verfahren sind immens. Viele Menschen, wohl auch die meisten Schwarzen, hoffen auf ein Urteil, das ein Zeichen gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA setzen wird - und dagegen, dass Sicherheitskräfte oft straffrei davonzukommen scheinen. Sollte Chauvin freigesprochen werden oder eine kurze Haftstrafe bekommen, weil die Geschworenen ihn zum Beispiel nur des Totschlags für schuldig befinden, dürfte es zu massiven Protesten kommen. Die Sicherheitskräfte haben ihre Präsenz in Minneapolis daher bereits verstärkt, viele Geschäfte bereits ihre Vitrinen verrammelt.

Chauvin plädiert auf nicht schuldig

Der 46-jährige Floyd war am 25. Mai 2020 in Minneapolis bei einer brutalen Festnahme ums Leben gekommen. Videos dokumentierten, wie Polizisten den unbewaffneten Mann zu Boden drückten. Chauvin presste dabei sein Knie rund neun Minuten lang in Floyds Hals, während dieser flehte, ihn atmen zu lassen. Floyd verlor der Autopsie zufolge das Bewusstsein und starb. Die Beamten hatten Floyd wegen des Verdachts festgenommen, mit einem falschen 20-Dollar-Schein bezahlt zu haben.

Der schwerwiegendste Anklagepunkt gegen Chauvin lautet Mord zweiten Grades ohne Vorsatz. Darauf stehen bis zu 40 Jahre Haft. Nach deutschem Recht entspräche dies eher dem Totschlag. Zudem wird Chauvin auch Mord dritten Grades vorgeworfen, was mit bis zu 25 Jahren Haft geahndet werden kann. Auch muss er sich wegen Totschlags zweiten Grades verantworten, worauf zehn Jahre Haft stehen. Chauvin, der nach dem Vorfall entlassen worden war und auf Kaution frei ist, hat auf nicht schuldig plädiert.

Chauvins Verteidiger argumentierten, dass Floyds Tod nicht primär auf Gewalteinwirkung zurückgehe, sondern vor allem auf dessen vorbelastete Gesundheit und Rückstände von Drogen in seinem Blut. Experten der Staatsanwaltschaft wiesen dies klar zurück. Ein Lungenspezialist etwa erklärte, Floyd sei an den Folgen von Sauerstoffmangel gestorben. Der niedrige Gehalt an Sauerstoff habe Hirnschäden verursacht und Floyds Herz zum Stillstand gebracht. Der Polizeichef von Minneapolis, Medaria Arradondo, bezeichnete Chauvins Gewaltanwendung als unverhältnismässig und vorschriftswidrig. (bra/SDA)

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