Experte zur Gegenoffensive der Ukrainer
Warum der Westen jetzt mehr Waffen liefern muss

Der Westen tut laut internationalen Experten nicht genug, um die Ukraine zu unterstützen. Es sollen mehr Waffen geliefert werden, um das Land bei einer Gegenoffensive zu unterstützen.
Publiziert: 14.04.2023 um 21:34 Uhr
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Nach etwas mehr als einem Jahr kann man sagen: Der Krieg hat sich für die Ukraine weitaus besser entwickelt als von den meisten Beobachtern vorhergesagt. Russlands Versuch, seinen Nachbarn innert kürzester Zeit zu unterjochen, ist gescheitert. Gleichzeitig ist es schwierig, die weitere Entwicklung des Krieges mit Optimismus zu betrachten.

Während Kiew und Moskau ihre nächsten Schritte auf dem Schlachtfeld vorbereiten, zeigen geleakte US-Dokumente: Um beide Armeen steht es schlecht. Vor allem das ukrainische Militär soll Mühe haben, genügend Personal und Material für eine erfolgreiche Gegenoffensive zusammenzuziehen, heisst es. Und weiter: Im Osten wird man «auf eine Pattsituation zusteuern» und das Ergebnis wird wahrscheinlich «ein langwieriger Krieg über 2023 hinaus» sein.

Ukrainische Lage ist «Scheitern des Westens»

Für den amerikanischen Politikwissenschaftler Andrew Michta (67) trägt auch der Westen zur misslichen Lage der Ukraine bei. In einem Gastbeitrag für «Atlantic Council» schreibt er: «Einer der Gründe, warum dieser Krieg immer noch andauert, ist die extreme Zurückhaltung des Westens, wenn es darum geht, das ukrainische Militär mit den Waffen und der Munition auszustatten.» Der Westen gibt der Ukraine nur genug, um zu überleben – aber nicht um zu gewinnen.

Die Ukraine bereitet sich auf eine Gegenoffensive vor. Hier feuern ukrainische Soldaten im Donbass auf russische Stellungen.
Foto: keystone-sda.ch
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Westliche Unterstützung an die Ukraine

Allein die Vereinigten Staaten haben Material im Wert von über 25 Milliarden Dollar bereitgestellt, darunter 160 moderne Artilleriegeschütze, 38 Himars-Mittelstreckenraketen, Hunderte von gepanzerten Fahrzeugen und Zehntausende von fortschrittlicher Munition aller Art.

Verbündete wie Polen und die Tschechische Republik haben sogar noch mehr getan (relativ, nicht absolut). Sie haben Hunderte von Panzern nach sowjetischem Vorbild, eine Reihe moderner Artilleriesysteme und alle Arten von nicht-tödlicher Unterstützung geliefert.

Selbst das zuerst zögerliche Deutschland hat eine Reihe von modernen Geschützen und Raketenwerfern, einige Flugabwehrsysteme und mehr geschickt. Insgesamt hat der Westen mehr als 320 Panzer, 2400 andere gepanzerte Fahrzeuge, 450 Artilleriegeschütze und mehr als 135 Luftabwehrsysteme in die Ukraine geschickt, und Kampfjets sind auf dem Weg.

Allein die Vereinigten Staaten haben Material im Wert von über 25 Milliarden Dollar bereitgestellt, darunter 160 moderne Artilleriegeschütze, 38 Himars-Mittelstreckenraketen, Hunderte von gepanzerten Fahrzeugen und Zehntausende von fortschrittlicher Munition aller Art.

Verbündete wie Polen und die Tschechische Republik haben sogar noch mehr getan (relativ, nicht absolut). Sie haben Hunderte von Panzern nach sowjetischem Vorbild, eine Reihe moderner Artilleriesysteme und alle Arten von nicht-tödlicher Unterstützung geliefert.

Selbst das zuerst zögerliche Deutschland hat eine Reihe von modernen Geschützen und Raketenwerfern, einige Flugabwehrsysteme und mehr geschickt. Insgesamt hat der Westen mehr als 320 Panzer, 2400 andere gepanzerte Fahrzeuge, 450 Artilleriegeschütze und mehr als 135 Luftabwehrsysteme in die Ukraine geschickt, und Kampfjets sind auf dem Weg.

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«Die Geschichte ihres Kampfes ist auch die Geschichte des Versagens des Westens», so Michta. Zu wenig Waffen, zu zögerliche Lieferungen – all das verhindert den Sieg der Ukraine – oder zumindest eine erfolgreiche Gegenoffensive.

Westen muss jetzt Waffen liefern

Warum diese so wichtig ist, erklärt Osteuropa-Experte Alexander Dubowy (39) im Gespräch mit Blick. «Die geplante Offensive birgt grosse Risiken für Kiew, handelt es sich doch um die letzte Chance der Ukraine, den Krieg militärisch für sich zu entscheiden. Sollte diese Offensive scheitern, droht Kiew nicht nur die Initiative an der Front zu verlieren, sondern in einen langen und kostspieligen Stellungskrieg verwickelt zu werden; mit letztlich kaum absehbaren Folgen für den Kriegsausgang.»

Daher ist es an der Zeit, dass der Westen aufhört, sich selbst im Weg zu stehen und der Ukraine die Panzer, Raketen und andere Waffen liefert, die das Land für einen Sieg benötigen. So internationale Beobachter. Denn: Mehr Panzer heisst höhere Verteidigungsfähigkeit. Mehr Raketen heisst mehr Angriffe auf den Gegner. Mehr Kampfjets heisst besseren Schutz für die Bevölkerung. Heisst alles in allem: Bessere Chancen auf eine erfolgreiche ukrainische Gegenoffensive.

Kommt es bald zu Friedensverhandlungen?

Aktuell deutet alles auf ein Patt hin. Und mit dieser Aussicht werden auch die Rufe nach einem diplomatischen Ende des Kriegs immer lauter. Doch da sowohl Moskau als auch Kiew versprechen, den Kampf fortzusetzen, sind die Bedingungen für eine Verhandlungslösung noch nicht reif.

Das sieht auch Osteuropa-Experte Dubowy so. «Die einzige realistische Chance auf einen nachhaltigen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen würde sich nur im Falle eines klaren militärischen Erfolges der Ukraine eröffnen.»

Auch Ulrich Schmid (57), Russland-Experte an der Universität St. Gallen, sagt zu Blick: «Verhandlungen sind zurzeit nicht realistisch, weil es keine Verhandlungspartner, keinen Verhandlungsgegenstand und keine Verhandlungssprache gibt.» Zudem weigern sich auch die beiden Kriegsparteien noch immer, sich an einen gemeinsamen Tisch zu setzen.

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