Ex-Präsident erneut vor Gericht
Was den USA droht, wenn Trump im Gefängnis landet

Mehr als die Hälfte der Republikaner wollen den Ex-Präsidenten als Kandidaten ins Rennen ums Weisse Haus schicken. Daran ändert auch die jüngste Anklage nichts. Joe Biden muss sich überlegen, wie er die totale Eskalation im Land abwenden kann. Eine Analyse.
Publiziert: 03.08.2023 um 17:52 Uhr
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Aktualisiert: 04.08.2023 um 07:34 Uhr
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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Der arme Ron DeSantis (44): Da legt sich Floridas Gouverneur derart ins Zeug, kommt vor lauter Wahlkampf-Auftritten kaum noch zum Schlafen, spurt mehr Meilen ab als jeder Profi-Reise-Blogger und schnappt sich jedes Mikrofon auf jeder noch so kleinen Bühne im Land. Alles mit dem Ziel, von den republikanischen Wählerinnen und Wählern in Amerika endlich ernst genommen zu werden.

Und dann das: Nur gerade 17 Prozent der Republikaner wollen DeSantis als ihren Kandidaten gegen den Demokraten Joe Biden (80) ins Rennen um das Weisse Haus schicken, wie eine neue Umfrage der «New York Times» zeigt. DeSantis' Kontrahent Donald Trump (77) hingegen kommt auf 54 Prozent. Und das trotz der hochbrisanten Gerichtsverfahren wegen Geheimnis-Klau, Hochverrat, Schweigegeldzahlungen und sexuellem Missbrauch, die derzeit gegen Trump laufen.

Trump scheint immun gegen juristisches Ungemach

Wie kann das sein? Trump, dreifach geimpft gegen Corona und offenbar auch immun gegen jegliche juristischen Angriffe, hat die republikanischen Vorwahlen des Rennens um das Weisse Haus faktisch bereits gewonnen. Eine valable republikanische Alternative? Nicht in Sicht. Schlicht nichts, das ihn stoppen könnte. Nicht einmal die jüngste Anklage wegen «Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten», die ihm am Donnerstagabend um 22 Uhr Schweizer Zeit in einem Gericht in Washington D.C. verlesen wird.

Donald Trump muss am Donnerstagabend erneut vor Gericht erscheinen.
Foto: Getty Images
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Ex-Präsident Donald Trump plädiert auf «nicht schuldig»
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Gerichtstermin in Washington:Ex-Präsident Donald Trump plädiert auf «nicht schuldig»

Es ist wie verhext: Trumps Zustimmungswerte steigen jedes Mal sprunghaft an, wenn die Ermittler des US-Justizsystems mal wieder mit neuen Vorwürfen gegen den Ex-Präsidenten aus ihren Studienkämmerchen herauskommen. Die Anschuldigungen – und sei die Beweislage für die Schweigegeldzahlungen an eine Porno-Darstellerin, für den Diebstahl geheimer Dokumente oder die Aufwiegelungsversuche am 6. Januar 2021 noch so dicht – befeuern Trumps Beliebtheit.

Wollen die Republikaner vielleicht einfach einen «bad boy» als Präsidenten? Verkennen sie Trumps Ablehnung des Justizsystems als Zeichen der Stärke? Oder glauben sie seiner Mär, dass es die Staatsanwälte des Landes eigentlich auf die Freiheiten der Bürger abgesehen hätten? Dass nur noch er, Trump, zwischen dem unschuldigen Volk und den Hexenjägern aus der «Abteilung für Ungerechtigkeit» (so Trumps Bezeichnung des Justizdepartements) steht?

Verbringt Trump seinen 80. Geburtstag im Gefängnis?

Auf dieses politische Armageddon stimmt Trump seine Millionen-Anhängerschaft unermüdlich ein. Geführt wird die letzte Schlacht im November 2024. Verliert sie Trump, dann dürfte der bunteste Vogel der amerikanischen Polit-Geschichte seinen 80. Geburtstag (und wenns die Gesundheit zulässt auch den 90.) im Gefängnis zubringen.

Ohne den Schutz vor Strafverfolgung, den er als Präsident genösse, sinken seine Chancen auf einen Lebensabend in Freiheit mit der jüngsten Anklage gegen null.

Es sei denn, Joe Biden erbarme sich Trump und begnadige den einstigen Konkurrenten. Der amtierende US-Präsident hätte die Macht für eine solche Begnadigung. Und auch wenn Biden in seiner mehr als 50-jährigen Politkarriere immer und immer wieder klargemacht hat, dass niemand in seinem Land über dem Gesetz stehe: Eine Begnadigung von Trump scheint zum jetzigen Zeitpunkt nicht unrealistisch.

Wo nur bleibt der neue Lincoln?

Würde Trump tatsächlich eingesperrt, dann verwandelten sich Amerikas Strassen im Nu in einen Versammlungsplatz wütender Mobs, die sich nötigenfalls mit Waffengewalt am vermeintlichen Unrechtsstaat rächen wollen.

Einen Vorgeschmack davon hat die Welt am besagten Dreikönigstag 2021 erhalten, als erboste Trump-Anhänger das amerikanische Parlamentsgebäude stürmten. Amerika stünde rund 160 Jahre nach dem Ende des Bürgerkrieges erneut am Rande einer innenpolitischen Katastrophe.

1861 zogen die Südstaaten gegen den Norden in den Krieg, weil sie die Sklavenhaltung nicht verbieten wollten. 2024 droht Amerika ein neuer Konflikt, weil ein gebürtiger Nordstaatler die amerikanische Politik nicht aus der Geiselhaft entlassen will. In den 1860er Jahren braucht es die weise Besonnenheit des Republikaners Abraham Lincoln, um die Vereinigten Staaten wieder zu einen. Ein Lincoln täte auch heute Not. Nur finden lässt er sich nirgends.

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