EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker zum Abschied
«Bekämpft den dummen Nationalismus»

Mit einer emotionalen Rede hat sich EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker nach fünf Jahren Amtszeit verabschiedet und seine Erfolge herausgestrichen. «Ich scheide aus dem Amt nicht betrübt, nicht übermässig glücklich, aber im Gefühl, mich redlich bemüht zu haben».
Publiziert: 22.10.2019 um 14:45 Uhr
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Aktualisiert: 22.10.2019 um 15:13 Uhr

Das sagte der 64-Jährige am Dienstag im EU-Parlament in Strassburg. «Ich war stolz darauf, während langer Zeit und vor allem in den letzten fünf Jahren ein kleines Teilchen eines grösseren Ganzen zu sein, das wichtiger ist als wir.»

Frieden ist keine Selbstverständlichkeit

Der Luxemburger erinnerte daran, dass die Europäische Union vor allem auch ein Friedensprojekt sei. «Frieden ist nicht selbstverständlich, und wir sollten stolz darauf sein, dass Europa den Frieden erhält», sagte er. Darüber müsse man auch mit jungen Menschen reden.

Seinen Nachfolgern gab er mit auf den Weg: «Bekämpft mit aller Kraft den dummen Nationalismus.» Und schloss seine Rede mit den Worten: «Es lebe Europa!»

L'Europe, c'est moi. - Das ist nun bald vorbei für Noch-EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
Foto: Jean-Francois Badias
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Wann übergibt Juncker sein Amt?

Juncker scheidet offiziell zum 1. November aus dem Amt, führt aber noch die Geschäfte, bis seine Nachfolgerin Ursula von der Leyen starten kann.

Der Start der neuen Kommissionschefin von der Leyen verzögert sich, weil ihr Personalpaket für die künftige Kommission noch nicht vollständig ist. Drei designierte Kommissare scheiterten im Nominierungsverfahren. Frankreich, Rumänien und Ungarn müssen nun neue Kandidaten präsentieren. Als möglicher neuer Starttermin gilt der 1. Dezember.

Krisen während Junckers Amtszeit

Der frühere luxemburgische Regierungschef war 2014 nach Brüssel gewechselt. In seine Amtszeit fallen etliche Krisen, darunter die Euro-Schuldenkrise, die 2015 fast zum Rauswurf Griechenlands aus der Eurozone geführt hätte, und die Flüchtlingskrise 2015. Der grösste Rückschlag war die Brexit-Entscheidung in Grossbritannien 2016, die die Gemeinschaft seither fast pausenlos beschäftigt.

Brexit-News

Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.

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Juncker kann Erfolge verzeichnen

Juncker verwies zum Abschied vor allem auf Erfolge des 2014 von ihm gestarteten Investitionsprogramms, des sogenannten Juncker-Plans. Die damit abgesicherten Investitionen hätten 1,1 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen und die Wirtschaft in der Europäischen Union um 0,9 Prozent stärker wachsen lassen als.

Das sei zwar kein Allheilmittel gewesen, doch könne man darauf stolz sein, sagte Juncker. Insgesamt wurden über einen mit 21 Milliarden Euro bestückten Fonds nach Angaben der EU-Kommission Investitionen in Höhe von 439,4 Milliarden Euro mobilisiert.

Darüber hinaus unterstrich Juncker die sozialere Ausrichtung der EU. Wichtig sei ihm zudem gewesen, Griechenland in der Eurozone zu halten und engere Beziehungen zu Afrika zu knüpfen. Seine EU-Kommission habe Vorschläge zur Migrationspolitik erarbeitet und insgesamt 15 internationale Handelsabkommen geschlossen.

Kein Rahmenabkommen mit der Schweiz

Juncker bedauerte, dass mit der Schweiz kein Rahmenabkommen abgeschlossen werden konnte. Es habe viele Anstrengungen dazu gegeben, die Bemühungen seien intensiv gewesen, sagte er.

Auf Augenhöhe mit Trump

Der scheidende EU-Kommissionschef erinnerte an sein Treffen mit US-Präsident Donald Trump im Juli 2018, bei dem er den Handelskonflikt mit den USA entschärft hatte. Er habe Trump damals erläutert, dass allein die EU-Kommission für die gemeinsame Handelspolitik zuständig sei, was der US-Präsident mit Interesse zur Kenntnis genommen habe. «Wenn man als Luxemburger in Washington sitzt und sagt, ich bin der entscheidende Mann, dann ist das quasi noch nie dagewesen», scherzte Juncker. (SDA)

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