Erfolgsquote von über 90 Prozent
Erste Therapie mit Genschere zugelassen

Die Therapie mit der sogenannten Genschere wurde in Grossbritannien erstmals zugelassen. Wie klinische Studien zeigen, ist die Erfolgsquote vielversprechend. Bei über 90 Prozent der behandelten Patienten zeigte die neue Technologie Erfolge.
Publiziert: 16.11.2023 um 17:49 Uhr
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Aktualisiert: 16.11.2023 um 18:03 Uhr

In Grossbritannien ist weltweit erstmals ein Medikament zugelassen worden, das auf der Genscheren-Technologie Crispr basiert. Das teilte die Arzneimittelbehörde MHRA (Medicines and Healthcare products Regulatory Agency) am Donnerstag mit.

Das Medikament mit dem Namen «Casgevy» ist demnach für die Behandlung der Sichelzellkrankheit und der Beta-Thalassämie, zwei genetisch bedingten Bluterkrankungen, für Patienten ab zwölf Jahren zugelassen worden. Beiden Erkrankungen liegen Fehler im Gen für Hämoglobin zugrunde. Das ist ein eisenhaltiger Proteinkomplex, der in roten Blutkörperchen vorkommt und dazu dient, Sauerstoff zu transportieren.

Die sogenannte Genschere Crispr/Cas kann gezielt auf einzelne Gene ausgerichtet werden. Die Entwicklerinnen der Methode, Emmanuelle Charpentier und Jennifer A. Doudna, hatten dafür 2020 den Nobelpreis erhalten. «Casgevy» diene dazu, die fehlerhaften Gene in Knochenmark-Stammzellen der Patienten zu verändern, damit sie funktionierendes Hämoglobin produzieren können, hiess es in einer Mitteilung der MHRA.

Die Genscheren-Therapie wurde in Grossbritannien erstmals zugelassen.
Foto: Shutterstock

Behandlung könnte lebenslang wirken

Dafür werden demnach Stammzellen dem Knochenmark entnommen, im Labor bearbeitet und dann wieder in den Patienten eingesetzt. Für die Therapie ist ein mehrwöchiger Spitalaufenthalt notwendig. Das Ergebnis habe aber das Potenzial, lebenslang zu wirken, hiess es weiter.

Sowohl die Sichelzellkrankheit als auch die Beta-Thalassämie seien schmerzhafte, lebenslange Erkrankungen, die in manchen Fällen tödlich verlaufen könnten, sagte Julian Beach, Interims-Exekutivdirektor der Abteilung Healthcare Quality and Access der MHRA. Er fügte hinzu: «Bisher war eine Knochenmarktransplantation, die von einem gut passenden Spender kommen muss und das Risiko einer Abstossung mit sich bringt, die einzige dauerhafte Behandlungsoption.»

Die Sichelzellkrankheit kann zu schweren Schmerzanfällen, ernsthaften und lebensgefährlichen Infektionen und Anämie, einem auch als Blutarmut bezeichneten Mangel an Sauerstoff im Blut führen. Patienten mit Beta-Thalassämie leiden ebenfalls an Anämie und benötigen häufig Bluttransfusionen in Abständen von drei bis fünf Wochen.

Über 90 Prozent der Patienten zeigten Erfolge

Von 28 Patienten mit der Sichelzellkrankheit, die in einer klinischen Studie mit dem Medikament behandelt wurden, waren den Angaben zufolge zu 97 Prozent mindestens ein Jahr lang frei von schweren Schmerzanfällen.

Bei der klinischen Studie mit Beta-Thalassämie-Patienten, die auf Bluttransfusionen angewiesen sind, brauchten demnach 93 Prozent (39 von 42 Patienten) für mindestens zwölf Monate keine Transfusion roter Blutzellen. Bei den übrigen drei Patienten war zumindest eine 70-prozentige Reduzierung der Bluttransfusionen möglich.

Hergestellt wird das Medikament in einer Kooperation der Unternehmen Vertex und CRISPR Therapeutics, die ihren Hauptsitz in den USA und der Schweiz haben. Einer Mitteilung der beiden Unternehmen zufolge dürften in Grossbritannien derzeit etwa 2000 Menschen für die Behandlung mit «Casgevy» infrage kommen.

Vertex-Geschäftsführerin Reshma Kewalramani sprach von einem «historischen Tag in der Wissenschaft und Medizin». Er hoffe, es handle sich nur um die erste von vielen Anwendungen der Methode, die Menschen mit schweren Erkrankungen zugutekommen könnten, sagte CRISPR-Therapeutics-Chef Samarth Kulkarni laut der Mitteilung. (SDA)

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