«In Butscha wurde ein Massaker angerichtet»
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Gysling zum Butscha-Massaker:«Zivilisten wurden gefesselt und erschossen»

«Eine weitere Fälschung»
So dreist lügen die Russen über das Massaker in Butscha

Das Massaker von Butscha sorgt weltweit für Entsetzen. Das russische Verteidigungsministerium dementiert, dass es überhaupt Gräueltaten und Leichen gibt – genauso wie die russische Botschaft in Bern.
Publiziert: 04.04.2022 um 13:31 Uhr
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Aktualisiert: 04.04.2022 um 15:19 Uhr

Die russische Armee hat sich kürzlich aus der Region um die ukrainische Hauptstadt Kiew zurückgezogen. Im Vorort Butscha wurden anschliessend Hunderte Leichen von Zivilisten gefunden, zum Teil gefesselt und mit Kopfschusswunden. Im Internet veröffentlichte die ukrainische Regierung schockierende Bilder, die weltweit für Entsetzen sorgen. Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski (44) sprach von einem «Völkermord».

Russland hat auf die Bilder ebenfalls schockiert reagiert. Allerdings nicht angesichts der Gräueltaten durch die eigene Armee. Moskau dementierte die Tötung von Zivilisten durch russische Soldaten in Butscha. Der Kreml wirft Kiew vor, die Aufnahmen der Leichen inszeniert zu haben. «Alle vom Kiewer Regime veröffentlichten Fotos und Videos, die angeblich von ‹Verbrechen› russischer Soldaten in Butscha, Region Kiew, zeugen, sind nur eine weitere Provokation», teilte das russische Verteidigungsministerium mit.

Weiter schreibt die russische Behörde, dass es sich bei den Fotos und Videoaufnahmen lediglich um «eine weitere Fälschung, eine Inszenierung und Provokation des Kiewer Regimes für die westlichen Medien handelt». Ausserdem hätten sich die Einwohner während der russischen Kontrolle über die Stadt frei bewegen und auch Mobiltelefone benutzen können.

In der Stadt Butscha nahe Kiew wurden Hunderte toter Zivilisten gefunden.
Foto: keystone-sda.ch
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Anzeichen für «Videofälschungen»

In einer späteren offiziellen Mitteilung schrieb die Behörde in Moskau, die in den Videos gezeigten Toten würden angeblich keine Leichenflecken aufweisen, wie sie vier Tage nach dem Tod typisch seien. Russlands Armee sei bereits am 30. März aus Butscha abgezogen, teilte das Ministerium mit. Dagegen hatte der russische Armeesender Swesda TV am 1. April weiter berichtet, dass die eigenen Truppen noch die «volle Kontrolle» über Butscha hätten.

Experten des russischen Verteidigungsministeriums hätten Anzeichen für «Videofälschungen» und «Fakes» entdeckt, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag. «Nach dem zu urteilen, was wir gesehen haben, kann man diesen Videobildern nicht trauen.»

Der Kreml-Sprecher forderte ausländische Politiker auf, keine «voreiligen Anschuldigungen» gegen Moskau zu erheben und «zumindest die russischen Argumente anzuhören».

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Nicht die erste Lüge Russlands

Russland hat eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats gefordert. Moskau habe die Sitzung wegen der «abscheulichen Provokationen ukrainischer Radikaler» beantragt, erklärte der stellvertretende russische UN-Botschafter Dmitri Poljanskij.

Laut Russland hätten russische Soldaten 452 Tonnen humanitäre Hilfsgüter an die Zivilbevölkerung der Region Kiew verteilt, und kein einziger Einwohner sei Opfer von Gewalt geworden. Auch die russische Botschaft in Bern retweetete die Stellungnahme später auf Twitter.

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Auf der ganzen Welt reagierten Politiker schockiert auf das Massaker in Butscha. Der französische Präsident Emmanuel Macron (44), und auch die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock (41) bezeichneten die Bilder als «unerträglich». Der britische Premierminister Boris Johnson (57) wirft dem Herrscher Wladimir Putin (69) Kriegsverbrechen vor. Russland hat angesichts dieser Vorwürfe für Montag eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats gefordert.

Das Massaker in Butscha ist nicht die erste Gräueltat, die Russland schönredet. Schon anfangs März, als es zu einem russischen Bombenangriff auf ein Kinderspital in Mariupol kam, bezeichnete der russische Aussenminister Sergej Lawrow (71) den Angriff als Falschmeldung. Damals behauptete die russische Botschaft in Bern sogar, dass es sich auf den veröffentlichten Bildern um Schauspieler handeln würde.

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UN bestätigte Bombardierung

Zudem wurde behauptet, dass sich in dem Spital gar keine Zivilisten befunden hätten. Angeblich hätten Kämpfer des ukrainischen Bataillons Asow das Gebäude Tage zuvor besetzt. «Die Ultranationalisten haben das Gebäude zu einer Militärbasis transformiert und ein Feuernest dort eingerichtet. Ende Februar wurden das gesamte Personal und die Patientinnen der Geburtsklinik von den Nationalisten vertrieben», schrieb die Russen-Botschaft in Bern weiter.

Dabei zeigten Recherchen: Die Kämpfer befanden sich zu der Zeit in einem anderen Spital, mehrere Kilometer entfernt. Die UN hatte kurz darauf die Bombardierung bestätigt.

Kein Krieg, sondern eine Operation

Weiterhin spricht der Kreml nicht von Krieg, sondern von einer «militärische Spezial-Operation» in der Ukraine. Das gilt auch für das russische Volk. Wer sich widersetzt und von einem Krieg spricht, dem droht Knast.

Putin hatte den Angriff auf die Ukraine am 24. Februar unter anderem mit einer «Entnazifizierung» des Landes begründet – ein aus Sicht von Experten unhaltbarer Vorwand.

Von einer «absurden Erzählung» Putins spricht die israelische Extremismus-Expertin Rita Katz von der US-Nichtregierungsorganisation Site Intelligence Group. Zwar sei das Asow-Bataillon eine rechtsextreme nationalistische Bewegung, der sich auch Rechtsradikale aus anderen Ländern anschlössen. Es sei aber falsch, wenn Putin behaupte, die Regierung des von dem jüdischstämmigen Präsidenten Wolodimir Selenski geführten Landes sei von Neo-Nazis durchsetzt. (obf/AFP)

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