Ehemann festgenommen
Razzia bei Schottlands Ex-Regierungschefin Sturgeon

Kurz nach dem Rücktritt der schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon führt die Polizei eine Razzia in ihrem Haus durch. Ihr Ehemann wurde verhaftet. Die Ermittlungen drehen sich um Parteifinanzen.
Publiziert: 05.04.2023 um 19:34 Uhr
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Aktualisiert: 05.04.2023 um 21:51 Uhr

Schottlands Unabhängigkeitsbewegung muss einen erneuten Rückschlag hinnehmen: Der Ehemann der kürzlich zurückgetretenen Regierungschefin Nicola Sturgeon (52) ist im Zuge von Ermittlungen zu den Finanzen der Regierungspartei SNP festgenommen worden. Die Polizei teilte am Mittwoch mit, sie habe einen 58-Jährigen in Gewahrsam genommen, um ihn zu «Parteifinanzen» zu befragen, und durchsuche «mehrere Orte im Rahmen der Ermittlungen». Britische Medien hatten den Festgenommenen zuvor als Sturgeons Mann Peter Murrell (58) identifiziert.

Das Haus von Sturgeon und Murrell in Glasgow wurde durchsucht. In ihrem Vorgarten stellten die Beamten ein grosses Tatortzelt auf. Eine Razzia gab es auch am Hauptsitz der Schottischen Nationalpartei (SNP) in Edinburgh.

Razzia kurz nach Rücktritt

Murrell war fast 25 Jahre lang Generalsekretär der SNP – bis zu seinem Rücktritt im vergangenen Monat im Streit um Mitgliederzahlen der Partei. Die SNP hatte gegenüber Medien fälschlicherweise behauptet, keine 30'000 Mitglieder verloren zu haben

Im Vorgarten von Ex-Regierungschefin Nicola Sturgeon stellten die Beamten ein grosses Tatortzelt auf.
Foto: keystone-sda.ch
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Schon in der Vergangenheit hatte die mutmassliche Abzweigung von rund 600'000 Pfund (etwa 678'000 Franken) Spendengeldern Fragen rund um Murrell aufgeworfen. Ausserdem hatte er es versäumt, ein persönliches Darlehen an die Partei in Höhe von rund 100'000 Pfund (etwa 113'000 Franken) zu deklarieren – das könnte einen Bruch von Gesetzen zur Transparenz der Parteienfinanzierung darstellen.

Sturgeon hatte im Februar nach mehr als acht Jahren an der Spitze der Regierung in Edinburgh überraschend ihren Rücktritt erklärt – nach eigenen Angaben, weil ihr die «Energie» zum Weitermachen fehlte. Doch schwebten auch die Ermittlungen zu Murrell wie eine düstere Wolke über ihr.

Ihr Nachfolger, der bisherige Gesundheitsminister Humza Yousaf (37), bestritt am Mittwoch, dass Sturgeon in dem Wissen zurückgetreten sein könnte, dass die Ermittlungen ihr gefährlich nahekämen. «Nicolas Vermächtnis steht für sich allein», erklärte Yousaf.

Partei schweigt

Die SNP erklärte, es sei «nicht angemessen, laufende Polizeiermittlungen zu kommentieren». Sie betonte, voll und ganz mit der Polizei zu kooperieren.

Ähnlich äusserte sich Yousaf. Doch distanzierte er sich zugleich von allem, was vor seiner Zeit als SNP-Chef geschehen sein mochte. «Ich war nie ein Amtsträger in der Partei, ich hatte keinen Anteil an den Parteifinanzen», sagte er. «Mit der neuen Führung haben wir die Möglichkeit, für Transparenz zu sorgen.» Die SNP teilte mit, sie habe eine Überprüfung ihrer Führungsstruktur und Transparenzregeln beschlossen.

Sturgeon äusserte sich am Mittwoch zur Festnahme ihres Mannes zunächst nicht. In einem Interview des Senders Sky News am 20. März hatte sie angegeben, nicht von der Polizei gehört zu haben, ob sie oder ihr Mann wegen der Untersuchung zu den fehlenden Spenden befragt werden sollten. Im Februar verneinte sie auch jegliche Beteiligung an Murrells zinslosem Darlehen an die SNP.

SNP stürzt tiefer in die Krise

Die Opposition im schottischen Parlament nutzte die Gelegenheit zum Angriff auf die Regierungspartei. Die Festnahme sei «zutiefst beunruhigend», sagte die Vize-Chefin der schottischen Labour-Partei, Jackie Baillie (59). «Zu lange hat man es zugelassen, dass eine Kultur der Geheimhaltung und Vertuschung im Herzen der SNP gärt.» Sturgeon und Yousaf müssten dringend erklären, was sie gewusst hätten und zu welchem Zeitpunkt.

Die Festnahme stürzt die SNP tiefer in die Krise. Bereits der polarisierende Wahlkampf um die Nachfolge Sturgeons hatte Bruchlinien in der Frage über die Zukunft der Partei offengelegt. Die Forderung der SNP nach einem neuen Referendum über eine schottische Unabhängigkeit waren von der britischen Regierung in London und dem Obersten Gericht abgewiesen worden.

Jüngste Umfragen zeigen, dass nur rund 45 Prozent der schottischen Bevölkerung eine Abspaltung von Grossbritannien befürworten. Ungefähr so viele waren es auch bei der Abstimmung im Jahr 2014 gewesen, als sich die Unabhängigkeitsgegner durchsetzten. London besteht darauf, dass das Referendum von 2014 die Angelegenheit für eine Generation geklärt habe. (AFP)

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