Drohende Wirtschaftskrise
Flüchtlinge kommen unter Druck

In Folge der Corona-Krise kamen so wenige Flüchtlinge in die Schweiz wie seit Jahren nicht mehr. Das könnte sich schon bald wieder ändern.
Publiziert: 11.04.2021 um 17:33 Uhr
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Aktualisiert: 28.04.2021 um 20:23 Uhr
Camilla Alabor

Plötzlich war kein Durchkommen mehr, jede Möglichkeit zur Flucht versperrt: Als die Corona-Pandemie anhob, vor etwas mehr als einem Jahr, schlossen viele Länder ihre Grenzen – und so blieb es, monatelang.

Eine der Folgen: 2020 gelangten deutlich weniger Flüchtlinge und Migranten nach Europa als in den Jahren zuvor. Auch in der Schweiz waren die Asylzahlen schon lange nicht mehr so tief: Wurden 2019 noch 14 300 Bewerber registriert, waren es 2020 lediglich 11 000 (siehe Grafik).

Ein Bild aus besseren Zeiten: Viele Menschen in Tunesien leben vom Tourismus.
Foto: Sobli
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Und dies, obwohl die Pandemie weder Kriege noch andere Notlagen beendet hätte, obwohl viele Menschen sich weiterhin zur Flucht gezwungen sehen oder sich ein besseres Leben anderswo erhoffen, obwohl die Corona-Krise immer mehr zur Wirtschaftskrise wird.

Anzahl Flüchtlinge wieder angenommen

Führen all diese Entwicklungen demnächst zu einem erneuten Anstieg der Migration? Zumal viele Geflüchtete in instabilen Ländern leben – und wegen der Wirtschaftskrise selbst Einheimische oft keinen Job mehr finden. In den Maghreb-Staaten beispielsweise liegt der Tourismus völlig am Boden.

Tatsächlich hat die Anzahl Menschen, die übers Mittelmeer nach Europa fliehen, ab Sommer 2020 wieder zugenommen, wie Zahlen des Uno-Flüchtlingshilfswerks zeigen. Einige von ihnen kommen aus Krisengebieten wie Afghanistan oder Syrien; ein beträchtlicher Teil allerdings stammt aus Nordafrika.

Schweiz nur leicht betroffen

So machen Tunesier seit 2020 mehr als ein Drittel aller Landungen in Italien aus. Ihre Chancen auf einen legalen Aufenthalt in Europa sind praktisch inexistent – dennoch stellen seit Anfang Jahr mehr und mehr Tunesier in Italien ein Asylgesuch.

Die Schweiz war von diesem Zustrom bisher nur am Rande betroffen. Inzwischen allerdings rechnet das Staatssekretariat für Migration (SEM) damit, «dass 2021 mehr tunesische Staatsangehörige in der Schweiz um Asyl nachsuchen dürften als 2020». Am wahrscheinlichsten sei ein Anstieg zwischen 200 und 300 Gesuchen pro Jahr.

Bereits 2020 kamen zudem aus Algerien und Marokko leicht mehr Asylbewerber, während bei fast allen anderen Herkunftsländern ein Rückgang verzeichnet wurde.

Schweiz sei unbeliebtes Zielland

Ob die steigenden Zahlen aus Tunesien, Marokko und Algerien den Anfang einer Flüchtlingswelle aus Nordafrika darstellen, dazu mag das SEM keine Prognose machen. Man rechne für 2021 mit rund 15 000 Asylgesuchen, heisst es lediglich. Treffe dieses Szenario ein, «ist davon auszugehen, dass die Zahl der Asylgesuche von Algeriern und Marokkanern mindestens im Bereich der Gesuchszahlen des Jahres 2020 liegen wird».

Gerade Algerien bereitet den Behörden Bauchschmerzen. Schon vor der Corona-Pandemie weigerte sich das Land, Staatsangehörige zurückzunehmen, die ihre Rückreise nicht freiwillig antraten. Im März 2020 schloss die Regierung in Algier vor dem Hintergrund der Corona-Krise ihre Grenzen nun vollends. Ist das ein Problem für die Schweiz?

Beim SEM wiegelt man ab: Die Grenzschliessung habe nicht dazu geführt, dass die Anzahl hängiger Ausschaffungen gestiegen sei.

Und: Die Schweiz sei grundsätzlich kein bevorzugtes Zielland für Personen aus Nordafrika. Fast alle Personen aus jenen Ländern erhielten eine Wegweisung, welche die Schweiz zudem effizient vollziehe. Das habe sich herumgesprochen, so das SEM.

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