Blick mit den Carabinieri im Horror-Wald von Luino
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Drogenbanden am Lago Maggiore:Blick mit den Carabinieri im Horror-Wald von Luino

Drogenbanden terrorisieren Ferienparadies am Lago Maggiore
In den Wäldern hinter Luino wird gedealt, geschossen und gefoltert

Die italienische Polizei jagt mit Hochdruck die brutalen Banden – und bittet nun auch die Touristen um Mithilfe.
Publiziert: 26.07.2022 um 23:53 Uhr
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Aktualisiert: 27.07.2022 um 11:47 Uhr
Myrte Müller

Es ist Mittwoch, Markttag. Seit Jahrzehnten zählt der traditionelle Mercato von Luino zu den berühmtesten Sehenswürdigkeiten am Lago Maggiore. Was die meisten Besucher nicht ahnen: Während sie durch pittoreske Gassen schlendern, blüht, nur wenige Kilometer entfernt, ein Handel ganz anderer Art. In den Wäldern von Valcuvia und Valganna biwakieren Drogendealer, verkaufen kiloweise Kokain, Heroin und Haschisch – auch an Schweizer Junkies.

«Von hier steigen die Dealer zu ihren Verstecken hoch und bringen den Kunden den Stoff», sagt Alessandro Volpini (49). Der Chef der Carabinieri von Luino zeigt auf einen steilen Trampelpfad, der von der Haarnadelkurve in den Wald führt. Seine Leute sind vorausmarschiert. Sie suchen im Unterholz nach Zelten, Feuerstellen, Proviant. Blick begleitet die Beamten durchs Dickicht.

Mit einem Metalldetektor wird der belaubte Boden nach Waffen abgetastet. Gegrabene Mulden dienen den Dealern als Sitz- und Schlafplatz. «Sie richten sich im Wald für mehrere Tage ein», sagt Volpini. Die Dealer sind verschwunden. Sie haben aber ihre Jacken hinterlassen. Die Carabinieri durchsuchen die Taschen, hoffen auf ein Handy, auf Drogen, private Fotos. Die Männer finden Beutel, eine Blechkanne, Anzünder fürs Lagerfeuer und arabischen Tee.

Berühmt für seinen traditionellen Wochenmarkt am Mittwoch: Die italienische Kleinstadt Luino am Lago Maggiore.
Foto: Shutterstock
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Marokkaner über sieben Stunden lang gefoltert

Dieser Platz sei ein grausamer Tatort, sagt Alessandro Volpini. Vor einigen Wochen wurde ein Marokkaner (25) an einen Baum gebunden und über sieben Stunden lang gefoltert. «Sie peitschen ihn aus, brachen ihm einen Arm und versuchten ihm ein Ohr abzuschneiden», erzählt der Kommandant weiter, «damit er seinen Bossen gehorcht.» Die Peiniger warfen den Schwerverletzten schliesslich einfach aus dem Auto. Seine Habseligkeiten nahmen sie mit.

Wenig später landet auch ein Italiener (40) mit Striemen am ganzen Körper im Spital von Luino. Ihn hatten die Marokkaner an den Handgelenken an einen Baum gehängt und über drei Stunden traktiert. Als der Zweig brach, konnte der Mann fliehen. Die Ermittlungen führen schnell zu den Folterern. Mitte Juli werden in Pavia drei Männer verhaftet und wegen Raubs und schwerer Körperverletzung angeklagt.

Die Gewalt eskaliert in diesem Jahr

Mit grosser Sorge verfolgt der Kommandant, was in den Wäldern von Luino passiert. Denn, so Alessandro Volpini, die Gewalt eskaliert zunehmend. «Es begann vor knapp fünf Jahren», sagt er, «in der ersten Operation Maghreb verhafteten wir etwa 20 Personen, stellten sieben Kilo Drogen sicher. 2019 bis 2020 fanden wir in den Wäldern zudem Dutzende Waffen. Gewehre, Pistolen, Macheten. Die Banden begannen, ihr Revier zu verteidigen.»

Im Lockdown beruhigt sich die Lage. Doch 2022 explodiert die Gewalt. Im Februar kommt es zu einem Schusswechsel. «Wir haben in den vergangenen vier Monaten 24 Verbrecher verhaftet, 23 Marokkaner und einen Italiener», zählt der Vizekommandant Marco Cariola (50) auf. Die Wälder seien fest in marokkanischer Hand, so der Carabiniere, «die Leute kommen meist aus der marokkanischen Region Beni Mellal.» Ihre italienische Heimat ist das Mailänder Hinterland.

Die Carabinieri zeigen Präsenz in den Wäldern, wollen so die Marokkaner stören und schliesslich verscheuchen. Helfen könnten auch die Touristen, so der Polizeichef. «Die Wälder von Luino sind ein beliebtes Wandergebiet. Einheimische, aber auch ausländische Gäste sollten die Augen offen halten und Biwaks melden, vielleicht auch Kennzeichen verdächtiger Fahrzeuge fotografieren und der Polizei schicken», sagt Alessandro Volpini.

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