Kreml-Sprecher Peskow spricht plötzlich von friedlichen Mitteln, um Ziele der «Spezialoperation» zu erreichen
«Putin ist für jeden Kontakt offen»

Brisantes Interview von Putin-Sprecher Peskow: Der Kreml bevorzuge alternative Problemlösungen zur Ukraine, doch der Westen lasse Russland keine Wahl. Ein geplanter Ukraine-Friedensgipfel könnte die Nervosität in Moskau erhöhen – denn dort wächst die Kritik am Krieg.
Publiziert: 04.06.2023 um 04:02 Uhr
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Aktualisiert: 04.06.2023 um 14:04 Uhr
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Daniel KestenholzRedaktor Nachtdienst

Die Worte zeigen nicht mehr den unbändigen Siegeswillen, den der russische Kriegsführer Wladimir Putin (70) nach dem Beginn seiner «militärischen Spezialoperation» in der Ukraine zur Schau stellte. Im Gegenteil: Russland habe schon immer verhandeln wollen, doch der Krieg habe sich ausgeweitet, beklagt Putins Sprecher Dmitri Peskow (55). Der Westen führe einen «gemeinsamen Krieg gegen Russland».

Putin bleibe offen für jeden Kontakt, der es ermöglichen würde, die Ziele der Sonderoperation mit friedlichen Mitteln zu erreichen, sagt der Kreml-Sprecher in der Sendung «Moskau. Der Kreml. Putin» im Staatssender Rossija 1. Doch der Westen verunmögliche alle Lösungsbemühungen Moskaus. Die Sendung wird am Sonntagabend ausgestrahlt. Interviewer Pavel Sarubin postete vorab einen Auszug auf Telegram. So deutlich hat der Kreml die missliche Lage in der Ukraine noch nie kommuniziert.

«Putin für jeden Kontakt offen»

«Präsident Putin war, ist und wird für jeden Kontakt offen sein, um unsere Ziele mit anderen Mitteln als einer speziellen Militäroperation zu erreichen», sagt Peskow. Der Verhandlungsweg wäre sogar die bevorzugte Option: «Wenn es möglich ist, wäre es vorzuziehen.» Die westlichen Staats- und Regierungschefs «sollten sich dessen bewusst sein».

Der russische Präsident Wladimir Putin bevorzuge alternative Problemlösungen zur Ukraine, sagt sein Sprecher Dmitri Peskow in einem neuen Interview.
Foto: Keystone
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Mit dieser «Bereitschaft» nimmt Peskow Bezug auf einen geplanten Friedensgipfel, der vor dem Nato-Gipfel Mitte Juli stattfinden soll, unter Ausschluss Moskaus. Peskow hob namentlich den französischen Präsidenten Emmanuel Macron (45) hervor, der zum Gastgeber des Ukraine-Friedensgipfels werden soll.

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Friedensgipfel ohne Moskau?

Nach einem Bericht des «Wall Street Journal» planen die Ukraine und ihre Verbündeten den Friedensgipfel in Paris. Das Treffen richtet sich an Länder, die sich auf die Seite Russlands gestellt oder es abgelehnt haben, zum Krieg Stellung zu nehmen. Dabei soll in Paris der 10-Punkte-Friedensplan der Ukraine so umgestaltet werden, dass er für andere Weltmächte wie Indien, Brasilien, Saudi-Arabien und China akzeptabler wird.

«Alle werden willkommen sein, aber keine Russen», zitiert das «Wall Street Journal einen ranghohen europäischen Diplomaten über die Gipfelplanung.

Russland suhlt sich derweil weiter in der Opferrolle. Peskow: «Die Länder des kollektiven Westens lassen Russland derzeit keinen anderen Ausweg. Jetzt ist die Ukraine tatsächlich ein Konfliktinstrument. Der Konflikt hat sich wirklich ausgeweitet, der kollektive Westen führt einen gemeinsamen Krieg gegen unser Land.»

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Auch in Russland wächst Kritik am Krieg

Kein Zweifel: Den Verlauf der Militäroperation hatte sich der Kreml anders vorgestellt. Entsprechend wächst auch die Kritik im eigenen Land. Moskaus Truppen könnten keine militärischen Erfolge gegen den Widerstand der ukrainischen Streitkräfte vorweisen, beklagte der prominente Parlamentsabgeordnete Konstantin Satulin (64) von der Regierungspartei Geeintes Russland bei einer Konferenz zum Thema «Welche Ukraine brauchen wir?»

Satulin sprach von Versagen und Fehlern Moskaus. Die «militärische Spezialoperation» hätte gleich von Anfang als «Krieg» bezeichnet werden müssen, meinte er. Es sei nicht nur eine Fehleinschätzung gewesen, den Krieg innerhalb weniger Tage gewinnen zu können. Es sei auch nicht ein einziges vom Kreml ausgegebenes Kriegsziel erreicht worden. Es sei weder eine Entmilitarisierung noch die Neutralität noch ein besserer Schutz der Menschen im Donbass erreicht worden. «In welchem der Punkte haben wir ein Ergebnis erreicht?», fragte Satulin rhetorisch. «Nicht in einem.»

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