Die wichtigsten Fragen zum möglichen Rücktritt der britischen Premierministerin
Warum nimmt Theresa May plötzlich den Hut?

Der britischen Premierministerin reicht es offenbar. Am Freitag will Theresa May laut Medienberichten ihren Rücktritt bekanntgeben.
Publiziert: 23.05.2019 um 13:58 Uhr
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Aktualisiert: 24.05.2019 um 07:20 Uhr
Fabienne Kinzelmann

Alles prallte an ihr ab, über Wochen und Monate blieb Theresa May (62) standhaft. Dreimal wurde ihr Brexit-Entwurf im britischen Parlament abgeschmettert, ihre eigene Partei zettelte ein Missstrauensvotum gegen sie an. All das ertrug die Premierministerin mit stoischer Geduld.

Noch am Mittwoch verteidigte sie ihre Brexit-Pläne im Parlament. Doch nun reicht es ihr offenbar. Wie britische Medien berichten, will May am Freitag zurücktreten. BLICK beantwortet die fünf wichtigsten Fragen zum möglichen May-Rücktritt.

1. Was hat die Lage in den vergangenen 24 Stunden geändert?

Die Rücktrittsrufe werden immer lauter – auch in den eigenen Reihen. Die Premierministerin ist in ihrer Partei, den Torys, weitgehend isoliert. Oppositionschef Jeremy Corbyn (69) prophezeite ihr nur noch «Tage» im Amt. Am Mittwochabend verlor May mit Andrea Leadsom (56) ihre Ministerin für Parlamentsfragen. Es war bereits der 36. Minister-Rücktritt innerhalb von drei Jahren in Mays Kabinett.

Exit statt Brexit? Theresa May (62) reicht es offenbar.
Foto: Dukas
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2. Warum schmeisst May ausgerechnet am Freitag hin?

Die Premierministerin ist frustriert! Der einflussreiche 1922-Ausschuss (eine parlamentarische Vereinigung der Konservativen, die beispielsweise die Wahl eines neuen Parteivorsitzenden beaufsichtigt) arbeitet offenbar an einer Änderung des Regelwerks, um schnellstmöglich ein zweites Misstrauensvotum durchzuführen. Ein Vertrauter erzählt «Politico», May wolle dem mit «ihren eigenen Worten» zuvorkommen und ihren Rücktritt selbst in die Hand nehmen. Dafür wartet sie nur noch die Europawahl ab. Weil die Briten noch nicht aus der EU ausgetreten sind, wählt die britische Insel heute Donnerstag noch mal 73 Abgeordnete für das EU-Parlament.

Alles was Sie über Europawahl 2019 wissen müssen

Die Europawahl 2019 ist die Direktwahl zum Europäischen Parlament und sie findet vom 23. bis 26. Mai in den Mitgliedstaaten der EU statt.  BLICK beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die kommende Europawahl.

imago/Jürgen Schwarz

Die Europawahl 2019 ist die Direktwahl zum Europäischen Parlament und sie findet vom 23. bis 26. Mai in den Mitgliedstaaten der EU statt.  BLICK beantwortet die wichtigsten Fragen rund um die kommende Europawahl.

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3. Wie könnte die EU-Wahl auf der Insel ausgehen?

Die Brexit-Party um den Rechtspopulisten Nigel Farage (55) führt in den Umfragen. Der Ex-UKIP-Politiker sitzt bereits seit 20 Jahren für das Vereinigte Königreich im EU-Parlament. Mit seiner neuen Partei verfolgt er nur ein Ziel: den Brexit schnellstmöglich durchzubekommen.

4. Wie geht es mit dem Brexit weiter?

Bis zum 31. Oktober müssen die Briten austreten. May hatte der Opposition unter Jeremy Corbyn zuletzt Zugeständnisse gemacht und geplant, eine alternative Lösung für den umstrittenen Backstop zu finden. 

Was ist der Backstop?

Das ursprüngliche Abkommen sieht für Nordirland eine spezielle Zollunion mit der EU vor. Damit sollte eine harte Grenze auf der irischen Insel verhindert werden. Sollte vor dem Austritt Grossbrittaniens aus der EU am 29. März kein Vertrag zustande, kommt der sogenannte Backstop zum Zug.

Die Übergangsmassnahme soll eine harte Grenze auf der Insel verhindern, indem Nordirland teil des EU-Binnenmarktes bliebe.

Doch vor allem dieser Backstop stösst bei Unionisten und Konservativen in England auf Widerstand. Denn mit einem Backstop verliefe die EU-Aussengrenze zwischen Irland und Grossbritannien in der irischen See. Exporte aus England nach Nordirland wären dann nicht mehr so einfach möglich und würde der britischen Wirtschaft schaden.

Größter Streitpunkt der Brexit-Verhandlungen ist der sogenannte Backstop.

Das ursprüngliche Abkommen sieht für Nordirland eine spezielle Zollunion mit der EU vor. Damit sollte eine harte Grenze auf der irischen Insel verhindert werden. Sollte vor dem Austritt Grossbrittaniens aus der EU am 29. März kein Vertrag zustande, kommt der sogenannte Backstop zum Zug.

Die Übergangsmassnahme soll eine harte Grenze auf der Insel verhindern, indem Nordirland teil des EU-Binnenmarktes bliebe.

Doch vor allem dieser Backstop stösst bei Unionisten und Konservativen in England auf Widerstand. Denn mit einem Backstop verliefe die EU-Aussengrenze zwischen Irland und Grossbritannien in der irischen See. Exporte aus England nach Nordirland wären dann nicht mehr so einfach möglich und würde der britischen Wirtschaft schaden.

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Unter anderem stellte sie eine Abstimmung darüber in Aussicht, ob es eine Volksabstimmung über ihr Austrittsabkommen geben soll. Den Gesetzentwurf will sie bereits an diesem Freitag veröffentlichen. Doch die Reaktionen auf ihre Vorschläge fielen vernichtend aus.

Oppositionschef Jeremy Corbyn bezeichnete Mays Vorschläge als «wenig mehr als eine neu verpackte Version» des bereits mehrfach abgelehnten Abkommens. Zudem könne May nicht dafür garantieren, dass sich ihr Nachfolger an ihre Versprechungen halten werde.

5. Wer könnte May beerben?

Nach langem Schweigen hat der frühere britische Aussenminister und Brexit-Hardliner Boris Johnson (54) Mitte Mai bekräftigt, dass er Theresa May als Chefin der Konservativen Partei ablösen will. Formal geht es immer um den Parteivorsitz, aber die Chefs der Regierungsparteien werden nach den britischen Gepflogenheiten immer auch Regierungschefs. Johnson könnte andere mögliche Nachfolger in den Schatten stellen.

Die komplette Brexit-Chronologie

Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seit diesem Zeitpunkt fand zwischen der EU und Grossbritannien aber auch innerhalb des Vereinigten Königreichs ein langwieriger politischer Prozess der Kompromissfindung statt. Mehrere Abgeordnete und sogar Premierminister traten aufgrund der Vertragsverhandlungen zurück. Am 31. Januar 2020 trat Grossbritannien schliesslich aus der EU aus.

BLICK zeigt die wichtigsten Stationen des chaotischen Prozesses seit dem Austrittsvotum der Briten auf.


Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seit diesem Zeitpunkt fand zwischen der EU und Grossbritannien aber auch innerhalb des Vereinigten Königreichs ein langwieriger politischer Prozess der Kompromissfindung statt. Mehrere Abgeordnete und sogar Premierminister traten aufgrund der Vertragsverhandlungen zurück. Am 31. Januar 2020 trat Grossbritannien schliesslich aus der EU aus.

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