«Er zwang mich, unschöne Dinge zu tun»
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Russe (19) vergewaltigte sie:«Er zwang mich, unschöne Dinge zu tun»

Die schlimmsten Stunden ihres Lebens – Kriegsopfer in der Ukraine erzählen
«Sie vergewaltigten uns in einem leerstehenden Haus»

Die Invasoren in der Ukraine vergewaltigen systematisch Frauen, Männer und Kinder. In der SRF-«Rundschau» berichten zwei Opfer von ihren Qualen. Eine ukrainische Forscherin erklärt gegenüber Blick, warum gezielt auch Männer sexuell misshandelt werden.
Publiziert: 21.06.2022 um 20:08 Uhr
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Aktualisiert: 07.06.2023 um 17:40 Uhr
Guido Felder

Die Russen setzen bei ihrer Invasion eine äusserst menschenverachtende Waffe ein: Sie vergewaltigen systematisch Frauen, aber auch Männer und Kinder. In einem Bericht der «Rundschau», der am Mittwoch um 20.05 Uhr auf SRF ausgestrahlt wird, berichten Opfer von den schlimmsten Stunden ihres Lebens.

Die 42-jährige Victoria wurde an ihrem Geburtstag in ihrem Haus in der Nähe von Kiew von Russen abgeholt und zum Haus des Nachbarn gebracht. Sie erzählt: «Sie erschossen diesen vor meinen Augen. Dann brachten sie seine Ehefrau und mich in ein leerstehendes Haus. Dort vergewaltigten sie uns.»

«Er zwang mich, unschöne Dinge zu tun»
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Russe (19) vergewaltigte sie:«Er zwang mich, unschöne Dinge zu tun»

Auch der 21-jährige Ilja aus Kramatorsk bei Donezk wurde sexuell missbraucht. Als die Russen bei einer Kontrolle auf seinem Handy Fotos einer pro-ukrainischen Demonstration fanden, hätten sie ihn geschlagen und mit Chloroform betäubt. Ilja: «Als ich wieder zu mir kam, hatte ich höllische Schmerzen. Ich lag nackt auf einem Tisch und sie vergewaltigten mich.»

Victoria wurde an ihrem Geburtstag von Russen geholt und vergewaltigt.
Foto: Screenshot SRF
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Victoria und Ilja gehören zu den wenigen Opfern, die über ihre Vergewaltigung reden. Das Hochkommissariat der Vereinten Nationen beschäftigt sich laut der «Rundschau» aktuell mit 124 sexuellen Verbrechen in der Ukraine. Es dürfte lediglich die Spitze des Eisbergs sein.

«Klarer Völkermord»

Vergewaltigungen gehören zur Kriegstaktik der Russen und ihrer verbündeten Kämpfer. Lyudmila Denisova (61), die bis Ende Mai Kommissarin für Menschenrechte in der Ukraine war, sagte in einem Interview gegenüber Blick: «Der Hintergrund ist, dass sie es Frauen verunmöglichen wollen, dass sie je wieder Kinder haben können oder wollen. Das ist klarer Völkermord. Die Soldaten stützen sich auf Putins Anweisung, das ganze Land zu zerstören.»

Denisowa entlassen

Ljudmila Denisowa ist am 31. Mai vom ukrainischen Parlament entlassen worden. Laut Pawlo Frolow, Mitglied der Rada, habe sie sich in ihren Gesprächen mit den Medien zu sehr auf die zahlreichen Details zu «widernatürlichen Sexualdelikten» und sexuellem Missbrauch von Kindern bezogen. Diese seien jedoch bisher noch nicht hinreichend belegt. Solche Informationen hätten «der Ukraine nur geschadet und die Weltmedien von den wahren Bedürfnissen der Ukraine abgelenkt».

Weiter habe sie sich «aus der Organisation von humanitären Korridoren und dem Austausch von Gefangenen zurückgezogen» und seit Kriegsbeginn viel Zeit im Ausland verbracht, schrieb Frolow. Deshalb sei das Vertrauen in Denisowa verloren gegangen.

Ljudmila Denisowa ist am 31. Mai vom ukrainischen Parlament entlassen worden. Laut Pawlo Frolow, Mitglied der Rada, habe sie sich in ihren Gesprächen mit den Medien zu sehr auf die zahlreichen Details zu «widernatürlichen Sexualdelikten» und sexuellem Missbrauch von Kindern bezogen. Diese seien jedoch bisher noch nicht hinreichend belegt. Solche Informationen hätten «der Ukraine nur geschadet und die Weltmedien von den wahren Bedürfnissen der Ukraine abgelenkt».

Weiter habe sie sich «aus der Organisation von humanitären Korridoren und dem Austausch von Gefangenen zurückgezogen» und seit Kriegsbeginn viel Zeit im Ausland verbracht, schrieb Frolow. Deshalb sei das Vertrauen in Denisowa verloren gegangen.

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Auch die ukrainische Historikerin Marta Havryshko (37) beschäftigt sich mit sexueller Gewalt in Kriegen. Als die Russen ins Land einfielen, schrieb sie an einem Buch über sexuelle Verbrechen während des Holocausts in der Ukraine. Gegenüber Blick sagt sie: «Die Angst vor einer Vergewaltigung war der Hauptgrund, dass ich flüchtete.» Zurzeit lebt sie in der Schweiz, wo sie an der Uni Basel dank eines Spezialprogramms des Schweizer Nationalfonds weiterforschen kann.

Frauen schneiden sich die Haare ab

Laut Havryshko finden die Misshandlungen meistens in der Öffentlichkeit statt – vor den Augen der Eltern und Verwandten. «Sie fesseln die Mutter und zwingen sie, den Vergewaltigungen an ihren Kindern zuzusehen.» Auf diese Weise fügten die Invasoren den Familien und teilweise ganzen Gemeinschaften schwere Schuldgefühle zu, weil diese ihren Angehörigen nicht helfen könnten. «Solche Demütigungen hallen das ganze Leben nach», sagt Havryshko.

Um sich zu schützen, würden sich viele Frauen verstecken, bewusst schlecht kleiden und sich schmutzig machen. «Es gibt auch solche, die sich die Haare abschneiden, um unattraktiv zu wirken», sagt Havryshko.

Männer werden feminisiert

Das Ziel bei der Vergewaltigung von Männern bestehe darin, diese zu feminisieren und der Männlichkeit zu berauben. Havryshko: «Es ist eine Message mit dem Inhalt: Wir behandeln euch wie Frauen, ihr habt keine Macht und könnt uns nicht stoppen.» Nach Ausbruch des Krieges im Donbass 2014 seien Männer auch kastriert worden, seit der Invasion vom 24. Februar dieses Jahres habe es aber keine bestätigten Fälle gegeben.

Viele Vergewaltigungsopfer würden schweigen, weil sexuelle Misshandlungen eine Schmach seien und weil sie Angst davor hätten, von ihren Männern verlassen zu werden. Aus diesem Grund, so schätzt Havryshko, sei die wirkliche Anzahl Opfer massiv höher als jene der zurzeit behandelten Fälle.

Die «Pille danach»

Um den Vergewaltigungsopfern zu helfen, fordert die Historikerin leichten Zugang zu medizinischer und psychologischer Hilfe. Auch die Flüchtlinge in der Schweiz benötigten in diesem Zusammenhang besondere Betreuung. «Zudem müssen sie die Möglichkeit haben, durch Vergewaltigung entstandene Schwangerschaften abbrechen zu können.»

Victoria und Ilja haben sich getraut, die Verbrechen an ihnen den Behörden zu melden. Die Verfahren sind am Laufen. Victoria sagt in der «Rundschau»: «Ich wünschte, ich könnte das alles irgendwann vergessen.» Das wird nicht leicht sein. Die psychischen Spuren sind kaum wieder wegzuwischen. Genau das ist es, was die Invasoren wollen.


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