Ukrainische Armee evakuiert Bewohner aus Robotyne
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Zwei Monate lang gekämpft:Ukrainische Armee evakuiert Bewohner aus Robotyne

Die Hölle von Robotyne
«Neunzig Prozent von uns werden sterben»

Der Durchbruch der Surowikin-Linie südlich von Robotyne hat einen hohen Preis: Die Verluste in der ukrainischen Armee sind gross.
Publiziert: 06.09.2023 um 04:11 Uhr
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Aktualisiert: 06.09.2023 um 13:24 Uhr

Die erste Verteidigungslinie der Russen und die tödlichen Minenfelder davor: Das schrittweise Vorrücken der ukrainischen Armee fordert riesige Verluste in den eigenen Reihen. Davon berichten nun Mitglieder der Infanterie der englischen «Times». 

Sie gehören zum Skala-Bataillon, einer Eliteeinheit, die in der Dunkelheit Angriffe auf die russischen Linien startet. Ohne den Schutz von Panzern, ohne den Schutz von Mannschaftstransportern. Boyets (z. Dt. der Kämpfer), wie ein 23-jähriger Soldat im Bataillon genannt wird, sagt: «Um an diesem Ort zu kämpfen und effektiv zu bleiben, muss man dem Tod hinterherlaufen und darf den Tod nicht hinter sich herlaufen lassen.» 

Einheit verlor bereits drei Viertel der Kämpfer

Und angesichts der gefallenen Kameraden fügt er an. «Ich bin zu sterben bereit, aber nur, weil ich es muss.» Der Tod ist ihr täglicher Begleiter, wie die grauenvollen Berichte der Soldaten zeigen. Boyets Einheit hat seit dem Start der Gegenoffensive drei Viertel der Kämpfer verloren. 

Ein Soldat – hier in der Region um Bachmut – inspiziert seine erlittene Verletzung auf dem Schlachtfeld.
Foto: keystone-sda.ch
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Während er in die Runde blickt, erzählt der junge Soldat der «Times»: «Neunzig Prozent der Jungs hier werden auch sterben. Das wissen wir. Sicher, wir haben die erste Linie der Russen durchbrochen, aber verdammte Scheisse. Zu welchem Preis?!» 

Panzer brachten Durchbruch nicht

In der Öffentlichkeit fand vor allem die Botschaft von Brigadegeneral Oleksandr Tarnawski viel Beachtung, man befinde sich «zwischen der ersten und zweiten Verteidigungslinie der Russen». Die ukrainischen Kämpfer drängten nun auf beiden Seiten der Bresche vor und festigten so die Kontrolle über das in den jüngsten Gefechten eroberte Gebiet.

Viele Kämpfer vor Ort sind nicht zufrieden, wie die Gegenoffensive organisiert worden ist. Vor allem, weil man auf Panzereinheiten gesetzt hat, um die Linien zu durchbrechen. Die Hoffnung, dass die gelieferten Bradley- und Leopard-Panzer den entscheidenden Durchbruch bringen würden, bewahrheitete sich laut ihren Aussagen gegenüber der «Times» nicht.

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24 Verwundete in einen Transporter gestapelt

Boyets sagt: «Bradleys und Leopards sind grossartig, bis sie auf eine Mine treffen, sich nicht mehr bewegen können und von der russischen Artillerie vernichtet werden.» Die grosse Lektion des Sommers sei, dass die Infanterie zuerst zu Fuss angreifen müsse, um den Weg für die gepanzerten Fahrzeuge freizumachen. 

Die Berichte, wie viele Tote und Verwundete die 47. mechanisierte Brigade verzeichnet, sind schrecklich. Einer erzählt: «Normalerweise kannst du vier Verwundete in einem Truppentransporter M-113 herausbringen. An einem Tag haben wir 24 Verwundete in einen M-113 gestapelt.» 

Die Soldaten wissen, dass sie fast sicher sterben werden – umso mehr erzürnt es die Männer an der Front, dass Leute «zu Hause auf dem Sofa» darüber urteilen, dass die Offensive dank der westlichen Panzer nun schneller vorankommt. Boyets sagt: «Ich wünschte, diese Leute würden hierherkommen und die Realität unseres Kampfes sehen.» (neo)

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