Deutschland knickt vor Erdogan ein
Gericht verbietet Teile von Böhmermanns «Schmähgedicht»

Erster Beschluss in der Böhmermann-Affäre: Das Landgericht Hamburg sieht das Gedicht grundsätzlich als Satire an, verbietet allerdings weite Teile des Machwerks.
Publiziert: 17.05.2016 um 19:07 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 11:05 Uhr

Das Landgericht Hamburg hat auf Antrag des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan eine einstweilige Verfügung gegen den ZDF-Moderator Jan Böhmermann erlassen. Das teilte das Gericht heute mit.

Dabei geht es um das Gedicht «Schmähkritik», das Böhmermann am 31. März in seiner Sendung «Neo Magazin Royale» vorgetragen hatte. Mit seiner Entscheidung hat das Gericht dem Antrag des türkischen Staatsoberhauptes teilweise stattgegeben.

Sechs Monate Haft bei Zuwiderhandlung

Böhmermann darf den grösseren Teil des Gedichts nicht wiederholen. Dabei geht es um Passagen, die Erdogan angesichts ihres schmähenden und ehrverletzenden Inhalts nach Einschätzung des Gerichts nicht hinnehmen müsse. Im Fall einer Zuwiderhandlung drohen nach Angaben des Gerichts ein Ordnungsgeld von bis zu 250'000 Euro oder eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten.

«Sackdoof, feige und verklemmt, ist Erdogan der Präsident»: Teile des Gedichts bleiben erlaubt.
Foto: ZDFneo

Das Gericht habe zwischen der Kunst- und Meinungsfreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Antragstellers abwägen müssen. In Form von Satire geäusserte Kritik am Verhalten Dritter finde ihre Grenze, wo es sich um eine reine Schmähung handle oder die Menschenwürde angetastet werde. Böhmermanns Gedicht überschreite diese Grenze in bestimmten Passagen, die schmähend und ehrverletzend seien, so das Landgericht.

Die übrigen Teile setzten sich in zulässiger Weise satirisch mit aktuellen Vorgängen in der Türkei auseinander. Das türkische Staatsoberhaupt trage politische Verantwortung und müsse sich auch harsche Kritik an seiner Politik gefallen lassen. Hinzunehmen sei auch, dass Böhmermann sich in satirischer Form über den Umgang Erdogans mit der Meinungsfreiheit lustig mache.

«Halten Gerichtsbeschluss für falsch»

Der Anwalt des türkischen Staatspräsidenten, Michael von Sprenger, teilte dazu mit: «Das Gericht hat festgestellt, dass die Äusserungen im »Gedicht« zweifelsohne schmähend und ehrletzend sind und es sich nicht um eine Geschmacksfrage handelt.»

Der Anwalt Jan Böhmermanns, Christian Schertz, kommentierte die Entscheidung so: «Wir halten den Gerichtsbeschluss in der konkreten Form für falsch, wenngleich er insbesondere die Aussagen, die den Umgang von Erdogan mit der Meinungsfreiheit in der Türkei betreffen, für zulässig erachtet hat.»

Das Gericht gehe richtigerweise davon aus, dass es sich bei dem Gedicht um Kunst und eine Satire handle. Es mache dann aber den Fehler, bestimmte Aussagen solitär herauszugreifen und zu verbieten, die es als herabwürdigend empfinde. «Das geht im Bereich der Kunstfreiheit nicht.»

Die aktuelle Entscheidung zum Antrag auf einstweilige Verfügung gegen Böhmermann ist nach Angaben eines Landgerichts-Sprechers unabhängig von den Verfahren, die Böhmermann auf Grundlage des Paragrafen 185 wegen Beleidigung und des Paragrafen 103 wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes noch drohen können. (SDA)

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