Vorbild ist Kanada
Das sind die Eckpunkte des neuen deutschen Einwanderungsgesetzes

Die Regierungsspitzen von CDU, CSU und SPD haben sich auf ein Einwanderungsgesetz für die Zuwanderung von Fachkräften geeinigt – nach dem Vorbild Kanadas.
Publiziert: 02.10.2018 um 04:00 Uhr
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Aktualisiert: 02.10.2018 um 11:02 Uhr

Deutschland soll erstmals ein Einwanderungsgesetz bekommen, das sich an Vorbildern wie in Kanada orientiert: Die Regierungsspitzen von CDU, CSU und SPD haben sich auf entsprechende Details für die Zuwanderung von Fachkräften geeinigt.

Einen Gesetzentwurf will Innenminister Horst Seehofer (CSU) noch vor Weihnachten präsentieren. Im Jahr 2019 soll eine «umfassende Fachkräftestrategie» folgen. Vorgesehen ist in den sieben Seiten umfassenden Eckpunkten unter anderem:

Berufsqualifikation

Im Blick hat die Koalition vor allem «Fachkräfte mit qualifizierter Berufsausbildung». Sie sollen leichter nach Deutschland kommen können. Für studierte Fachleute wurden die Hürden bereits verringert. Für sie gibt es zum Beispiel seit 2012 die «Blaue Karte» als Arbeitserlaubnis, die an eine Arbeitsplatzzusage und ein Mindestgehalt gebunden ist. Sie wurde seither über 80'000 Mal vergeben.

Deutschland will für Fachkräfte aus der EU und aus Drittstaaten attraktiver werden. (Symbolbild)
Foto: KEYSTONE/MARTIN RUETSCHI

«Spurwechsel»

Die SPD hatte gefordert, abgelehnten Asylbewerbern, die gut integriert sind sowie einer Arbeit nachgehen und gute Sprachkenntnisse haben, die Möglichkeit eines «Spurwechsels» vom Asyl- in das Einwanderungsverfahren zu eröffnen. Dieser Begriff findet sich in den Eckpunkten nicht, dafür aber eine sinngemässe Regelung: «Am Grundsatz der Trennung von Asyl und Erwerbsmigration halten wir fest. Wir werden im Aufenthaltsrecht klare Kriterien für einen verlässlichen Status Geduldeter definieren, die durch ihre Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt sichern und gut integriert sind.»

Keine Beschränkung auf bestimmte Berufe

Wenn ein Arbeitsvertrag unterschrieben ist, sollen Akademiker und Fachkräfte mit qualifizierter Berufsausbildung «in allen Berufen, zu denen die erworbene Qualifikation befähigt», in Deutschland arbeiten können. Die bisherige Beschränkung auf Berufe, in denen die Bundesagentur für Arbeit (BA) Engpässe festgestellt hat, fällt weg. Das sind derzeit 61 Berufe und Untergruppen, 14 mehr als Ende 2017. Auch auf die Prüfung, ob nicht ein einheimischer Jobbewerber Vorrang hätte, wird im Grundsatz verzichtet. Es soll aber möglich sein, diese Prüfung zum Schutz einheimischer Arbeitnehmer rasch wiedereinzuführen.

Arbeitssuche

Fachkräfte mit qualifizierter Berufsausbildung sollen für bis zu sechs Monate zur Arbeitssuche auch ohne konkretes Jobangebot kommen dürfen. Für Akademiker gibt es dies bereits. Der Bezug von Sozialleistungen wird ausgeschlossen. «Dazu halten wir am Erfordernis des Nachweises der Lebensunterhaltssicherung vor Einreise fest», heisst es nun in den Eckpunkten. In einem früheren Entwurf hatte es noch geheissen, zur Sicherung ihres Lebensunterhalts dürften die Fachkräfte in der Zeit der Arbeitssuche auch eine Tätigkeit unterhalb ihrer Qualifikation annehmen. Dies wurde gestrichen.

IT-Fachkräfte

Für in der Wirtschaft dringend benötigte Fachkräfte der Informationstechnologie (IT) sollen sogar noch geringere Voraussetzungen gelten. Sie und Fachleute in ausgewählten Engpassberufen sollen ohne jeden formalen Abschluss kommen dürfen, wenn sie über ausgeprägte berufspraktische Kenntnisse und einen Arbeitsplatz verfügen. Der Branchenverband Bitkom geht von mindestens 55'000 offenen IT-Stellen aus.

Werbung und Sprache

In Zusammenarbeit mit der Wirtschaft sowie den Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen soll eine Werbestrategie für Fachkräfte in ausgewählten Zielländern entwickelt werden. Die Sprachförderung im In- und Ausland soll intensiviert werden, etwa durch eine stärkere Förderung der Sprachkurse der Goethe-Institute.

Deutschland soll für internationale Fachkräfte attraktiver werden

Die Übereinkunft verkündete SPD-Chefin Andrea Nahles am frühen Dienstagmorgen nach knapp sechsstündigen Beratungen in Berlin. Das Fachkräfte-Einwanderungsgesetz soll bereits am Dienstagvormittag vom Kabinett beschlossen werden.

Im Streit um einen «Spurwechsel» zwischen Asylverfahren und einer Einwanderung in den Arbeitsmarkt gibt es einen Kompromiss. «Am Grundsatz der Trennung von Asyl und Erwerbsmigration halten wir fest», heisst es in einem Eckpunktepapier, das der Agentur DPA vorliegt. Zugleich wird aber betont: «Wir werden im Aufenthaltsrecht klare Kriterien für einen verlässlichen Status Geduldeter definieren, die durch ihre Erwerbstätigkeit ihren Lebensunterhalt sichern und gut integriert sind.»

Im Kern geht es bei dem geplanten Fachkräfteeinwanderungsgesetz darum, dass Deutschland für qualifizierte internationale Fachkräfte attraktiver wird. Das Gesetz soll deren Zuzug ordnen und steuern. Bedarf und Qualifikation sollen zentrale Kriterien sein. Abschlüsse sollen schneller anerkannt werden, Deutschlernen soll bereits im Ausland erleichtert werden.

«Fachkräfte aus dem Ausland leisten schon heute einen wichtigen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft», wird in dem Eckpunktepapier betont. Besonders im Fokus stehen Fachkräfte aus der EU. «Wir werden uns zukünftig stärker dafür einsetzen, Fachkräften aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union langfristige Chancen in Deutschland aufzuzeigen.»

All diese Bemühungen würden jedoch nicht ausreichen, um genügend Erwerbstätige zu mobilisieren. «Ergänzend müssen wir daher auch bei der Gewinnung qualifizierter Fachkräfte aus Drittstaaten deutlich erfolgreicher werden.» Das Papier geht auf eine Einigung zwischen Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zurück.

Streit gab es bis zuletzt um den von der SPD geforderten Spurwechsel für abgelehnte, aber gut integrierte Asylbewerber. Die Sozialdemokraten wollen, dass sie nach dem neuen Zuwanderungsrecht in Deutschland bleiben können. Vor allem die CSU lehnte das strikt ab, damit Wirtschaftsflüchtlinge nicht zur Einreise ermuntert werden.

Mit der nun gefundenen Regelung könnte es eine Art eingeschränkten Spurwechsel nur für geduldete Asylbewerber geben. «Wir wollen keine Zuwanderung unqualifizierter Drittstaatsangehöriger», betonen Union und SPD in dem Papier. Mit klaren Kriterien wolle man dafür sorgen, dass Vorschriften nicht missbraucht werden können.

Die Zuwanderung von Fachkräften werde sich am Bedarf der Volkswirtschaft ausrichten und berücksichtige «die Qualifikation, das Alter, Sprachkenntnisse, den Nachweis eines konkreten Arbeitsplatzangebotes und die Sicherung des Lebensunterhaltes in angemessener Weise.» Der letzte Punkt soll verhindern, dass eine Einwanderung in die Sozialsysteme erfolgt.

Aus konjunkturellen Gründen können zudem per Verordnung der Bundesregierung bestimmte Berufsgruppen zeitweise ausgeschlossen werden. Mit der Wirtschaft sollen Anwerbemöglichkeiten im Ausland verbessert und das Angebot an Deutschkursen, ausgeweitet werden, damit die Arbeitskräfte sich schneller integrieren können. (SDA)

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