David wird zu Goliath
Wie Drohnen den Kampf gegen Russland entscheiden können

Seit dem Krieg in der Ukraine sind Drohnen in aller Munde. Und das zurecht: Die kleinen, unbemannten Flugobjekte haben es in sich. Ein ukrainischer Drohnenpilot erklärt, warum.
Publiziert: 01.04.2023 um 00:38 Uhr
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Aktualisiert: 01.04.2023 um 11:08 Uhr
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Zuerst ist da das leise Surren, wie von einer elektrischen Stechmücke. Dann erkennt man – wenn man Glück hat – einen kleinen, dunklen Schatten am Himmel. Drohnen, von ukrainischen Streitkräften die «Mosquito-Luftwaffe» genannt. Sie gehören zu den wichtigsten ukrainischen Waffen im Kampf gegen die russischen Aggressoren.

«Wir spähen, kämpfen und töten mit den Drohnen», erklärt «Prometheus» im Gespräch mit Blick und fasst so das immense Potenzial der kleinen Fluggeräte zusammen. «Wie die eigentlichen Sniper – nur in der Luft.» Prometheus leitet das Ausbildungszentrum für militärische Drohnenpiloten, das Dronarium, in Kiew. Seinen echten Namen will der Ukrainer aus Sicherheitsgründen nicht in der Öffentlichkeit sehen.

Drohnenpiloten machen drei Prozent der Armee aus

Gegründet wurde das Zentrum im vergangenen März. Seither hat das Dronarium an drei Standorten – Lwiw, Kiew und Jaworiw – über 4000 ukrainische Soldaten zu Drohnen-Profis ausgebildet. Prometheus erklärt: «Die Ausbildung dauert jeweils fünf Tage, und an einem Kurs nehmen immer rund 70 Personen teil.» Und das Woche für Woche.

Bis vor kurzem erkannte die ukrainische Armee den Beruf des Drohnenpiloten gar nicht offiziell an.
Foto: TYMOFII-ZAHREBELNYI
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Bis vor kurzem erkannte die ukrainische Armee den Beruf des Drohnenpiloten gar nicht offiziell an. Erst im Januar ordnete der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte, Waleri Saluschni (49), an, dass die Armee 60 Kompanien gründen soll, die sich aus Drohnenpiloten zusammensetzen. Prometheus weiss: «Drohnenpiloten machen rund drei Prozent der ukrainischen Armee aus. Sie sind überall an der Front stationiert.»

Und Kiew möchte seine Drohnenproduktion mächtig steigern, schreibt das US-Magazin «Politico». Derzeit stellen ukrainische Unternehmen nur zehn Prozent der Drohnen her, die das Land für den Krieg benötigt.

Während Kiew dabei ist, die Produktion zu steigern, lernen die militärischen Schützlinge bei Prometheus, wie man mit konventionellen – er nennt sie «normale» – Drohnen mindestens genauso effektiv gegen die Russen vorgeht. In der Zwischenzeit bevorzugen viele ukrainische Drohnenpiloten zivile Drohnen des chinesischen Herstellers DJI: Mavics und Matrices. Klein. Effektiv. Günstig. Und leicht anpassbar an die Bedürfnisse des Militärs. Damit gemeint: das Einbauen von Bomben.

Grössere Drohnen – «Flugzeuge» nennt sie Prometheus – wie die türkische Bayraktar oder ukrainische Eigenproduktionen seien in Sachen Distanz zwar unschlagbar. Aber irgendwann verliert man die Verbindung zu ihnen und kann nur hoffen, dass sie von ihren Aufklärungsflügen zurückkehren. Mavics hingegen «haben einen grossartigen Zoom und können lange in der Luft bleiben und Daten sammeln, ohne dass die Drohne ein grosses Risiko eingeht».

«Drohnen werden zukünftige Kriege prägen»

Unbemannte Flugobjekte (UAV) sind ein integraler Bestandteil der ukrainischen Verteidigung, sagt Kerry Chávez, Dozentin an der Texas Tech Universität und Drohnen-Expertin, zu Blick. Und trotz anfänglicher Skepsis habe man feststellen müssen, dass man damit gegenüber Russland einen entscheidenden Vorteil hat. Denn Russland habe das Potenzial der Drohnen zu spät erkannt.

Schon in früheren bewaffneten Konflikten, erklärt Chávez, haben Drohnen vermeintlich schwächeren Akteuren dabei geholfen, sich gegen stärkere durchzusetzen. Sie haben also David zu Goliath gemacht.

In künftigen Offensiven könnten ukrainische Drohnen sogar dazu benutzt werden, russischen Boden anzugreifen. Laut dem Berliner Sicherheitsexperten Gustav Gressel (44) könnte dies durchaus möglich sein, wie er kürzlich gegenüber Blick erklärte. Bereits heute sind eigene ukrainische Drohnen im Einsatz, verrät derweil Prometheus. Schwerwiegende Angriffe auf russisches Territorium wurden allerdings noch nicht geflogen.

Für Chávez ist klar: «Das Phänomen ‹Drohne› wird nicht nur den aktuellen, sondern auch zukünftige Kriege prägen.»

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