Chaos nach Jein zu Namensänderung in Mazedonien
«Ein verheerendes Signal für den Balkan»

Das Jein zur Namensänderung sorgt für Chaos in Mazedonien. Staatschef Zoran Zaev droht mit Neuwahlen. Doch die Regierung steckt in einer Sackgasse.
Publiziert: 01.10.2018 um 19:55 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 18:51 Uhr
Das Referendum scheiterte an der niedrigen Wahlbeteiligung – Gegner der Namensänderung boykottierten die Abstimmung.
Foto: Reuters
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Fabienne Kinzelmann

Nach der Volksabstimmung in Mazedonien jubelten am Sonntagabend beide Lager: Die Regierung von Zoran Zaev (43), weil 91 Prozent für eine Umbenennung in Nord-Mazedonien votierten – und die Opposition, weil für ein rechtlich bindendes Ergebnis gar nicht genügend Bürger an die Urne gingen.

Nur rund 37 Prozent der 1,8 Millionen Stimmberechtigten hatten sich an der Abstimmung beteiligt. Für ein gültiges Referendum wäre mehr als die Hälfte nötig gewesen.

Die mazedonische Regierung will den Kurs dennoch nicht ändern. Die Umbenennung in Nord-Mazedonien soll den Namensstreit mit Griechenland beenden und dem Balkan-Musterschüler Mazedonien den Weg zur EU- und Nato-Mitgliedschaft ebnen. Das Problem: Im Parlament bräuchte Zaevs Regierung für die Namensänderung eine Zweidrittelmehrheit – das geht nicht ohne Stimmen aus der Opposition.

Scheitert die Namensänderung auch im Parlament, wäre das ein verheerendes Signal für den gesamten Balkan, sagt der Balkan-Experte Daniel Bochsler (39) zu BLICK. «Mazedonien ist das einzige Land dort, in dem sich wirklich etwas bewegt – bis vor einem Jahr gab es eine extrem korrupte Regierung.» Das Referendum zeige, dass das Land auf dem Weg zur Demokratie sei und auf Europa zugehe. «Wäre es erfolgreich, könnte das auch demokratischen Oppositionen in anderen Ländern einen Aufschub geben. Scheitert das Referendum, zeigt es, dass man die Probleme nicht lösen kann und der EU-Beitritt ein Wunschtraum bleibt.»

Das Ergebnis liegt nicht an den Auslands-Mazedoniern

Die mazedonische Regierung steckt in einer Sackgasse. «Es wird schwierig, da rauszukommen», sagt Experte Bochsler. «Wie viele europäische Regierungen versucht sie es mit einer kreativen Lösung und interpretiert das Referendum trotz der niedrigen Wahlbeteiligung in eine 90-prozentige Zustimmung um.»

Der Namensstreit zwischen Mazedonien und Griechenland entflammte 1991, als sich die ehemalige jugoslawische Teilrepublik für unabhängig erklärte und sich den Namen Mazedonien (griechisch Makedonia) gab. Athen argumentiert, der Name Mazedoniens sei griechischen Ursprungs, er werde bereits für den Norden Griechenlands verwendet. Die Griechen befürchten, dass ihre Nachbarn Anspruch auf diese griechischen Gebiete erheben könnten.
Foto: Blick Grafik

Die Wahlbeteiligung ist ein strittiger Punkt. Seit 2003 hat keine Volkszählung mehr stattgefunden, die Bevölkerung des kleinen Balkanstaats wandert in Scharen ab. In der Schweiz lebten 2015 rund 65'000 Mazedonier, auch in Deutschland und Österreich gibt es eine grosse Diaspora. Die Auslands-Mazedonier beteiligen sich deutlich weniger an Wahlen. «Trotzdem nehmen bis zu zwei Drittel der Wahlberechtigten an Wahlen teil – jetzt ist es nur die Hälfte. Die Schuld für die niedrige Wahlbeteiligung den Auslands-Mazedoniern zuzuschieben, geht nicht», sagt Bochsler.

«Verheerendes Signal für den Balkan»

Bei der Abstimmung am Sonntag kam die Regierungskoalition nicht einmal auf die Stimmen derjenigen, die sie in den Wahlen 2016 unterstützt haben. In Mazedonien gilt ein Referendum erst als rechtlich bindend, wenn sich 50 Prozent der Wahlberechtigten beteiligen. «Was also würden Sie machen, wenn Sie als Wähler dagegen wären und die Mehrheit für das Referendum ohnehin wackelt? Mit ‹Nein› stimmen oder einfach zu Hause bleiben? Für Letzteres hat die nationalistische Opposition indirekt auch geworben.»

* Der Berner Daniel Bochsler (39) ist Professor für Nationalismus und Politikwissenschaft an der Central European University in Budapest. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Politik in ethnisch gespaltenen Ländern. Er hat mehrere Jahre im ehemaligen Jugoslawien geforscht und dazu umfangreich publiziert.

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