Bundeskanzlerin Merkel und führende EU-Politiker ausgespäht
US-Geheimdienst soll Abhörstation nahe Kopenhagen genutzt haben

Der dänische Geheimdienst hat Berichten zufolge dem US-Geheimdienst NSA dabei geholfen, Bundeskanzlerin Angela Merkel und weitere europäische Spitzenpolitiker abzuhören.
Publiziert: 31.05.2021 um 03:50 Uhr
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Aktualisiert: 31.05.2021 um 07:23 Uhr

Abhören unter Freunden: Der dänische Geheimdienst hat Medienberichten zufolge dem US-Geheimdienst NSA dabei geholfen, Bundeskanzlerin Angela Merkel (66, CDU) und andere europäische Spitzenpolitiker abzuhören. Der dänische Auslands- und Militärgeheimdienst Forsvarets Efterretningstjeneste (FE) habe der NSA die Nutzung der geheimen Abhörstation Sandagergardan in der Nähe von Kopenhagen ermöglicht, berichteten der Dänische Rundfunk (DR) und weitere europäische Medien, darunter der NDR, der WDR und die «Süddeutsche Zeitung» am Sonntag.

Laut den gemeinsamen Recherchen der Sender und Zeitungen konnte der US-Geheimdienst in den Jahren 2012 bis 2014 dort einen wichtigen Internet-Knotenpunkt verschiedener Unterseekabel anzapfen. Die Abhöraktion habe sich gegen führende Politikerinnen und Politiker aus Deutschland, Schweden, Norwegen, den Niederlanden und Frankreich gerichtet. Hierzulande war demnach neben Merkel und dem heutigen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier (65) auch der damalige SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück (74) betroffen.

Auch Dänen sind brüskiert

Den Recherchen zufolge wurde die Kooperation der NSA und des dänischen Geheimdienstes bei der Überwachung europäischer Nachbarländer 2015 in einem internen Bericht des FE dokumentiert. Die dänische Verteidigungsministerin Trine Bramsen (40), die seit Juni 2019 im Amt ist, wurde laut Dänischem Rundfunk im August 2020 darüber informiert. Sie sagte dem Sender, «das systematische Abhören von engen Verbündeten» sei inakzeptabel.

Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ist offenbar mithelfe Dänemarks von ihren US-amerikanischen Freunden abgehört worden.
Foto: AFP
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Was wusste Obama?

Steinbrück sagte dem Rechercheverbund von NDR, WDR und «SZ», er habe erst durch die Berichte von der Abhöraktion gegen ihn erfahren. «Politisch halte ich das für einen Skandal.» Zwar glaube er, dass auch westliche Staaten funktionsfähige und tüchtige Nachrichtendienste benötigten. Doch zeige diese Art des Abhörens unter Partnern, «dass sie doch ein ziemliches Eigenleben führen».

Steinbrück erinnert sich laut der «Süddeutschen» daran, dass er den damaligen US-Präsidenten Barack Obama (59) bei einem Treffen im Juni 2013 auf die NSA-Affäre angesprochen hatte. Doch Obama sei dem Thema wie ausgewichen: «Der Präsident wollte darüber nicht reden», so Steinbrück. Obama habe ein paar knappe Sätze über seine Pflicht gesagt, das amerikanische Volk zu schützen, und die so penible Kontrolle der Geheimdienste.

Edward Snowden rollte NSA-Affäre auf

Auch die Bundesregierung hatte von der Bespitzelung führender Regierungsmitglieder aus Dänemark demnach keine Ahnung. «Der Gegenstand Ihrer Recherche ist der Bundeskanzlerin durch Ihre Anfrage bekannt geworden», sagte ein Regierungssprecher. Bundespräsident Steinmeier erklärte ebenfalls, er habe von den Abhöraktionen aus Dänemark bislang nichts gewusst.

Der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden (37) hatte 2013 tausende streng geheime Dokumente über die Überwachungspraktiken der US-Nachrichtendienste veröffentlicht. Die Enthüllungen lösten weltweit Empörung aus. Unter anderem stand der Vorwurf im Raum, dass die NSA Merkels Handy angezapft habe. Die Ermittlungen dazu stellte die Bundesanwaltschaft allerdings 2015 ein. (AFP/kes)

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