Bürgerliche Terrorzelle plante bewaffneten Aufstand
Hatten die Reichsbürger Verbindungen zu QAnon?

Experten sehen im geplanten Putsch gegen die deutsche Regierung Parallelen zum Sturm auf das amerikanische Kapitol im Januar 2021.
Publiziert: 11.12.2022 um 09:01 Uhr
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Aktualisiert: 11.12.2022 um 13:46 Uhr
Tanja von Arx
Tanja von ArxAuslandredaktorin

Es war eine der grössten Razzien der deutschen Geschichte. Rund 3000 Mitglieder von Polizei und Spezialeinheiten durchsuchten am frühen Mittwochmorgen mehr als 130 Wohnungen, Büros und Lagerräume in ganz Deutschland. Ziel der Aktion: eine Terrororganisation aus den Kreisen der sogenannten Reichsbürger zu zerschlagen, die den gewaltsamen Sturz der Regierung geplant haben soll.

Nach Angaben der Strafverfolger wurden in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hessen, Niedersachsen, Sachsen und Thüringen 25 Personen verhaftet. Auch in Österreich und Italien gab es je eine Festnahme.

Putschversuch in Deutschland
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Bewaffneter Umsturz geplant:Putschversuch in Deutschland durch «Reichsbürger»
Über 3000 Polizisten und Spezialeinheiten durchsuchen am Mittwoch Wohnungen, Büros und Lagerräume. Unter Verdacht steht die mutmassliche Terrorgruppierung der Reichsbürger.
Foto: keystone-sda.ch
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Feindesliste und Putschversuch

Die Beschuldigten hätten seit November 2021 einen bewaffneten Angriff auf den Bundestag und die Festnahme von Politikern geplant – und geglaubt, dass Teile der Sicherheitskräfte zu ihnen überlaufen würden – der «Umsturz» wäre perfekt gewesen. Die Berliner «Tageszeitung» schrieb von einer «Feindesliste» mit den Namen von 18 Journalisten und Spitzenpolitikern, darunter Aussenministerin Annalena Baerbock (41). Bundeskanzler Olaf Scholz (64) sprach in der «Welt» von einem «sehr schlimmen Vorfall».

Laut Bundeskriminalamt sind 54 Männer und Frauen Beschuldigte des Verfahrens. An mehr als 50 Orten fanden die Sicherheitsbehörden Gewehre und Munition, mehr als 130'000 Euro in bar sowie eine erhebliche Menge Gold und Silber.

Ein Prinz als neues Staatsoberhaupt

Als Rädelsführer gilt der festgenommene Heinrich XIII. Prinz Reuss (71). Laut Bundesanwaltschaft war er als Staatsoberhaupt vorgesehen. Reuss entstammt einer Adelsfamilie, die bis 1920 im Osten des heutigen Bundeslandes Thüringen regierte. Alle männlichen Nachfahren des Hauses tragen den Vornamen Heinrich.

Festgenommen wurde auch die Richterin und frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann (58). Wie die Berliner Justiz mitteilte, ist sie nicht mehr Mitglied der Zivilkammer, in der sie bislang tätig war. Auch der Hausausweis, der sie zum Betreten des Bundestags berechtigte, wurde ihr aberkannt. Malsack-Winkemann war von den Putschisten als Justizministerin ausersehen.

Vom Gourmetkoch bis zum Tenorsänger

Die mutmassliche Terrorzelle ist laut «Spiegel» bunt zusammengewürfelt. Neben dem Prinzen und der Richterin gehörten ein Gourmetkoch, ein Dachdeckermeister, ein Pilot, ein promovierter Rechtsanwalt und ein Tenorsänger dazu. Eine Ärztin soll für «spirituelle Fragen» zuständig gewesen sein, zwei Hellseher hätten potenzielle Mitstreiter auf Verlässlichkeit überprüfen sollen.

Die «New York Times» sieht direkte Verbindungen zur QAnon-Bewegung in den USA. Die deutschen Putschisten hätten sich am Sturm auf das Kapitol im Januar 2021 orientiert. Mithilfe von Verschwörungstheorien hätten die Reichsbürger ihre Gefolgschaft während der Pandemie von 2000 auf 21’000 erhöht.

Deutsche QAnon-Anhänger glauben, die Regierung in Berlin habe eine «Fake-Pandemie» benutzt, um einen Befreiungsplan unter Mitwirkung von Ex-Präsident Donald Trump (76) zu vereiteln. Ihrer Ansicht nach ist Deutschland keine souveräne Nation, sondern seit dem Zweiten Weltkrieg ein Unternehmen der Alliierten.

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