Bürgerkrieg in Syrien
Assads Truppen dringen in Rebellenstadt ein

Bodentruppen der syrischen Regierung sind in die von Rebellen gehaltene Stadt Chan Scheichun in der Region Idlib eingedrungen. Damit ist ihnen nach Meinung der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte ein entscheidender Sieg gelungen.
Publiziert: 20.08.2019 um 15:40 Uhr

Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete, die Regierungskräfte und ihren russischen Verbündeten seien nach heftigen Luftangriffen und Artilleriebeschuss am späten Montagabend in Stadtteile von Chan Scheichun eingezogen, nachdem sich die Rebellen zurückgezogen hätten.

Der Vorsitzende der Beobachtungsstelle Rami Abdel Rahman sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Das ist ein entscheidender Sieg für die Regierungstruppen.» Die grösste Stadt im Süden von Idlib, Chan Scheichun, liegt an der strategisch wichtigen Strasse von Damaskus nach Aleppo und führt auch durch Homs.

Foto: Ringier Infographics
Die Offensive der syrischen Regierungstruppen hinterlässt in der Rebellenstadt Chan Scheichun zerstörte Häuser.
Foto: AFP
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Granatenfeuer über Rebellenstadt

Die USA forderten Syrien zur Mässigung auf. US-Aussenamtssprecherin Morgan Ortagus schrieb auf Twitter: «Das Assad-Regime und seine Verbündeten müssen zum Waffenstillstand in Idlib zurückkehren.»

Aktivisten veröffentlichten in den sozialen Medien Videos, auf denen zu sehen ist, wie Dutzende Granaten auf die Stadt abgefeuert wurden. «Die Regimekräfte verfolgen eine Politik der verbrannten Erde, um Städte und Gemeinden unter Kontrolle zu bekommen», schrieben sie.

Rahman hatte vor wenigen Tagen gewarnt, dass, wenn die Regierungskräfte die Stadt einnehmen würden, die Rebellen auch im Norden der benachbarten Provinz Hama in eine schwierige Lage kommen würden. «Entweder werden sie sich zurückziehen müssen oder bis zum Ende kämpfen, weil sie belagert werden.»

Zehntausende Menschen auf der Flucht

Der Beobachtungsstelle zufolge wurden durch die Gewalt der vergangenen Tage im Süden von Idlib rund 25'000 Menschen vertrieben - meist in ländliche Gebiete im Norden, in die Stadt Idlib und Gebiete nahe der Grenze zur Türkei.

Die Vereinten Nationen hatten im Juli mitgeteilt, dass durch die Angriffe der syrischen Regierungstruppen zur Einnahme von Idlib seit April mehr als 400'000 Menschen vertrieben worden seien.

Die Beobachtungsstelle für Menschenrechte hatte erklärt, seit Beginn der Angriffe Ende April seien mehr als 900 Zivilisten getötet worden, darunter 235 Kinder. (SDA)

Foto: Infografik

China warnt vor Erstarken des IS

In Syrien droht nach den Worten des chinesischen Sonderbeauftragten Xie Xiaoyan ein Wiedererstarken von Terrororganisationen wie der Terrormiliz Islamischer Staat (IS). «Das Problem ist nicht gelöst», sagte Xie am Dienstag nach einem Treffen mit dem Uno-Syrienvermittler Geir Pedersen in Genf. «Terrorismus ist der gemeinsame Feind der Menschheit.»

Zu Angriffen des syrischen Militärs und seiner russischen Verbündeten in der Provinz Idlib, dem letzten grossen Rebellengebiet, sagte Xie: «Der Kampf gegen die Terroristen muss fortgesetzt werden.» Er berief sich bei den Informationen über die drohende Gefahr eines Erstarken der Terrorgruppen auf Diplomaten und Forschungsinstitute.

China unterstütze alle Friedensbemühungen, etwa die Schaffung eines Ausschusses, der eine neue Verfassung ausarbeiten soll, und wirke entsprechend auf alle beteiligten Akteure ein, sagte Xie. Der Diplomat war zuvor nach eigenen Angaben in der iranischen Hauptstadt Teheran und wollte anschliessend in die syrische Hauptstadt Damaskus weiterreisen.

Krieg in Syrien: Wer kämpft gegen wen?

Seit 2011 tobt der Krieg in Syrien. Zeitweise sah es so aus, als verliere Präsident Baschar al-Assad seine Macht. Mittlerweile aber konnten Regierungsgruppen grosse Gebiete des Landes wieder einnehmen. Ein Überblick:

  • Syrische Regierung
    Assads Anhänger kontrollieren fast den gesamten westlichen Teil des Landes von Aleppo im Norden über das Zentrum um die Hauptstadt Damaskus bis zur Stadt Daraa im Süden, wo der Aufstand im Frühjahr 2011 begonnen hatte. Regierungstreue Kräfte beherrschen damit den grössten Teil der noch verbliebenen Einwohner und die wichtigsten Städte. Allerdings ist die Armee dabei auf Hilfe angewiesen.
    Das sind einerseits lokale Milizen, die oft von Kriegsherren kommandiert werden. Dazu zählen aber auch ausländische schiitische Milizen, die vom Iran unterstützt werden, wie die Hisbollah aus dem Libanon. Russlands Armee unterstützt die Regierung mit Luftangriffen.

  • Die Rebellen
    Eine ihrer letzten verbliebenen Hochburgen ist die Region um die Stadt Idlib im Nordwesten Syriens. Eine der stärksten bewaffneten Gruppen dort ist die Organisation Tahrir al-Scham (HTS), die früher zum Terrornetzwerk Al-Kaida gehörte. In dem Gebiet leben auch mehr als eine Millionen Menschen, die aus anderen Regionen vor den Assad-Truppen geflohen sind. Die humanitäre Lage ist schwierig.

  • Die Türkei
    Gemeinsam mit syrischen Rebellen beherrschen Ankaras Truppen ein Gebiet nördlich von Idlib rund um die Stadt Afrin. Die türkische Armee war hier im Frühjahr einmarschiert und hatte die Kurdenmiliz YPG vertrieben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan droht nun mit einer neuen Offensive gegen die Kurden.

  • Die Kurden
    Sie beherrschen grosse Gebiete im Norden und Osten Syriens und haben eine Selbstverwaltung errichtet. Die Kurdenmiliz YPG führt eine Koalition an, zu der auch lokale arabische Gruppen gehören. Die so genannten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) bekämpfen nahe der Grenze zum Irak einer der letzten Bastionen des IS. Die Kurden kontrollieren auch die wichtigsten Ölvorräte des Bürgerkriegslandes.

  • Die USA
    Washington hat etwa 2000 Mann im Land, die die YPG und SDF unterstützen, unter anderem mit Ausbildung. Als Hauptziel nennen sie die Zerschlagung des IS. Die USA führen auch eine internationale Koalition an, die Luftangriffe auf die Extremisten fliegt. Trump liess die US-Truppen im Oktober 2019 abziehen und brach die Unterstützung der kurdischen Kämpfer ab.

  • Der IS
    Die Terrormiliz Islamischer Staat hat ihr früheres Herrschaftsgebiets fast vollständig verloren. Im Osten kontrolliert sie noch ein kleines Gebiet. In den Wüstenregionen Syriens und auch des Iraks sind aber noch Zellen aktiv, die Terroranschläge verüben.

Seit 2011 tobt der Krieg in Syrien. Zeitweise sah es so aus, als verliere Präsident Baschar al-Assad seine Macht. Mittlerweile aber konnten Regierungsgruppen grosse Gebiete des Landes wieder einnehmen. Ein Überblick:

  • Syrische Regierung
    Assads Anhänger kontrollieren fast den gesamten westlichen Teil des Landes von Aleppo im Norden über das Zentrum um die Hauptstadt Damaskus bis zur Stadt Daraa im Süden, wo der Aufstand im Frühjahr 2011 begonnen hatte. Regierungstreue Kräfte beherrschen damit den grössten Teil der noch verbliebenen Einwohner und die wichtigsten Städte. Allerdings ist die Armee dabei auf Hilfe angewiesen.
    Das sind einerseits lokale Milizen, die oft von Kriegsherren kommandiert werden. Dazu zählen aber auch ausländische schiitische Milizen, die vom Iran unterstützt werden, wie die Hisbollah aus dem Libanon. Russlands Armee unterstützt die Regierung mit Luftangriffen.

  • Die Rebellen
    Eine ihrer letzten verbliebenen Hochburgen ist die Region um die Stadt Idlib im Nordwesten Syriens. Eine der stärksten bewaffneten Gruppen dort ist die Organisation Tahrir al-Scham (HTS), die früher zum Terrornetzwerk Al-Kaida gehörte. In dem Gebiet leben auch mehr als eine Millionen Menschen, die aus anderen Regionen vor den Assad-Truppen geflohen sind. Die humanitäre Lage ist schwierig.

  • Die Türkei
    Gemeinsam mit syrischen Rebellen beherrschen Ankaras Truppen ein Gebiet nördlich von Idlib rund um die Stadt Afrin. Die türkische Armee war hier im Frühjahr einmarschiert und hatte die Kurdenmiliz YPG vertrieben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan droht nun mit einer neuen Offensive gegen die Kurden.

  • Die Kurden
    Sie beherrschen grosse Gebiete im Norden und Osten Syriens und haben eine Selbstverwaltung errichtet. Die Kurdenmiliz YPG führt eine Koalition an, zu der auch lokale arabische Gruppen gehören. Die so genannten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) bekämpfen nahe der Grenze zum Irak einer der letzten Bastionen des IS. Die Kurden kontrollieren auch die wichtigsten Ölvorräte des Bürgerkriegslandes.

  • Die USA
    Washington hat etwa 2000 Mann im Land, die die YPG und SDF unterstützen, unter anderem mit Ausbildung. Als Hauptziel nennen sie die Zerschlagung des IS. Die USA führen auch eine internationale Koalition an, die Luftangriffe auf die Extremisten fliegt. Trump liess die US-Truppen im Oktober 2019 abziehen und brach die Unterstützung der kurdischen Kämpfer ab.

  • Der IS
    Die Terrormiliz Islamischer Staat hat ihr früheres Herrschaftsgebiets fast vollständig verloren. Im Osten kontrolliert sie noch ein kleines Gebiet. In den Wüstenregionen Syriens und auch des Iraks sind aber noch Zellen aktiv, die Terroranschläge verüben.
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