Bürgerkrieg an der Waterkant
Scheitert Hamburgs Bürgermeister Scholz an den Krawallen?

Unter der harmonischen Oberfläche tobt ein unversöhnlicher Kulturkrieg. Warum Hamburgs erfolgreicher Erster Bürgermeister Olaf Scholz an den Krawallen in seiner Stadt scheitern könnte.
Publiziert: 09.07.2017 um 11:49 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 01:52 Uhr
Johannes von Dohnanyi

Noch Anfang Juni war Olaf Scholz voller Optimismus. Der anstehende G-20-Gipfel, so Hamburgs Erster Bürgermeister, «wird wie der jährliche Hafen­geburtstag sein».

Jetzt holt seine flapsige Bemerkung den Sozialdemokraten ein. Gewalttätige Globalisierungsgegner kaperten die Welt-Aufmerksamkeit für die Konferenz der 20 führenden Wirtschaftsnationen, plünderten, zerstörten und brandschatzten hemmungslos.

Es gehört zu den politischen Ritualen, dass jetzt nicht nur der für die Verwüstungen verantwortliche Schwarze Block, sondern auch Oppositionsparteien den Rücktritt des einst sehr erfolgreichen Scholz fordern. Der wiederum ist zwar «betrübt über das, was viele in diesen Tagen zu ertragen haben». Doch seine Entscheidung verteidigt er: «So eine Veranstaltung kann nur in einer modernen Stadt wie Hamburg stattfinden.»

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz in der Kritik. Doch er verteidigt seine Entscheidung, den G-20-Gipfel abzuhalten:
Foto: EMMANUELE CONTINI

Die heimliche Hauptstadt

Seit den 80er-Jahren gilt Hamburg als Modell für einen toleranten Umgang mit Andersdenkenden. Statt die von Militanten besetzten Häuser an der Hafenstrasse zu räumen, überliess der Senat die wertvollen Immobilien damals – gegen eine symbolische Miete – den Linksautonomen. Weitgehend ungestört koordinierte die gleiche Szene vom ehemaligen Theater Rote Flora aus die Gewaltaufrufe des Schwarzen Blocks gegen das «kapitalistische Schweinesystem». Sogar bei den jährlichen Krawallen zum 1. Mai hatte Hamburg einen Modus Vivendi gefunden.

So tolerant und weltoffen-entspannt gab sich Hamburg, dass die «New York Times», aber auch das in der Stadt ansässige Magazin «Der Spiegel» die Millionenmetropole vor kurzem als Deutschlands heimliche Hauptstadt beschrieben.

Graue Wolken ziehen über Hamburg auf.
Foto: Getty Images

Es waren Fehleinschätzungen. Unter der harmonischen Oberfläche tobt ein unversöhnlicher Kulturkrieg der linken Szene gegen das andersdenkende «Establishment». Von der viel gerühmten Hamburger Debattenkultur ist wenig geblieben. Andreas Blechschmidt, der eine «Welcome to Hell» (Willkommen in der Hölle) genannte Demonstration gegen den G-20-Gipfel angemeldet hatte, leugnet jede Mitverantwortung. Der linke Anwalt: «Schuld ist, wer die gewaltbereiten Demonstranten von den friedlichen zu isolieren versuchte.»

Ein «Wir hier unten»-Bewegung verschafft sich Gehör

Dabei hatte sich alles in den vergangenen Jahren unter Bürgermeister Scholz so gut angelassen. Die Flüchtlingswelle von 2015 wurde ohne grössere soziale Verwerfungen gemeistert. Viel Geld floss in die infrastrukturelle Aufwertung sozialer Problemquartiere. Selbst die von den Basler Stararchitekten Herzog & de Meuron entworfene Elbphilharmonie ist seit Ende 2016 endlich fertig und zum stolzen Symbol der Hamburger avanciert.

Drinnen waren alle in Festlaune: Die G-20-Gipfel-Mitglieder und ihre Partner beim Dinner.
Foto: Axel Schmidt

Es hat alles nichts geholfen. Die Zahl der Globalisierungsgegner mit ihren oft berechtigten Anliegen ist auch in Hamburg gewachsen. Die traditionell als «Pfeffersäcke» beschimpften Kaufleute und Reeder haben zwar schon immer in den sozialen Ausgleich investiert und die Projekte der Bürgerstiftung Hamburg mit einem dreistelligen Millionen-Euro-Betrag finanziert. Doch eine in dieser Radikalität bislang unbekannte «Wir hier unten»-Bewegung scheint fest entschlossen, ihren «Krieg» in wohlhabende Quartiere wie Harvestehude oder Blankenese zu tragen.

Jetzt sind alle Sympathien weg

Mag sein, dass innerhalb des Schwarzen Blocks jetzt heftig diskutiert wird. Schliesslich hat man nicht etwa die unfassbar teure Elbphilharmonie abgefackelt, sondern die Autos gewöhnlicher Bürger.

Dabei ist es den Linksautonomen in einem erstaunlichen Akt der Selbstzerstörung gelungen, nicht nur das eigene Viertel rund um die Rote Flora, sondern auch die Grundsympathien aller friedlichen Anwohner in Schutt und Asche zu legen.

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