Brett Kavanaugh bereut seine Wutrede
«Ich sagte Dinge, die ich nicht hätte sagen sollen»

Aufregung in Washington: Bei einer Anti-Kavanaugh-Demonstration wurde das berühmte Model Emily Ratajkowski und Schauspielerin Amy Schumer festgenommen. Derweil veröffentlichte das «Wall Street Journal» ein Essay von Trumps Richterkandidaten Brett Kavanaugh (53). Er zeigt sich überraschend reuig.
Publiziert: 05.10.2018 um 05:10 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 09:09 Uhr
Nicola Imfeld, San Diego

Der Richter-Showdown geht heute Freitag in die entscheidende Phase. Brett Kavanaugh, Trumps Kandidat für den Supreme Court, könnte schon am Wochenende für den Obersten US-Gerichtshof bestätigt werden. Der republikanische Mehrheitsführer Mitch McConnell setzte für Freitag eine Verfahrensabstimmung an, die den Weg für eine Schlussabstimmung am Samstag ebnet. 

Am Donnerstag kam es in Washington zu Anti-Kavanaugh-Demonstrationen.
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Das FBI hat am Mittwochabend den Bericht über die Belästigungsvorwürfe gegen den umstrittenen Kandidaten fertiggestellt. Am Donnerstag konnten die 100 US-Senatoren den Bericht lesen. Allerdings mussten sie sich gedulden, denn: Es gab nur ein einziges Exemplar

Details drangen bisher noch nicht ans Tageslicht. Das Weisse Haus liess aber schon mal verlauten, dass sich nichts Belastendes gegen Kavanaugh finden lasse. Und einige Demokraten monierten nachdem sie den FBI-Bericht gelesen hatten, dass die Untersuchung in Eile geleitet wurde. Beides Indizien, dass Kavanaugh die «Woche der Wahrheit» schadlos überstanden hat. 

Kavanauh wirbt in Essay für seine Kandidatur

Derweil sorgte Kavanaugh am Donnerstagabend (Ortszeit) selbst nochmals für Aufsehen. In einem ungewöhnlichen Vorgehen hat das «Wall Street Journal» ein Essay von Kavanaugh veröffentlicht. Darin wirbt der Richter für seine Kandidatur: «Ich bin ein unabhängiger, unparteiischer Richter», schrieb er.

Weiter blickte Trumps Richterkandidat auch nochmals auf die höchst emotionale Anhörung vom vergangenen Donnerstag zurück, als die Psychologie-Professorin Christine Blasey Ford ihn vor dem Justizausschuss des US-Senats der versuchten Vergewaltigung bezichtigte. Kavanaugh reagierte damals mit einer Wutrede. Teils schreiend, teils schluchzend, stellte er sich als mediales Opfer dar. Die Anhörung bezeichnete er als «nationale Schande». Desweiteren beschuldigte er die Demokraten, eine «Schmutzkampagne» gegen ihn zu führen, was Kavanaugh viel Kritik einbrachte.

Eine Woche später gibt er sich in seinem Essay nun etwas einsichtig. «Ich war vielleicht manchmal zu emotional. Ich weiss, dass mein Tonfall scharf war und ich einige Dinge sagte, die ich nicht hätte sagen sollen», so Kavanaugh. Er hoffe aber, dass jeder verstehen könne, dass er sich als «Sohn, Ehemann und Vater» verteidigt habe. 

Bekannte US-Schauspielerin und Model bei Demonstration festgenommen

Bevor Kavanaughs Essay erschien, kam es am Donnerstagnachmittag in Washington zu einer Demonstration. Tausende gingen gegen die Beförderung des Richters auf die Strasse. Sie hielten Schilder mit Aufschriften wie «Kava-Nope» (übersetzt: Kava-Nö) oder «Glaubt den Überlebenden» in die Höhe.

Auf dem Sender «NBC» war zu sehen, wie Dutzende Demonstranten von der Polizei festgenommen wurden. Gemäss mehreren US-Medien wurden unteranderem das Model Emily Ratajkowski und Schauspielerin Amy Schumer abgeführt. Ihnen wird vorgeworfen, innerhalb eines Bürogebäudes illegal demonstriert zu haben.

Brett Kavanaugh soll Richter am US-Supreme-Court werden

1. Warum spielt die Personalie eine so grosse Rolle?

Das Oberste Gericht (Supreme Court) ist politisch sehr wichtig. Nicht selten hat das Gericht in aktuellen Auseinandersetzungen das letzte Wort. So etwa auch bei den grossen Themen, an denen sich die gesellschaftliche Spaltung der USA aufzeigt: Abtreibung, Einwanderung oder Waffenbesitz.

Die Entscheidungen sind oft von landesweiter Bedeutung und prägen die Auslegung von Gesetzen an unteren Gerichten über Jahre. Hinzu kommt: Die Richter werden auf Lebenszeit ernannt. Mit der Kandidatenwahl kann ein Präsident die Mehrheitsverhältnisse so auf lange Zeit beeinflussen.

2. Ist die politische Einstellung der Richter relevant?

Ja. Kommt es zu Kontroversen, spielen auch die Haltungen der Juristen eine Rolle. Die Kammer ist hochpolitisch. Es gibt insgesamt neun Richter: Zurzeit sind vier konservativ und vier liberal. Anthony Kennnedy war in der Mitte, galt als gemässigt-konservativ. Er war häufig das Zünglein an der Waage. In wichtigen sozialen Fragen stimmte er meistens mit den progressiveren Kollegen. 

3. Warum steht Brett Kavanaugh zur Wahl?

US-Präsident Donald Trump hat ihn im Juli 2018 nominiert. Kavanaugh gilt als konservativ. Er ist ein Verfechter einer wörtlichen Auslegung der US-Verfassung. Dies freut die Waffen-Lobby, die sich auf eine wörtliche Auslegung des verfassungsmässigen Rechts auf Selbstverteidigung stützt.

4. Wie viele Stimmen braucht Kavanaugh, um als Richter bestätigt zu werden?

Eine einfache Mehrheit genügt. Zuerst muss Kavanaugh den Justizausschuss des Senats passieren. Danach die ganze Kammer. Zurzeit ist der Justizausschuss und der US-Senat unter republikanischer Kontrolle. Stimmen sie geschlossen ab, können die Republikaner Kavanaugh ohne jegliche demokratische Unterstützung zum Supreme Court durchboxen.

5. Warum kam es zu einer Anhörung?

Am 14. September tauchten im Magazin «The New Yorker» erstmals sexuelle Belästigungsvorwürfe gegen Kavanaugh auf. Zwei Tage später veröffentlichte die «Washington Post» ein Interview mit Christine Blasey Ford, die sich darin als Opfer Kavanaughs outete.

Als Konsequenz dieser Entwicklungen wurde die Schlussabstimmung verschoben. Nach einigem Hin und Her mit ihren Anwälten, erklärte sich Blasey Ford am vergangenen Sonntag bereit, vor dem Justizausschuss des Senats auszusagen.

6. Was sind die konkreten Anschuldigungen? 

Christine Blasey Ford und Brett Kavanaugh sollen 1982 auf der gleichen Schülerparty gewesen sein. Dort soll der heutige Richterkandidat betrunken gewesen sein und versucht haben, die damals 15-Jährige zu vergewaltigen. Kavanaughs Jugendfreund Mark Judge soll damals mit im Raum gewesen sein. Blasey Ford gibt an, dass sie sich von Kavanaugh befreien konnte und ins Badezimmer flüchtete.

7. Gibt es noch weitere Fälle?

Ja - sagen mehrere Frauen. Eine frühere Mitstudentin Kavanaughs sagte dem Magazin «The New Yorker», Kavanaugh habe sich Anfang der 80er Jahre bei einer Studentenparty plötzlich vor ihr ausgezogen und ihr seinen Penis ins Gesicht gestreckt.

Und dann ist da auch noch Julie Swetnick. Sie sagt, Kavanaugh habe mit seinem Jugendfreund und weiteren Kumpanen anfangs der 80er-Jahre gezielt Frauen mit Alkohol abgefüllt oder unter Drogen gesetzt. Anschliessend hätten sie ihre Opfer missbraucht.

Ende September berichtete die «New York Times» über einen vierten Fall. In einem anonymen Brief an den republikanischen Senator Cory Gardner schreibt eine Frau, dass ihre Tochter Zeuge von Kavanaughs Gewalttaten war. Sie hätte ihn 1998 in einer Bar beobachtet, wie er eine Frau betrunken gegen eine Wand schob und sich «sehr aggressiv und sexuell» verhalten hatte.

8. Was sagt Kavanaugh zu den Anschuldigungen?

Er streitet alles konsequent ab. «Ich habe niemals jemanden sexuell belästigt», sagte Kavanaugh bei der Anhörung. Er habe Frauen immer mit Würde und Respekt behandelt, erklärte er. In seiner Wutrede stellte Kavanaugh als mediales Opfer dar. Was während der Anhörung zu seiner Beförderung passiere, sei eine «nationale Schande». «Diese koordinierten und bezahlten Versuche, meinen Namen zu zerstören, werden mich nicht vertreiben!»

9. Was sagt Donald Trump? 

Der US-Präsident hat seinen Richterkandidaten stets verteidigt. Er bezeichnete die erhobenen Belästigungsvorwürfe gegen Kavanaugh als «völlig politisch motiviert». Damit spielt Trump auf die Verzögerungstaktik der Demokraten an, die die Schlussabstimmung möglichst bis nach den Halbzeitwahlen anfangs November hinauszögern wollen. Denn dann könnten sich die Mehrheitsverhältnisse womöglich ändern – und somit eine Kavanaugh-Wahl verhindert werden. Nach der Anhörung mit dem mutmasslichen Opfer Kavanuaghs erneuerte Trump seine Unterstützung für ihn.

10. Wie geht es jetzt weiter?

Nachdem auch der Justizausschuss des Senats Kavanaughs Nominierung zugestimmt hat, liegt es jetzt am US-Senat Trumps Kandidaten definitiv zu bestätigen. Die Schlussabstimmung wurde um eine Woche verschoben, damit das FBI die Anschuldigungen gegen Kavanaugh prüfen kann.

Der republikanische Mehrheitsführer Mitch McConnell setzte am Donnerstag für heute Freitag eine Verfahrensabstimmung an, die den Weg für eine Schlussabstimmung am Samstag ebnet.

11. Wie stehen die Chancen für Kavanaugh?

Es ist spannend. Aufgrund der hauchdünnen Mehrheit der Republikaner ist der Ausgang schwer abzuschätzen. Drei republikanische Senatoren (Jeff Flake, Lisa Murkowski und Susan Collins) sind noch unschlüssig. (nim)

1. Warum spielt die Personalie eine so grosse Rolle?

Das Oberste Gericht (Supreme Court) ist politisch sehr wichtig. Nicht selten hat das Gericht in aktuellen Auseinandersetzungen das letzte Wort. So etwa auch bei den grossen Themen, an denen sich die gesellschaftliche Spaltung der USA aufzeigt: Abtreibung, Einwanderung oder Waffenbesitz.

Die Entscheidungen sind oft von landesweiter Bedeutung und prägen die Auslegung von Gesetzen an unteren Gerichten über Jahre. Hinzu kommt: Die Richter werden auf Lebenszeit ernannt. Mit der Kandidatenwahl kann ein Präsident die Mehrheitsverhältnisse so auf lange Zeit beeinflussen.

2. Ist die politische Einstellung der Richter relevant?

Ja. Kommt es zu Kontroversen, spielen auch die Haltungen der Juristen eine Rolle. Die Kammer ist hochpolitisch. Es gibt insgesamt neun Richter: Zurzeit sind vier konservativ und vier liberal. Anthony Kennnedy war in der Mitte, galt als gemässigt-konservativ. Er war häufig das Zünglein an der Waage. In wichtigen sozialen Fragen stimmte er meistens mit den progressiveren Kollegen. 

3. Warum steht Brett Kavanaugh zur Wahl?

US-Präsident Donald Trump hat ihn im Juli 2018 nominiert. Kavanaugh gilt als konservativ. Er ist ein Verfechter einer wörtlichen Auslegung der US-Verfassung. Dies freut die Waffen-Lobby, die sich auf eine wörtliche Auslegung des verfassungsmässigen Rechts auf Selbstverteidigung stützt.

4. Wie viele Stimmen braucht Kavanaugh, um als Richter bestätigt zu werden?

Eine einfache Mehrheit genügt. Zuerst muss Kavanaugh den Justizausschuss des Senats passieren. Danach die ganze Kammer. Zurzeit ist der Justizausschuss und der US-Senat unter republikanischer Kontrolle. Stimmen sie geschlossen ab, können die Republikaner Kavanaugh ohne jegliche demokratische Unterstützung zum Supreme Court durchboxen.

5. Warum kam es zu einer Anhörung?

Am 14. September tauchten im Magazin «The New Yorker» erstmals sexuelle Belästigungsvorwürfe gegen Kavanaugh auf. Zwei Tage später veröffentlichte die «Washington Post» ein Interview mit Christine Blasey Ford, die sich darin als Opfer Kavanaughs outete.

Als Konsequenz dieser Entwicklungen wurde die Schlussabstimmung verschoben. Nach einigem Hin und Her mit ihren Anwälten, erklärte sich Blasey Ford am vergangenen Sonntag bereit, vor dem Justizausschuss des Senats auszusagen.

6. Was sind die konkreten Anschuldigungen? 

Christine Blasey Ford und Brett Kavanaugh sollen 1982 auf der gleichen Schülerparty gewesen sein. Dort soll der heutige Richterkandidat betrunken gewesen sein und versucht haben, die damals 15-Jährige zu vergewaltigen. Kavanaughs Jugendfreund Mark Judge soll damals mit im Raum gewesen sein. Blasey Ford gibt an, dass sie sich von Kavanaugh befreien konnte und ins Badezimmer flüchtete.

7. Gibt es noch weitere Fälle?

Ja - sagen mehrere Frauen. Eine frühere Mitstudentin Kavanaughs sagte dem Magazin «The New Yorker», Kavanaugh habe sich Anfang der 80er Jahre bei einer Studentenparty plötzlich vor ihr ausgezogen und ihr seinen Penis ins Gesicht gestreckt.

Und dann ist da auch noch Julie Swetnick. Sie sagt, Kavanaugh habe mit seinem Jugendfreund und weiteren Kumpanen anfangs der 80er-Jahre gezielt Frauen mit Alkohol abgefüllt oder unter Drogen gesetzt. Anschliessend hätten sie ihre Opfer missbraucht.

Ende September berichtete die «New York Times» über einen vierten Fall. In einem anonymen Brief an den republikanischen Senator Cory Gardner schreibt eine Frau, dass ihre Tochter Zeuge von Kavanaughs Gewalttaten war. Sie hätte ihn 1998 in einer Bar beobachtet, wie er eine Frau betrunken gegen eine Wand schob und sich «sehr aggressiv und sexuell» verhalten hatte.

8. Was sagt Kavanaugh zu den Anschuldigungen?

Er streitet alles konsequent ab. «Ich habe niemals jemanden sexuell belästigt», sagte Kavanaugh bei der Anhörung. Er habe Frauen immer mit Würde und Respekt behandelt, erklärte er. In seiner Wutrede stellte Kavanaugh als mediales Opfer dar. Was während der Anhörung zu seiner Beförderung passiere, sei eine «nationale Schande». «Diese koordinierten und bezahlten Versuche, meinen Namen zu zerstören, werden mich nicht vertreiben!»

9. Was sagt Donald Trump? 

Der US-Präsident hat seinen Richterkandidaten stets verteidigt. Er bezeichnete die erhobenen Belästigungsvorwürfe gegen Kavanaugh als «völlig politisch motiviert». Damit spielt Trump auf die Verzögerungstaktik der Demokraten an, die die Schlussabstimmung möglichst bis nach den Halbzeitwahlen anfangs November hinauszögern wollen. Denn dann könnten sich die Mehrheitsverhältnisse womöglich ändern – und somit eine Kavanaugh-Wahl verhindert werden. Nach der Anhörung mit dem mutmasslichen Opfer Kavanuaghs erneuerte Trump seine Unterstützung für ihn.

10. Wie geht es jetzt weiter?

Nachdem auch der Justizausschuss des Senats Kavanaughs Nominierung zugestimmt hat, liegt es jetzt am US-Senat Trumps Kandidaten definitiv zu bestätigen. Die Schlussabstimmung wurde um eine Woche verschoben, damit das FBI die Anschuldigungen gegen Kavanaugh prüfen kann.

Der republikanische Mehrheitsführer Mitch McConnell setzte am Donnerstag für heute Freitag eine Verfahrensabstimmung an, die den Weg für eine Schlussabstimmung am Samstag ebnet.

11. Wie stehen die Chancen für Kavanaugh?

Es ist spannend. Aufgrund der hauchdünnen Mehrheit der Republikaner ist der Ausgang schwer abzuschätzen. Drei republikanische Senatoren (Jeff Flake, Lisa Murkowski und Susan Collins) sind noch unschlüssig. (nim)

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