Brasiliens Ex-First Lady
Übernimmt jetzt Michelle Bolsonaro?

Da Brasiliens Ex-Präsident Jair Bolsonaro bis 2030 nicht kandidieren darf, könnte nun eine andere Person sein politisches Erbe antreten: seine Ehefrau Michelle Bolsonaro.
Publiziert: 17.03.2024 um 00:05 Uhr
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Cécile ReyPraktikantin

Zuletzt schien es ruhig um Brasiliens Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro (68). Doch trotz seiner Niederlage bei den letzten Wahlen bleibt die Macht seiner Liberalen Partei (PL) weiterhin spürbar: Dieser Tage versammelten sich Zehntausende Bolsonaristen in der Wirtschaftsmetropole São Paulo, um ihren Anführer während laufender strafrechtlicher Untersuchungen zu unterstützen. Eine Person stach dabei besonders heraus: seine Ehefrau, Michelle Bolsonaro (41).

«Für Gott, Vaterland, Familie und Freiheit»: Ende Februar rief Jair Bolsonaro seine Anhängerinnen und Anhänger zu einem «friedlichen Akt» und zur «Verteidigung der demokratischen Rechtsstaatlichkeit» auf. Schätzungsweise versammelten sich daraufhin mehr als 185’000 Menschen in den Strassen São Paulos. Es war Bolsonaros erste grosse politische Veranstaltung seit seiner Niederlage gegen den amtierenden Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva (78) im Jahr 2022.

Wegen Vetternwirtschaft aus Verwaltung hinterlassen

Der hochumstrittene Politiker wurde letztes Jahr wegen Machtmissbrauchs verurteilt und darf bis 2030 nicht mehr kandidieren. Ausserdem ermittelt die Polizei gegen ihn wegen des Verdachts, einen Staatsstreich und die Abschaffung des demokratischen Rechtsstaats geplant zu haben. Bolsonaros Anwalt bestätigt daraufhin auf X die Übergabe seines Reisepasses an die Behörden. Dies könnte der Auslöser für Bolsonaros Rückkehr sein, um «alle in den letzten Monaten gegen ihn erhobenen Vorwürfe» zu widerlegen, wie er in einem Video verkündete. 

Zehntausende versammelten sich Ende Februar in der Wirtschaftsmetropole São Paulo, um Brasiliens Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro ihre Unterstützung zu zeigen.
Foto: AFP
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Mit der Demonstration setzte der 68-Jährige ein politisches Signal: Im Oktober werden in der grössten Volkswirtschaft Südamerikas Bürgermeister und Stadträte gewählt. Die Wahlen markieren die Hälfte von Lulas Amtszeit, und Bolsonaros Einfluss dürfte eine Rolle spielen. Doch da Bolsonaro nicht mehr kandidieren darf, könnte nun eine andere Person sein politisches Erbe antreten: Michelle Bolsonaro. 

Michelle und der 27 Jahre ältere Jair Bolsonaro lernten sich 2007 in Brasília kennen, als sie Parlamentssekretärin war. Kurz darauf arbeitete Michelle auf Bolsonaros Einladung hin mit ihm zusammen und wurde im selben Jahr zur parlamentarischen Sekretärin ernannt. Zwei Monate später, im November 2007, heirateten die beiden. Daraufhin wurde Michelle aufgrund des Verbots der Vetternwirtschaft in der öffentlichen Verwaltung entlassen. Seitdem widmet sie sich kirchlichen Tätigkeiten und dem Gebärdensprachdolmetschen. 2022 trat die evangelische Christin Bolsonaros Partei bei und leitet seit 2023 die Frauenabteilung der PL.

Michelle Bolsonaro wird zunehmend realisierbare Option

Besonders Michelles Auftritt an der Demonstration in São Paulo hat ihren Ruf gestärkt. Die ehemalige First Lady eröffnete die Veranstaltung mit einem Gebet und einer Rede: Darin nannte sie Anhängerinnen und Anhänger des ehemaligen Präsidenten «ein gutes Volk, das christliche Werte und Prinzipien verteidigt». Generell schwang in ihrer Rede ein religiöser Ton mit. Und so führt Michelle genau das fort, was bereits ihr Ehemann getan hat: die evangelische Basis aktivieren. Sie soll Gott 38-mal zitiert und den Herrn 30-mal erwähnt haben. Zum Schluss segnete sie Israel im Namen Jesu, während Tausende Besucherinnen und Besucher ihre mitgebrachten Israel-Flaggen schwenkten. 

Die Stärkung von Michelles Image als evangelische Frau könnte ein strategischer Schachzug von Bolsonaros Kampagne sein, so die Politikwissenschaftlerin Graziella Testa gegenüber «BBC»: «Michelles Figur ist sehr wichtig, insbesondere um das Frauenwahlrecht anzustreben und den Widerstand der Frauen zu brechen, der Bolsonaros Achillesferse ist.»

Die Spitze der PL hat somit drei politische Projekte für die Ex-First Lady geplant: Die 41-Jährige könnte sie für den frei werdenden Senatssitz von Sérgio Moro, der ehemalige Justizminister von Jair Bolsonaro, kandidieren, falls dieser endgültig angeklagt wird. Der Prozess soll am 1. April beginnen. Dann könnte sie für die Senatswahlen oder die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2026 kandidieren. 

Bolsonaro hat zwar öffentlich gesagt, dass seine Frau keine Erfahrung habe und es ihm vorrangig darum gehe, Lulas Wiederwahl zu verhindern. Er würde sie jedoch unterstützen, wenn sie bessere Gewinnchance habe. An der Spitze der PL wird der Name der ehemaligen First Lady mittlerweile als zunehmend realisierbare Option angesehen, wie die brasilianische Zeitung «O Globo» berichtet. Aktuellsten Umfragen zufolge liegt Michelle momentan nur 7 Prozentpunkte hinter Präsident Lula – und hat somit reelle Chancen, das politische Erbe ihres Ehemanns anzutreten. 

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