BLICK erklärt die Eskalation in Syrien
Israels Angst vor der «dritten Front»

Nur zwei Tage nachdem die USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran ausgestiegen sind, eskaliert der Konflikt im Nahen Osten. Der Iran und Israel sind verfeindeter denn je. Beide Staaten sind in den Syrienkrieg involviert – mit unterschiedlichen Zielen.
Publiziert: 11.05.2018 um 21:09 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 05:15 Uhr
Nicola Imfeld

Die Lage im Nahen Osten ist eskaliert! Am Donnerstagabend wurden die von Israel besetzten Golanhöhen von Syrien aus mit Raketen beschossen. Israels Regierung um Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (68) vermutet iranische Truppen hinter den Angriffen und startete Vergeltungsschläge. Mindestens 23 Menschen verloren in der Nacht auf Freitag ihr Leben (BLICK berichtete).

Die Eskalation hatte sich abgezeichnet: Seit Monaten nimmt die Spannung zwischen Israel und dem Iran stetig zu. Doch worum geht es beim Streit zwischen den beiden Staaten? BLICK klärt auf.

Raketen über Damaskus: Israel hat militärische Einrichtungen des Irans in Syrian angegriffen.
Foto: AP
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Woher rührt der Konflikt zwischen den beiden Staaten? 

Das Verhältnis zwischen dem Iran und Israel war bis zur Islamischen Revolution 1979 im Iran freundschaftlich. Seit der Revolution anerkennt die Regierung in Teheran Israel nicht mehr als legitimen Staat an. Immer wieder drohte der Iran mit der Auslöschung Israels. Deshalb betrachtet die Regierung in Tel Aviv den Iran als grösste Bedrohung für das eigene Land.

Was hat der Atomdeal mit der Eskalation in Syrien zu tun? 

Israel glaubt, dass der Iran mit seinem Atomprogramm die Entwicklung einer Atombombe anstrebt. Tel Aviv fühlt sich durch eine mögliche atomare Bewaffnung des Irans in seiner Existenz bedroht. Offiziell hat der Iran die Entwicklung nuklearer Atomwaffen immer bestritten.

Um den Atomstreit beizulegen, unterzeichneten die sieben Vertragsstaaten (USA, China, Russland, Grossbritannien, Frankreich, Deutschland, Iran) 2015 in Wien das Atomabkommen. Der Iran verpflichtete sich, Atomanlagen zu Forschungszentren umzubauen, damit keine Produkte für Atomwaffen mehr hergestellt werden können. Ausserdem erhielt die Internationale Atomenergiebehörde Zugang zu allen Atomanlagen. Im Gegenzug wurden Wirtschaftssanktionen gegen den Iran schrittweise gelockert.

Die israelische Regierung äusserte stets Zweifel, ob das Atomabkommen den Iran tatsächlich an der Entwicklung nuklearer Atomwaffen hindert. Auch der 2016 gewählte US-Präsident Donald Trump (71) kritisierte das Abkommen scharf. 

Ende April 2018 sorgte Netanjahu mit einem Medienautritt für Aufsehen: In einer im TV übertragenen Präsentation warf er dem Iran vor, das Atomabkommen gebrochen und somit die «Welt angelogen zu haben». Netanjahu führte Dokumente und Bilder aus einem «geheimen Atomarchiv» in Teheran als Beweismittel an. Knapp zwei Wochen später kündigte Trump das Atomabkommen mit dem Iran auf.

Die Eskalation in Syrien nur Tage nach dem Atomdeal-Aus ist kein Zufall: Die Kündigung der USA nahm Israel die «Fesseln» ab. Gestärkt vom Entscheid Trumps, bombardierte Israel noch in der Nacht auf Mittwoch Waffendepots und Raketenwerfer, die mutmasslich den iranischen Revolutionsgarden in Al-Kiswah gehörten. 

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Warum bekämpfen sich die beiden Staaten in Syrien?

Der Iran ist ein treuer Unterstützer der Assad-Regierung. Iraner kämpfen an der Seite der syrischen Soldaten. In den vergangenen Monaten soll Teheran viele Waffen nach Syrien geschickt und seine militärische Präsenz im Land ausgebaut haben. Zudem finanziert der Iran die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah, die im Syrienkrieg an Assads Seite kämpft.

Die iranischen Aktivitäten in Syrien bereiten Israel grosse Sorgen. Die israelische Regierung fürchtet sich vor einer dritten Front – neben dem Libanon und dem Gazastreifen. Israels Militär hat deshalb immer dann militärisch eingegriffen, wenn das Land den Eindruck hatte, dass der Iran in Syrien Stützpunkte für eine mögliche Attacke gegen israelische Ziele aufbaue.

Der Iran legitimiert die Unterstützung von Einheiten in Syrien damit, dass sie «auf Einladung der syrischen Regierung» im Land seien – im Gegensatz zu den USA und der Türkei. Die Regierung in Teheran treibt auch die Sorge um, Israel im Falle eines offenen Kriegs deutlich unterlegen zu sein. Deshalb ist es durchaus denkbar, dass der Iran eine dritte Front gegen Israel in Syrien anstrebt. 

Warum griff der Iran am Donnerstagabend die Golanhöhen an?

Von den Golanhöhen aus lassen sich die angrenzenden Gebiete Libanons und Syriens sowie der nordöstliche Teil Israels kontrollieren. Damit ist der Gebirgszug von strategisch grosser Bedeutung. 

Israel hat die Golanhöhen 1981 annektiert. Syrien hat das nie akzeptiert und beansprucht das Gebiet weiter für sich. Der Iran als Verbündeter Syriens flog deshalb Raketenangriffe, um die israelische Infrastruktur in der Region zu schwächen.

Die Golanhöhen im Süden Syriens.
Foto: Screenshot
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