So bereitet man sich in der Westschweiz auf Biden vor
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Genf im Ausnahmezustand:So bereitet man sich in der Westschweiz auf Biden vor

Biden trifft Putin in Genf
Heute kommt der US-Präsident in die Schweiz

Genf wartet auf die Air Force One – und ihren mächtigen Passagier. Eindrücke vor Ort.
Publiziert: 15.06.2021 um 00:12 Uhr
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Aktualisiert: 15.06.2021 um 15:55 Uhr
Ghufran Bron, Fabienne Kinzelmann, Sermin Faki

Wegen Joe Biden (78) wird Serges Essen kalt. Ratlos steht der Lieferdienst-Fahrer vor den hohen Bambussträuchern an der Strassenecke Route de Ferney/Chemin du Petit-Saconnex.

Sein Ziel: dahinter.

Der Weg: unpassierbar.

Wegen Joe Biden (78) herrschen in Genf rigorose Sicherheitsbestimmungen.
Foto: AFP
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«Der Besteller muss rauskommen», stellt ein Genfer Polizist klar. Die Sicherheitsschützer vor dem Intercontinental, wo die amerikanische Delegation während des US-Russland-Gipfels absteigt, sind schon einen Tag vor der Ankunft des US-Präsidenten unerbittlich. Also tippt Serge nervös auf seinem Handy rum, versucht denjenigen zu erreichen, dem irgendwo in dem klobigen Luxushotel hinter dem Bambus der Magen knurrt.

«Ach, kommt er denn überhaupt mit der Air Force One?»

Drei Polizisten teilen sich bei 29 Grad das bisschen Schatten, das der Bambus spendet. In der brütenden Hitze wird der Zivilschutz aufgeboten, um die Strasse entlang selbst Gitter vor dichten Hecken zusätzlich mit schwarzer Folie abzudecken. Warum? «Damit ihr Journalisten was zu filmen habt!», sagt einer der Zivilschützer.

Ein Chauffeur schlendert aus dem Fuhrpark grosser, schwarzer Personentransportwagen aufs Trottoir vor dem Hotel. «Ich fahre für die US-Regierung», sagt er, die Krawatte ein bisschen zu kurz, stolz. Ob er auch Joe Biden abholt? «Sage ich nicht.» Und dann ehrlich entschuldigend: «Ich darf nicht.»

Es ist ein bisschen so, als habe ganz Genf einen Maulkorb bekommen.

Wann kommt der US-Präsident? Wann ist das Treffen mit den Bundesräten? Wann landet die Air Force One? «Ach, kommt er denn überhaupt mit der Air Force One?», sagt ein Mitarbeiter im Medienzentrum. Ein Scherz, natürlich.

Welche Geschenke verteilt die Schweiz?

Joe Biden wird wohl am Dienstagmittag in Genf landen. Eine Handvoll Medienvertreter wurde für 14.30 Uhr aufgeboten – «Atmosphäre schnuppern», direkt bevor sich der US-Präsident mit den Bundesräten Guy Parmelin (61) und Ignazio Cassis (60) trifft. Auch Blick wird natürlich dabei sein.

Zur Schweizer Delegation unter der Leitung des Bundespräsidenten zählen neben dem Aussenminister die Staatssekretärinnen Marie-Gabrielle Ineichen-Fleisch (Seco, 59) und Livia Leu (EDA, 60). Der US-Delegation gehören neben Präsident Joe Biden auch Aussenminister Antony Blinken (59) und der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan (44) an.

Im Vordergrund des Gesprächs Schweiz-USA steht die nachhaltige Stärkung der Wirtschaftsbeziehungen (Freihandel, Steuern) und der engen Zusammenarbeit in Bildung und Forschung. Ein weiteres Thema werden die Guten Dienste der Schweiz für die Amerikaner sein – also Iran.

Das Geschenk? Eine Überraschung. Aber natürlich irgendwas Schweizerisches, verrät Nicolas Bideau (51), Chef von Präsenz Schweiz, der TV-Teams am Montag stolz an die Gipfel-Locations führt. Er freut sich besonders, dass es ihm gelungen ist, den Strand am Genfersee gegenüber der Villa La Grange, wo sich Biden und Putin am Mittwoch in die Augen schauen wollen, ab Dienstagabend exklusiv für die rund 1000 akkreditierten Journalisten aus aller Welt freizuhalten. Wer gelangweilt ist vom Warten auf Putin und Biden, kann dann einfach bädelen – und dem jeweiligen Heimatland von der schönen Schweiz berichten.

Die Blumen-Deko: Neutral wie die Schweiz

Eins der wenigen Dinge, die vor dem bedeutsamen Gipfel nach draussen dringen: die Blumen-Deko. Rote Rosen? Fröhliche Margeriten? Fehlanzeige. Weiss-hellgrüne Arrangements sollen das Treffen von Joe Biden und Wladimir Putin zieren. Neutral wie die Schweiz.

Der offizielle Gipfelflorist: das Gartenbauzentrum Lullier von der Genfer Hochschule für Landwirtschaft, Ingenieurwesen und Architektur in Jussy. Die Schülerinnen und Schüler des Zentrums kümmern sich um die Blumen, die an insgesamt 30 Standorten auf drei Etagen der Gipfel-Villa verteilt werden – und am Ende sicher auf zahlreichen Bildern zu sehen sind.

Samantha Guyaz, eine junge Lernende, ist begeistert: «Schau, es ist super schön! Die gewählten Farben gefallen mir sehr gut. Ich arbeite schneller als sonst. Normalerweise haben wir eine Stunde Zeit, um eine Komposition zu machen. Dort sind es maximal 30 Minuten.» Ruhig und konzentriert arbeiten Guyaz und die anderen Lernenden. Stolz, dass ihre praktische Übung ein bisschen Teil der Weltgeschichte wird.

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