Hier brät ein Spiegelei an der Sonne
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Hitzewelle macht es möglich:Hier brät sogar ein Spiegelei an der Sonne

Biden tadelt Klima-Skeptiker
Mörderische Hitzewelle in Nordamerika fordert Hunderte Opfer

Die Hitzewelle in Nordamerika hat bereits mehrere Hundert Tote gefordert. Es kommt zu Waldbränden, Dörfer müssen evakuiert werden, Menschen kollabieren. Die Behörden können höchstens Trost spenden. Derweil streiten Experten, ob die Klimaerwärmung Schuld ist.
Publiziert: 01.07.2021 um 15:08 Uhr
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Aktualisiert: 01.07.2021 um 15:38 Uhr
Ein Mann entspannt und kühlt sich in einem Pool des Rathauses von Edmonton (Kanada) ab. Die anhaltende Hitzewelle im Westen Kanadas hat für neue Höchsttemperaturen gesorgt und zu mehreren Todesfällen geführt.
Foto: keystone-sda.ch
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Fabian Vogt

Eine mörderische Hitzewelle lähmt derzeit den nordamerikanischen Kontinent. Allein in der kanadischen Provinz British Columbia starben in den vergangenen fünf Tagen 486 Menschen. Ein Anstieg von 195 Prozent gegenüber dem Durchschnitt, wie die lokalen Behörden mitteilen. Betroffen seien vor allem ältere Menschen. Die Zahlen steigen noch, befürchten die Behörden.

Denn die Sonne brennt ohne Erbarmen. In Lytton, einem 300-Einwohner-Dorf nordöstlich von Vancouver, wurden am Dienstag 49,5 Grad gemessen. Kanadischer Rekord. Besonders problematisch: In der Region sind die Menschen solche Temperaturen nicht gewohnt. In Lytton beträgt die durchschnittliche Tageshöchsttemperatur im Juli 24,3 Grad. Deshalb sind nicht alle Gebäude klimatisiert, anders als etwa im Süden der USA. Nun bleibt vielen Bewohnern nichts anderes übrig, als Schutz in Tiefgaragen oder klimatisierten Autos zu suchen. Doch nicht jeder hat diese Möglichkeit.

Dorf musste evakuiert werden

Allein in Vancouver gab es 65 plötzliche Todesfälle, die auf das extreme Wetter zurückgeführt werden. Viele Opfer der Hitzewelle hätten in Wohnungen oder Häusern gelebt, die nicht klimatisiert gewesen seien, sagte Lisa Lapointe, höchste Rechtsmedizinerin in British Columbia. Sie fügt an, dass es in den vergangenen drei bis fünf Jahren nur drei Hitze-Tote gegeben habe.

Am Mittwoch musste Lytton sogar evakuiert werden. Ein Feuer brach aus. «Die ganze Stadt brennt. Zwischen dem ersten Anzeichen von Rauch und Feuer überall dauerte es knapp 15 Minuten», sagte Lyttons Bürgermeister Jan Polderman gegenüber CBS.

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Dutzende Tote in den USA

Gegenüber BBC sagte eine Einwohnerin von Castlegar, einer anderen kleinen Stadt in British Columbia, sie sei seit vier Tagen nicht mehr draussen gewesen. «In 70 Jahren habe ich so etwas noch nicht erlebt. Wir haben die Fenster verdunkelt, die Ventilatoren laufen 24 Stunden pro Tag, wir sprühen ständig Wasser, nehmen kalte Fussbäder, duschen und trinken Tonnen von Flüssigkeit.»

Derweil kämpfen auch die USA mit der Hitze. In Portland (Oregon) wurden die Woche 46,6 Grad gemessen, in Seattle (Washington) waren es 42,2 Grad. Beides Rekorde für die Gebiete, seit 1940 erstmals Daten erhoben wurden.

Wie die BBC berichtet, starben in Oregon mindestens 63 Menschen wegen Gesundheitsbeschwerden, die auf die Hitze zurückzuführen sind. 16 Personen starben im Bundesstaat Washington.

Waldbrände und verbrannte Ernten

Das Ausnahmewetter bringt weitere Sorgen. Auf Vancouver Island klagen Obstbauern über Ernteverluste. Die Brombeeren würden regelrecht «verbrennen», sagte ein Farmer. Zudem seien 80 Prozent seiner Himbeerernte vernichtet.

Auch in Kalifornien macht sich die Hitze bemerkbar. Im Norden des bevölkerungsreichsten US-Bundesstaates kämpften am Mittwoch fast tausend Feuerwehrleute gegen einen Waldbrand nahe der Ortschaft Weed. Über tausend Menschen wurden aufgefordert, ihre Häuser in der Gefahrenzone zu verlassen. Dies ein Jahr nachdem die Kalifornier die schlimmsten Waldbrände ihrer Geschichte erlebten, bei denen 30 Personen starben und über 10'000 Gebäude zerstört wurden.

Klimaerwärmung oder einmaliges Phänomen?

Die Hitze über den westlichen Teilen Kanadas und der USA wurde laut Meteorologen durch eine Kuppel aus statischer Hochdruck-Heissluft verursacht, die sich von Kalifornien bis zu den arktischen Gebieten erstreckt. Das Wetterphänomen, das derart heisse Luft solange in der Region festhält, kommt Experten zufolge nur einmal alle paar Tausend Jahre vor, heisst es in der «Washington Post». Diverse Stimmen sehen das anders.

Für Verantwortliche ist ebenfalls klar, dass der Klimawandel Schuld an der Hitzeperiode ist. «Der Klimawandel ist hier», schrieb etwa der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom am Mittwoch auf Twitter. Es werde ständig heisser und trockener. Der Demokrat hatte zuvor mit anderen Gouverneuren an einem virtuellen Treffen mit US-Präsident Joe Biden teilgenommen. Diskutiert wurden Massnahmen im Kampf gegen den Klimawandel und seine Folgen. Biden stellte unter anderem höhere Löhne und bessere Ausrüstung für Feuerwehrleute in Aussicht. Er warnte, dass dieses Jahr mit Blick auf die Waldbrände noch schlimmer als 2020 sein könnte.

Biden ironisch

Und US-Präsident Joe Biden sagte, gerichtet an Klima-Skeptiker, in einer Rede ironisch: «47 Grad in Portland? Macht euch keine Sorge. Klimaerwärmung gibt es nur in eurer Fantasie.»

Derweil gibt John Horgan, höchster Regierungsvertreter in British Columbia, praktischere Tipps: «Wir befinden uns in der heissesten Woche, die British Columbia je erlebt hat. Bitte schaut nach den Menschen, die Hilfe brauchen könnten.»


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