Australien, Taiwan, Neuseeland
Warum die Corona-Vorzeigeländer besonders vor Delta zittern

Die ansteckendere Corona-Variante stellt bislang widerstandsfähige Staaten auf eine harte Probe. Denn nun haben sie einen entscheidenden Nachteil.
Publiziert: 29.06.2021 um 12:46 Uhr
Fabienne Kinzelmann

Es gab sie, die «Corona-Inseln». Länder wie Taiwan, Australien und Neuseeland hatten das Virus im Griff. Ihre Strategie: Beim kleinsten Ausbruch dichtmachen, nachverfolgen, eindämmen. Neidisch schaute man in Europa auf die Länder mit ihrer «Zero-Covid-Strategie», wo normales Leben schnell wieder möglich war – während sich alle anderen von Lockdown zu Lockdown hangelten.

Doch jetzt zittern ausgerechnet die Corona-Vorzeigeländer besonders vor der Delta-Variante. Sie sind schlicht nicht vorbereitet.

«Kann Australien die Delta-Variante eindämmen?», fragt der «Guardian» angesichts der ersten Ausbrüche. «Neuseeland hätte Schwierigkeiten, einen Delta-Ausbruch zu eliminieren», kommentiert das Online-Medium newsroom. Und in Taiwan spricht man von «Delta-Furcht».

Eine Frau in Perth informiert über die kurzzeitige Schliessung ihres Geschäfts – in der australischen Stadt wurde ein viertägiger Lockdown verhängt.
Foto: imago images/AAP
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Ansteckendere Variante stellt Corona-Strategie auf Bewährungsprobe

Das Problem für all diese Länder: Ihre Eliminierungsstrategie funktioniert angesichts einer mindestens 40 Prozent ansteckenderen Variante (gegenüber der Alpha-Variante, die in Grossbritannien zuerst nachgewiesen wurde) deutlich schlechter. Im Frühjahr 2020 – also noch vor der ebenfalls bereits ansteckenderen Alpha-Variante – etwa brauchte Neuseeland zur Eliminierung die höchste Lockdown-Stufe und lockerte über anderthalb Monate nur sehr vorsichtig.

Und: Die drei Länder sind beim Impfen längst noch nicht so weit wie andere, weil sie das Virus bislang auch so im Griff hatten. In Australien etwa sind erst rund fünf Prozent der Bevölkerung geimpft, in Neuseeland sind es knapp acht Prozent, in Taiwan nicht mal jeder Hundertste. Delta aber ist nicht nur ansteckender – sondern erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, im Spital zu landen, um 80 Prozent. Wenn nicht mal Risikogruppen vollständig immunisiert sind, hat das Virus leichtes Spiel.

Kurzzeit-Lockdowns, Reise-Beschränkungen, mehr Impfungen

Entsprechend greifen die Länder durch. In Australien, wo gerade Winter ist und sich die Delta-Variante bereits ausbreitet hat, sind die Behörden angesichts ein- bis zweistelliger lokaler Infektionszahlen bereits alarmiert. Mehrere australische Staaten probieren es mit einem «Wellenbrecher-Shutdown». In Queensland, wo es am Montag zehn identifizierte Fälle gab, sagte Premierministerin Annastacia Palaszczuk, die nächsten 48 Stunden seien «entscheidend». Der Gesundheitsminister der Region Northern Territority sagte angesichts von sechs Fällen, die Behörden erwarteten einen Anstieg der Fallzahlen.

Neuseeland hat die «Reise-Bubble» mit Australien am Samstag ausgesetzt. Und Taiwan hat die Einreiseregeln verschärft, setzt aber ansonsten besonders auf eine Erhöhung der Impfrate. Acht Prozent der Bevölkerung haben dort zumindest die Erstimpfung erhalten – ein Grossteil davon innerhalb der letzten zwei bis drei Wochen.

Es geht für die Corona-Vorzeigeländer jetzt um alles. Schaffen sie es, zumindest die Alten und Vorerkrankten zu impfen, bevor ihre bewährten Schutzmassnahmen versagen? Angesichts der ansteckenderen Delta-Variante könnten Lockdowns diesmal nämlich nicht reichen.

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