Aufwind dank Stormy Daniels
Deshalb profitiert Trump vom Porno-Prozess

Trump wollte die Porno-Darstellerin Stormy Daniels mit 130'000 Dollar ruhigstellen. Jetzt spricht die ganze Welt über seine brenzlige Affäre. Doch der morgen startende Strafprozess gegen ihn dürfte Trump politisch nützen – aus fünf Gründen.
Publiziert: 14.04.2024 um 02:00 Uhr
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Aktualisiert: 14.04.2024 um 13:23 Uhr
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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Er war 60, sie 27. Er bedrängte sie in einer Hotelsuite, sie liess es geschehen, einvernehmlich. 2006, als Nebenschauplatz eines Golfturniers, am amerikanischen Lake Tahoe. Zehn Jahre später liess er ihr 130'000 Dollar überweisen, damit sie alles für sich behält. Die Story kam trotzdem raus. Und ab Montag steht er, Donald Trump (77), deswegen als erster Ex-Präsident in der Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika in einem Strafprozess vor Gericht.

Die Schweigegeldzahlung an sie, Stephanie Clifford (45), sei illegal gewesen, weil Trump sie in seinen Büchern falsch ausgewiesen habe – und weil er mitten im Wahljahr 2016 die amerikanische Wählerschaft hinters Licht zu führen versuchte, behauptet die New Yorker Staatsanwaltschaft. 

Trump, der im Gerichtssaal anwesend sein muss, wird peinliche Momente aushalten müssen (Stephanie Clifford, besser bekannt als Porno-Darstellerin Stormy Daniels, hat in der Vergangenheit über die Form seines Penis gesprochen). Und obendrauf droht ihm am Ende des Verfahrens eine mehrjährige Gefängnisstrafe. Mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen aber ist der Prozess für den Republikaner ein wahrer Segen – aus fünf Gründen.

130'000 Dollar soll Donald Trump der Porno-Darstellerin Stormy Daniels 2016 überweisen lassen haben.
Foto: AFP
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Ich, das arme Opfer

Donald Trump nutzt den Prozess gnadenlos, um sich als Opfer einer willkürlichen Justiz zu inszenieren. Auf seinem Netzwerk Truth Social veröffentlicht er im Stundentakt neue Videos und Nachrichten, die die Öffentlichkeit von der vermeintlichen «Hexenjagd» gegen ihn überzeugen sollen.

130'000 Dollar soll Donald Trump der Pornodarstellerin Stormy Daniels 2016 überweisen lassen haben.
Foto: AFP
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«Der heuchlerische Joe Biden kann keine zwei Sätze sagen, kann nicht laufen, kann nicht sprechen. Alles, was ihm bleibt, ist, seinen politischen Gegner anzugreifen. Das ist Wahleinmischung von der übelsten Sorte. Das machen normalerweise nur Drittweltländer», sagte Trump etwa am Donnerstag in einer Videoansprache an seine Follower.

Vivek Ramaswamy (38), Trumps einstiger Gegner im republikanischen Vorwahlkampf und möglicher Vizepräsidentschaftskandidat, schreibt in seinem Buch «Nation von Opfern», das Opfer-Narrativ sei inzwischen der zielsicherste Weg zu politischem Erfolg in den USA. Das amerikanische Erfolgsrezept lautet gemäss Ramaswamy: Finde eine Institution, die dich angeblich zu Unrecht unterdrückt, und laste ihr all dein Versagen an. Damit kannst du nur gewinnen. Genau das tut Trump mit seinem Porno-Prozess.

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Du und du: Ihr müsst euch retten!

Das New Yorker Gericht, der Harvard-studierte Staatsanwalt: Sie sind das perfekte Feindbild der breiten Masse, die sich von den Küsten-Eliten der Vereinigten Staaten arg hintergangen fühlen. Trump weiss das – und nutzt das Feindbild zum dringenden Handlungsaufruf. «Heute zielen sie auf mich, morgen zielen sie auf dich», wiederholt er an seinen Auftritten gebetsmühlenartig. Er, der aufopferungsbereite Donald, spielt die unerschütterliche, 98 Kilo schwere Pufferzone zwischen der bösen Eliten-Justiz und dem unschuldigen Volk.

Das treibt die Massen möglicherweise mehr an die Urnen als jedes Wirtschaftsthema und jedes Migrationsproblem. Die Angst, einem übermächtigen Apparat ausgeliefert zu sein, ist ein starkes Argument, um sich an der Urne zu wehren.

Kommt hinzu, dass Trump den Wahltag zum «Tag der christlichen Sichtbarkeit» ernannt hat. Joe Biden (81) und Konsorten führten einen Krieg gegen die Religion. Wem die Religion etwas wert sei, der gehe am 5. November wählen – für Trump. Sagt der Vorzeigechrist, der sich vor Gericht für seine Porno-Affäre verantworten muss.

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Cash in der Tasche

Kurz und bündig: Als Staatsanwalt Alvin Bragg (50) im April 2023 Anklage gegen Trump erhob, schnellten dessen Spendeneinnahmen in die Höhe. Zwar hinkt der Republikaner seinem demokratischen Konkurrenten bezüglich Geld in der Tasche noch immer hinterher. Alles deutet aber darauf hin, dass Trump den Prozess in dringend benötigtes Cash verwandeln kann.

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Schau hier, nicht da!

Der Porno-Prozess wird ab Montag das dominierende Thema werden in den USA. Und damit andere, vermeintlich viel wichtigere Themen verdrängen. So unangenehm mögliche Penis-Vergleiche vor Gericht auch sein mögen: Trump wird sich heimlich freuen, dass das amerikanische Wahlvolk über streitbare Porno-Darstellerinnen spricht statt über seine mutmasslichen Versuche, staatsgefährdende Geheimdokumente zu stehlen, die Wahlen im Bundesstaat Georgia zu manipulieren oder eine gewaltbereite Meute am 6. Januar auf das Kapitol zu hetzen.

Um genau diese schweren Vergehen wird es in den drei weiteren Strafprozessen gegen den Ex-Präsidenten gehen. Ein Startdatum gibt es für keinen der Prozesse – und es wird bis auf weiteres keines geben.

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Trump, what else?

Letztlich wird die durch den Prozess garantierte Dauerpräsenz Trump politisch nützen. Der Politologe und USA-Kenner Louis Perron schreibt in seinem US-Blog zwar, dass der grosse Hass breiter Wählerschichten auf beide alternden Kandidaten jenem der beiden Herren nutzen werde, der sich (und damit seine offenkundigen Schwächen) besser im Hintergrund halten könne. Jener der beiden, über den mehr gesprochen wird, verliert, sagt Perron.

Ganz so sicher scheint das allerdings nicht. Trump hat angekündigt, den Prozess und seine täglichen Pressekonferenzen davor und danach als Wahlkampfauftritte nutzen zu wollen. Um 16.30 Uhr wird die Verhandlung vor Gericht jeweils bis am nächsten Morgen beendet. Das gibt Trump genügend Zeit, seinen Schäfchen in den empfänglichen Abendstunden die nötige Portion Eliten-Hass und «Hexenjagd»-Mär aufzutischen, die an der Wahlurne im November den Unterschied machen könnte.

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