Astrazeneca-Chaos bremst Mario Draghis Impfoffensive aus
Italien drängt auf Zulassung von «Sputnik V»

Italiens Premier wollte im grossen Stil impfen – ganz wie seine Amtskollegen Joe Biden und Boris Johnson. Doch im Gegensatz zur USA und Grossbritannien machen Zweifel am Impfstoff Astrazeneca «Super Mario» einen Strich durch die Rechnung.
Publiziert: 17.03.2021 um 17:53 Uhr
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Aktualisiert: 30.03.2021 um 14:20 Uhr
Myrte Müller

Die Meldungen aus dem eigenen Land bringen die Impfoffensive aus dem Takt. In den vergangenen Wochen sterben Menschen kurz nach einer Injektion von Astrazeneca. Ein Carabiniere (54) und ein Soldat (43) aus Sizilien, eine Lehrerin (62) und ein Schulhauswart (58) aus Neapel sowie ein Musiklehrer aus dem piemontesischen Biella (57). Ihre Schicksale machen Schlagzeilen: Italien hat – vermeintliche – Impftote!

Doch jetzt folgt bereits die Entwarnung. Nach den Autopsien wird klar: Vier der fünf vermeintlichen Astrazeneca-Opfer sind definitiv nicht am Impfstoff gestorben. Beim fünften Opfer sei die Todesursache noch nicht ganz klar, berichten italienische Medien. Doch das Kind ist in den Brunnen gefallen, der Ruf von Astrazeneca im Land ruiniert. Einige Regionen Italiens setzten die Impfung mit dem britisch-schwedischen Vakzin aus. Sieben weitere EU-Länder schliessen sich dem Impfstopp an. Sehr zum Ärger Roms.

Italien fordert Tempo für Zulassung von «Sputnik V»

Denn Premier Mario Draghi (73) hatte einen rigorosen Impfmarathon versprochen. Bis September sollten 80 Prozent der Italiener geimpft sein. Die ehrgeizige Offensive wird nun brutal ausgebremst. Mit Spannung wartet die Regierung auf das Urteil der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA zur Gefährlichkeit des Vakzins. Es soll am Donnerstag veröffentlicht werden. Sollte Astrazeneca rehabilitiert werden, seien dennoch in nur vier Tagen über 200'000 Impfungen verspielt worden, erklärt Roms Corona-Beauftragter Francesco Figliuolo (59).

Der britisch-schwedische Impfstoff AstraZeneca wurde in acht EU-Staaten vorübergehend abgesetzt. Grund: Eine Reihe von verdächtiger Todesfälle, meist infolge von Trombosen.
Foto: keystone-sda.ch
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Es müssen mehr Impfstoffe her, so die Forderung Italiens – auch mit Blick auf «Sputnik V». Der russische Impfstoff könnte ab Juli über das Luganeser Pharmaunternehmen Adienne im lombardischen Monza produziert werden. Auf dem Treffen der EU-Botschafter in Brüssel am 10. März 2021 forderte der italienische Gesandte Tempo bei der Zulassung von «Sputnik V».

In San Marino bereits 20 Prozent der Bevölkerung geimpft

Als Russland die Zulassung bei der EMA beantragte, meldete sich Italien als erster Abnehmer. Während Mario Draghi sich, wenn auch mit Ungeduld, an die Impfstrategie der EU halten will, kommt Druck von rechts. Lega-Chef Matteo Salvini (48) erklärt gegenüber italienischen Medien: «Wir suchen Impfstoffe von überall. Sie müssten nur in Italien produziert werden können», so der Rechtspopulist, «da ist mir egal, woher er kommt. Hauptsache er funktioniert.»

Das «Sputnik V» gegen Corona wirkt, zeigt sich in San Marino. Die Enklave mitten in Italien gehört nicht zur EU und hatte 7500 Impfdosen in Moskau bestellt und damit rund 20 Prozent seiner 34 000 Bürger geimpft. Das Vakzin wirke gut, erklärte der Corona-Beauftrager des Zwergstaates, Agostino Ceccarini, gegenüber dem Radiosender «Mattino Cinque». Man habe Nebenwirkungen nur bei zwei Prozent der Geimpften festgestellt – und die seien sehr leicht gewesen.

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