Misstrauensvotum gescheitert
Boris Johnson bleibt britischer Premierminister

Am Montagabend stimmen die britischen Tories darüber ab, ob sie Boris Johnson weiterhin als Premier haben wollen. Er bleibt zwar im Amt – die Unzufriedenheit in der Partei ist aber gross.
Publiziert: 06.06.2022 um 09:25 Uhr
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Aktualisiert: 06.06.2022 um 23:52 Uhr

Showdown in der «Partygate»-Affäre: Nach Monaten der Kritik muss sich der britische Premierminister Boris Johnson (57) einem Misstrauensvotum seiner Konservativen Partei stellen. Nur wenige Stunden, nachdem in London die letzten Klänge der rauschenden «Jubilee»-Sause für Queen Elizabeth II. verstummt sind, geht es am Montag schon wieder um harte Politik - genauer gesagt: um das politische Überleben Johnsons. Die 359 Parlamentarier der Tory-Partei entscheiden darüber, ob sie weiter von diesem angeführt werden wollen oder nicht.

Um 22 Uhr Schweizer Zeit ist klar: Johnson bleibt Premierminister. 211 Abgeordnete sprachen sich für Boris Johnson aus. Allerdings haben sich auch 148 Abgeordnete der Partei gegen den aktuellen Chef ausgesprochen – eine beträchtliche Anzahl. Das zeigt auf, dass die Unzufriedenheit in der Partei gross ist.

Am Montagmorgen hatte der Chef des zuständigen Parteikomitees, Graham Brady, in London bekanntgegeben, dass die notwendige Anzahl an Briefen – mindestens 54 – von Tory-Abgeordneten eingegangen sei. Damit ist die Schwelle von mindestens 15 Prozent erreicht. Die explosive Nachricht, die wohl so manchem noch feierseligen Briten schlagartig ernüchtert haben dürfte, ist kein Zufall: Brady bestätigte auf Nachfrage indirekt, man habe die Jubiläumsfeiern zu Ehren der Queen in den vergangenen Tagen nicht mit der Nachricht überschatten wollen.

Heute Abend stimmen die britischen Tories darüber ab, ob sie Boris Johnson weiterhin als Premier haben wollen.
Foto: keystone-sda.ch
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Premier sieht in Misstrauensvotum eine Chance

Johnson steht innenpolitisch unter Druck, seit im Winter Stück für Stück ans Licht kam, dass in seinem Amtssitz exzessive Partys gefeiert wurden, während der Rest der Briten lange Lockdowns absass und sich etwa nicht von sterbenden Angehörigen verabschieden konnte.

Immer wieder forderten Parteikollegen öffentlich, Johnson, der die Feierkultur duldete und teilweise sogar mitmachte, solle zurücktreten. Allerdings erreichte die Zahl der Kritiker bislang nie die notwendige Schwelle, um das Misstrauensvotum auszulösen - auch dann nicht, als Johnson für die Teilnahme an einer der Partys ein Strafgeld zahlen musste und damit zum ersten amtierenden Premier wurde, der erwiesenermassen gegen das Gesetz verstossen hat. Der Ausbruch des Krieges in der Ukraine brachte einige Kritiker zeitweise zu der Ansicht, es sei nicht die richtige Zeit für einen Führungswechsel.

Beim Queen-Gottsdienst ausgebuht

Erst der kürzlich veröffentlichte Untersuchungsbericht der Spitzenbeamtin Sue Gray, der den Verantwortlichen in der Downing Street ein verheerendes Führungszeugnis ausstellte, ermutigte weitere Abgeordnete dazu, ihre Briefe an das einflussreiche 1922-Komitee und dessen Vorsitzenden Brady zu schreiben. Zuletzt waren auch Buhrufe aus den Reihen von Royal-Fans zu hören, als Johnson am Freitag mit seiner Frau Carrie zum Jubiläumsgottesdienst an der Londoner Kathedrale St. Paul's ankam. (zis/SDA)

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