Angriffe ausserhalb der Ukraine
Wie sich Russlands Krieg ausweitet

In Moldau brodelt es, Moskau zeigt der Uno den Stinkefinger und in den Nato-Ländern wächst die Angst vor einem Angriff. Wo wird als Nächstes gekämpft?
Publiziert: 01.05.2022 um 14:58 Uhr
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Aktualisiert: 24.08.2023 um 11:36 Uhr
Fabienne Kinzelmann

Als Uno-Generalsekretär António Guterres (72) in dieser Woche von Moskau nach Kiew reiste, schickte Putin Grüsse in Form von Bomben hinterher. Der Angriff galt einem Wohngebiet in der Nähe des Hotels, in dem Guterres' Delegation untergebracht war. «Stinkefinger an die Uno und ihren obersten Chef» nannte SRF-Korrespondent Fredy Gsteiger den Vorfall.

Er zeigt, dass sich Russlands Staatschef immer weniger darum schert, wo die Grenzen des Krieges liegen – oder eben: wo nicht.

Nachdem die russischen Bodentruppen ihren Eroberungsfeldzug auf Kiew hatten abbrechen müssen, kehrten westliche Diplomatinnen und Diplomaten nach Kiew zurück, um Präsenz zu zeigen. Führende Politikerinnen und Politiker besuchen Selenski, zuletzt die Schweizer Nationalrätin Irène Kälin (35).

Während Guterres' (r.) Besuch beim ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (l.) fielen russische Bomben auf Kiew.
Foto: AFP
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Putin stinken die symbolträchtigen Fotos offenbar. Mit dem indirekten Angriff auf Guterres sendet er die Botschaft: Niemand kann sich in der Ukraine sicher fühlen. Und auch ausserhalb nicht mehr.

Grosse Angst vor einer Ausbreitung des Krieges
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Erste Zwischenfälle in Moldau:Grosse Angst vor einer Ausbreitung des Krieges

Gas-Lieferstopp für Polen und Bulgarien, Explosionen in Transnistrien

Der ukrainische Präsidentenberater Serhij Leschtschenko (41) warnte kürzlich in einem Interview: «Putin wird auch Nato-Länder angreifen. Ganz einfach, um zu zeigen, dass die globalen Institutionen schwach sind.» Die Sorge wächst, dass eine russische Bombe absichtlich oder unabsichtlich Grenzgebiete zur Nato trifft.

An den Grenzen zündelt Putin bereits.

Vergangene Woche hat er den EU-Mitgliedern Polen und Bulgarien das Gas abgedreht, nachdem die sich geweigert hatten, in Rubel zu zahlen. Die US-Geheimdienste und ihre Partner warnen davor, dass sich Russland auf umfassende Cyberangriffe verlegen könnte – auch auf die USA und Europa.

Und in der abtrünnigen Moldau-Region Transnistrien, als deren Schutzmacht Russland agiert, kommt es seit Beginn der Woche zu Explosionen. Wer oder was dahintersteckt, ist unklar: Russland oder die prorussischen Separatisten selbst? Die Ukraine, um militärische Kräfte Russlands zu binden? 

Genfer Sanktions-Expertin sieht nicht-militärische Möglichkeiten

Auch die Ukraine weitet offenbar die Kriegszone aus. Am Montag brannten in Russland zwei Öllager, am Mittwoch kam es zu drei Explosionen in russischen Militärlagern. Die Ukrainer haben sich offiziell noch nicht zu den Attacken bekannt. Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace (51) sagte jedoch, sie wären «nach internationalem Recht legitimiert». Und Bidens Sprecherin Jen Psaki (43) schloss amerikanische Unterstützung für Angriffe auf militärische Ziele auf russischem Boden auf Nachfrage nicht vollständig aus. Der Deutsche Bundestag beschloss am Donnerstag die Lieferung schwerer Waffen.

Der Westen habe noch einige Möglichkeiten, Putins Ausweitung des Krieges nichtmilitärisch einzudämmen, sagt die Genfer Sanktions-Expertin Erica Moret. «Schon jetzt sind die Sanktionen auf einem nie da gewesenen Level. Aber es geht noch mehr bei den russischen Banken, im Technologiesektor, beim Einfrieren von Oligarchenvermögen und beim Öl- und Gas-Embargo.»

Laut dem Center for Research on Energy and Clean Air hat Europa an Russland seit Kriegsbeginn rund 15 Milliarden US-Dollar für Öl gezahlt. Jeder Dollar entscheidet mit darüber, wie weit Putins militärischer Arm über die Ukraine hinaus reicht.

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