Ausmass der Zerstörung in Libanon durch Pager-Explosionen
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Video zeigt:Ausmass der Zerstörung in Libanon durch Pager-Explosionen

Angriff im Libanon mit Toten und vielen Verletzten
Was wir über die Pager-Explosionen wissen – und was nicht

Massive Attacke im Libanon. Am Dienstagnachmittag explodierten in verschiedenen Landesteilen des Nahost-Staates winzige Geräte in den Händen von mutmasslichen Hisbollah-Mitgliedern. Mindestens neun Menschen starben, rund 2800 wurden verletzt. Das ist bisher bekannt.
Publiziert: 18.09.2024 um 08:23 Uhr
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Aktualisiert: 18.09.2024 um 09:36 Uhr

Kurz zusammengefasst

  • Explosionen von Pagern töteten neun Menschen im Libanon
  • Israel könnte die Geräte mit Sprengstoff präpariert haben
  • 2800 Verletzte, 200 in kritischem Zustand
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Janine EnderliRedaktorin News

Am Dienstagnachmittag explodierten im Libanon plötzlich Hunderte Pager gleichzeitig. Die kleinen Funkempfänger werden hauptsächlich von der proiranischen Hisbollah-Miliz zur Kommunikation genutzt. Durch die Detonationen starben mindestens neun Menschen. US-Medien berichten unter Berufung auf Vertreter und Informanten aus verschiedenen Ländern, dass Israel die Geräte vor Ankunft im Libanon mit Sprengstoff präpariert haben könnte. Aus Israel kam bisher noch kein Bekenntnis zu der Tat. Blick liefert dir die wichtigsten Fragen und Antworten. 

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Was ist passiert?

Aus dem Nichts ereigneten sich am Dienstag gegen 15 Uhr Schweizer Zeit im Libanon eine Reihe von Explosionen. Menschen, die kleine Pager trugen, fielen plötzlich zu Boden. Schnell war klar: Es handelt sich um eine koordinierte Attacke.

Aufnahmen in den sozialen Medien zeigten, wie die Detonationen in Läden, auf der Strasse oder in Gebäuden erfolgten. Besonders im Süden der libanesischen Hauptstadt Beirut herrschte nach dem Angriff Ausnahmezustand. Verletzte Menschen wurden auf der Strasse behandelt, die Spitäler waren völlig überfüllt. 

Die Pager explodierten scheinbar aus dem Nichts.
Foto: IMAGO/ABACAPRESS
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Wer sind die Opfer?

Unter den neun Todesopfer der Explosionen befindet sich libanesischen Angaben zufolge auch ein Kind. Fatima A.* (†10) sei offenbar ums Leben gekommen, als ein Pager-Gerät in der Nähe des Hauses ihrer Familie in der Stadt Saraain explodierte. Dies berichtet die Nachrichtenagentur Anadolu unter Berufung auf einen Reporter vor Ort. Sowohl die Hisbollah als auch der libanesische Gesundheitsminister bestätigten in ihren jeweiligen Erklärungen und Pressekonferenzen den Tod eines Mädchens, ohne jedoch ihren Namen oder weitere Einzelheiten zu nennen. 

Von den neun bestätigten Todesopfern konnten nur Fatima und Mohammad Mahdi Ammar, der Sohn von Ali Ammar, einem Mitglied des Blocks «Loyalität zum Widerstand» der Hisbollah, identifiziert werden. Neben den Toten wurden rund 2800 Personen verletzt. 200 befinden sich in kritischem Zustand. 

Eine iranische Nachrichtenagentur schreibt, dass auch der Botschafter Mojtaba Amani durch eine der Explosionen verletzt wurde. Er wurde in ein Spital gebracht. 

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Warum explodierten die Pager?

Um diese Frage kursieren derzeit mehrere Theorien. Die derzeit wahrscheinlichste: Israelische Geheimdienstagenten fingen die Pager wahrscheinlich irgendwo in der Lieferkette ab, bevor die Hisbollah sie erhielt. Dort könnten sie die Geräte mit Sprengstoff präpariert haben, berichten US-Medien unter Berufung auf Experten und Informanten aus verschiedenen Ländern. Die libanesische Miliz habe die Pager in Taiwan bestellt, berichtete die «New York Times». 

Videos, die in den sozialen Medien gepostet wurden, deuten darauf hin, dass die «Sprengsätze in die Pager integriert waren», so N. R. Jenzen-Jones, Direktor von Armament Research Services, einer Waffenforschungsfirma, in einem Beitrag auf X. «Das Ausmass deutet auf einen komplexen Angriff in der Lieferkette hin und nicht auf ein Szenario, bei dem die Geräte während des Transports abgefangen und modifiziert wurden.»

Eine weitere Theorie handelt von überhitzten Lithium-Batterien, die durch eine Schadsoftware manipuliert wurden. Moderne Verbrauchergeräte, einschliesslich einiger Pager, haben Lithium-Ionen-Batterien, die explodieren oder Feuer fangen können, wenn sie zu heiss werden oder in direkten Kontakt mit Metallen kommen. Dennoch ist es höchst unwahrscheinlich, dass eine Lithium-Batterie die Explosionen vom Dienstag verursacht hat, sagen die Experten.

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Was sagt der Hersteller?

Wie auf zahlreichen Aufnahmen zu sehen ist, prangt auf den explodierten Pagern das Logo des taiwanischen Herstellers Gold Apollo. Der Chef und Gründer der Firma Hsu Ching-Kuang hat sich kurz nach der Attacke zu Wort gemeldet und eine Beteiligung seiner Firma an den Explosionen ausgeschlossen. Er erklärte gegenüber Reuters: «Dieses Produkt stammt nicht von uns. Es hatte nur unser Markenlogo darauf.» Laut Ching-Kuang habe eine in Ungarn ansässige Firma die Funkgeräte gefertigt. «Gemäss einer Vereinbarung ermächtigen wir BAC, unser Markenzeichen für den Verkauf von Produkten in bestimmten Regionen zu nutzen, aber Design und Herstellung werden vollständig von BAC übernommen.»

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Warum benutzt die Hisbollah überhaupt Pager?

Im Juli dieses Jahres berichtete Reuters, dass die Hisbollah in den letzten Monaten auf Pager zur Kommunikation zurückgegriffen hat, nachdem sie die Verwendung von Mobiltelefonen auf dem Schlachtfeld verboten hatte. Der Grund: Die Miliz befürchtete, dass Israel die Telefone zur Ortung und Überwachung von Kämpfern einsetzen könnte. 

Der Vorteil der winzigen Funkempfänger: Sie haben keine Kameras oder Mikrofone, was sie für Menschen, die sich Sorgen um Überwachung machen, weniger riskant macht.

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