Rund jeder 20. an Covid-19 erkrankte Patient leidet nach einer überstandenen Corona-Infektion an Langzeitfolgen. Müdigkeit, Benommenheit, Atemnot und Muskelschmerzen sind gängige Symptome. Vielen fehlt der Appetit, die meisten sind kraftlos und ständig erschöpft. Was im englischsprachigen Sprachraum als «Long Covid» bezeichnet wird, hat in der deutschen Sprache noch keinen Krankheitsbegriff erhalten. Doch es gibt auch im hiesigen Raum eine Reihe von Behandlungsangeboten.
Auch in der Schweiz gibt es immer mehr Angebote, Menschen nach einer Covid-Erkrankung Erholung mit professioneller Unterstützung zu bieten. Schweizer Kurhäuser bieten diverse Programme an. Findige Anbieter in Deutschland und Grossbritannien haben den Markt schon länger erkannt, an Corona erkrankten Menschen spezielle Kuren anzubieten. In Grossbritannien werden solche Kliniken derzeit überall im Land eröffnet. Allein die nationale Gesundheitsbehörde «NHS England» plant rund 40 solcher Einrichtungen.
Die Gesundheitsklinik Lanserhof am bayerischen Tegernsee offeriert schon seit Mai ein massgeschneidertes «Covid-19 Programm»: Chefärzte der Spa-Klinik haben ein «spezielles Therapiekonzept entwickelt, welches geeignet ist für alle Gäste, die an Covid-19 erkrankt waren oder sich generell schwach fühlen sowie neue Kraft schöpfen möchten.» Ziel der Therapie ist es, das Immunsystem langfristig zu stärken und damit die angeschlagene Gesundheit von Covid-Patienten zu fördern. Doch die Hilfe muss man sich leisten können. Die Kur kostet rund 11'000 Franken.
«Long Covid»-Entgiftung
Die britische Wellness-Journalistin Helen Kirwan-Taylor hat selber am Coronavirus gelitten. Seit der Erkrankung habe sie sich ständig müde gefühlt und keine Energie gehabt, geringste Aufgaben in Angriff zu nehmen. In Grossbritannien sind sogenannte «Long Covid»-Kliniken bereits gang und gäbe. Als sie gehört habe, dass der Lanserhof in Bayern, eine der modernsten Gesundheitskliniken Europas, ein solches Programm anbiete, sei sie sofort in den Flieger gestiegen.
Ihre Erfahrung mit dem 10'000-Euro-Behandlungsprogramm beschreibt Kirwan-Taylor in «The Telegraph». Im Lanserhof steigen auch Promis und Milliardäre wie der russische Oligarch Roman Abramovitsch (54) ab, Besitzer des Londoner Fussballclubs Chelsea. Sie habe also auch darauf geachtet, nicht nur mit der Jogginghose anzureisen.
Im Kreis von reichen Deutschen und Amerikanern absolvierte sie ein Kurprogramm, das vorab auf den Arbeiten des österreichischen Mediziners Franz Xaver Mayr basiert, der in den dreissiger Jahren die These aufstellte, dass die Quelle aller Krankheiten - insbesondere Erschöpfung - im Darm zu suchen sei. Daher hiess es in den bayerischen Alpen erst einmal, den Verdauungstrakt zu spülen. Zudem gibts Leberentgiftung, Sauerstofftherapie und Mineralinfusionen mit Vitamin C, den B-Vitaminen sowie Zink, Selen und Aminosäuren.
«Es geht mir viel besser»
Durch eine Kombination aus teilweisem Fasten in der Nacht und leicht verdaulicher, nährstoffreicher Nahrung habe ihr Körper die Unterstützung erhalten, die er zur Heilung brauche. «Die Behandlungen haben drei Ziele», erklärt Kirwan-Taylor. «Das Nervensystem beruhigen, das bei ‹Long Covid› auf Hochtouren läuft, Entzündungen reduzieren und die Funktion der Mitochondrien steigern, die die Zellen unseres Körpers mit Energie versorgen.» Mitochondrien werden auch als Kraftwerk der Zelle bezeichnet.
Laut ihrer behandelnden Ärztin gebe es derzeit kein Heilmittel für Müdigkeit nach einer Virusinfektion. Daher müsse der Fokus ganz auf dem Wiederaufbau der Mitochondrien liegen, die nach einem schweren Virus wie Covid wirklich schwer zu kämpfen hätten. Menschen mit Covid-Langzeitfolgen würden oft an einem überaktiven Immunsystem leiden, erklärte die Ärztin. Die Idee sei, es richtig zu beruhigen.
Seit der Kur in Bayern fühle sie sich viel besser, sagt Kirwan-Taylor. Sie habe keine Halsschmerzen mehr und auch keinerlei Verlangen nach Alkohol wie zuvor. «Es geht mir viel besser. Meine Haut strahlt. Meine Augensäcke sind geschrumpft, ich habe ein paar Kilo abgenommen.» Sie sei auch nicht mehr so benommen, dass sie Teebeutel ins Weinglas werfe.
