Schweizerin in Belarus zu 2½ Jahren Haft verurteilt
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An Demo teilgenommen
Schweizerin in Belarus zu 2½ Jahren Haft verurteilt

Zwei Jahre und sechs Monate Haft. So lautet das Gerichtsurteil für die St. Gallerin Natallia Herrsche. Die schweizerisch-belarussische Doppelbürgerin wurde in Minsk bei einer Demo festgenommen. Dabei hatte sie einen Polizisten im Gesicht gekratzt.
Publiziert: 07.12.2020 um 16:12 Uhr
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Aktualisiert: 07.12.2020 um 18:03 Uhr
Die St. Gallerin Natallia Herrsche wurde im September bei einer Demo in Belarus verhaftet (hier links mit Fahne).
Foto: zvg
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Natallia Herrsche (51) sitzt seit dem 19. September in Minsk hinter Gittern. Dort soll die schweizerisch-belarussische Doppelbürgerin auch die nächste Zeit bleiben. Die Frau wurde nun nämlich zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und 6 Monaten verurteilt, schreibt die Menschrechts-NGO Libereco in einer Mitteilung.

Die St. Gallerin wurde im Herbst nach der Teilnahme bei einer Frauendemo festgenommen. Wegen Widerstandes gegen die Polizei sagten ihre Verwandte gegenüber «St. Galler Tagblatt» damals.

«Geisel des Lukaschenko-Regimes»

Offenbar hatte die 51-Jährige bei der Festnahme dem Polizisten die Maske vom Gesicht gezogen und ihn dabei gekratzt, schreibt Libereco und spricht von einer «panischen und unbeabsichtigten Reaktion». Am heutigen Montag fanden nun der zweite Prozesstag sowie die Urteilsverkündung statt.

Vor Gericht sagte die St. Gallerin: «Ich lebe in einem europäischen, demokratischen Land. Demokratische Freiheitsprinzipien sind notwendige Prinzipien der Regierungsführung auf allen Regierungsebenen.» Die Rechte auf Redefreiheit und friedliche Versammlung seien in der Verfassung definiert. Polizisten würden ihr Gesicht nicht vor friedlichen Demonstranten verstecken, wird Herrsche von «Spring69» zitiert. «Genau so sehe ich auch mein Heimatland. Belarus der Zukunft. Ein freies Belarus».

Lars Bünger, Präsident von Liberico, ist schockiert über das Gerichtsurteil. «Die Haftstrafe für Natallia Hersche steht sinnbildlich für den verbrecherischen Charakter des Lukaschenko-Regimes», sagt er.

Im Oktober hatten sich 16 eidgenössische Parlamentarier von SP, Grünen, CVP und EVP in einem offenen Brief an den belarussischen Justizminister, Innenminister und Generalstaatsanwalt gewandt und die Freilassung der Schweizerin verlangt. Hersche sei eine politische Gefangene, deren Verhaftung willkürlich und politisch motiviert sei. Der Schweizer Botschafter in Minsk, Claude Altermatt, hatte die Frau im Gefängnis besuch

Die NGO, die sich für den Schutz der Menschenrechte in Belarus und der Ukraine einsetzt, kritisiert das Lukaschenko-Regime und fordert den Bundesrat auf, strengere Massnahmen gegen den Machthaber zu ergreifen.

Eine Petition mit 9500 Unterschriften wurde beim EDA eingereicht und ein «grösseres Engagement des Schweizer Aussenministers für die Freilassung von Natallia Hersche» gefordert. Die NGO betrachte Herrsche als eine «Geisel des Lukaschenko-Regimes».

30'000 Festnahmen seit Beginn der Demos

Die Proteste in Belarus dauern nun fast fünf Monate an. Rund 30'000 Menschen wurden seither festgenommen. Am Wochenende gingen erneut unzählige Menschen auf die Strasse. Mehr als 300 Menschen seien verhaftet worden etwa wegen Verstosses gegen das Versammlungsverbot und wegen Tragens nicht zugelassener Symbole, teilte das Innenministerium mit.

Die Menschen forderten wie bei vorherigen Sonntagsdemonstrationen den Rücktritt des seit mehr als einem Vierteljahrhundert regierenden Präsidenten. Viele trugen weiss-rot-weisse Fahnen der Opposition.

Der 66-jährige Alexander Lukaschenko gilt als «letzter Diktator Europas». Er hatte sich nach der von Manipulationsvorwürfen überschatteten Wahl mit 80,1 Prozent zum Sieger erklären lassen. (man)

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