Streit um Tempelberg
Israel entfernt umstrittene Metalldetektoren

Nach tagelangen Protesten und blutigen Unruhen hat Israel die umstrittenen Metalldetektoren am Tempelberg wieder entfernt. Vorausgegangen war ein Beschluss des Sicherheitskabinetts. Spontan versammelten sich einige hundert Palästinenser zu einer Freudenkundgebung.
Publiziert: 25.07.2017 um 01:27 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 20:18 Uhr

Das Gremium habe auf Empfehlung der aller Sicherheitsorgane entschieden, die Metalldetektoren durch «Sicherheitsinspektionen auf der Grundlage hoch entwickelter Technologien und andere Mittel» zu ersetzen, teilte das Büro von Regierungschef Benjamin Netanjahu am Dienstag mit. Die neuen Sicherheitsvorkehrungen hatten die Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern zuletzt weiter angeheizt.

Alle Detektoren wurden entfernt

Arbeiter demontierten die Metalldetektoren in der Nacht zum Dienstag an einem Zugang zum Tempelberg, wie ein Korrespondent der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Nach Angaben von muslimischer Seite wurden alle Detektoren entfernt.

Als die Entscheidung des Sicherheitskabinetts bekannt wurde, versammelten sich spontan einige hundert Palästinenser zu einer Freudenkundgebung an einem Zugang zum Tempelberg. Als ein Demonstrant ein Feuerwerk abbrannte, setzte die israelische Polizei Blendgranaten ein, um die Menge zu vertreiben.

Foto: KEYSTONE/AP/MAHMOUD ILLEAN

Auch Kameras installiert

Unklar an dem Beschluss des Sicherheitskabinetts blieb zunächst, was unter «hoch entwickelten Technologien» zu verstehen ist, wie es in der Erklärung hiess. Ungewiss war auch, ob sie von den muslimischen Gläubigen akzeptiert würden. Neben Metalldetektoren waren auch Kameras an den Eingängen installiert worden.

Der Tempelberg mit der Al Aksa-Moschee, dem Felsendom und der Klagemauer ist gläubigen Muslimen und Juden gleichermassen heilig. Er ist das drittwichtigste Heiligtum des Islams nach Mekka und Medina. An ihm befindet sich auch die jüdische Klagemauer, einziger Überrest des von den Römern im Jahr 70 zerstörten Zweiten Jüdischen Tempels.

Anschlag auf Polizisten

Israel hatte nach einem Anschlag auf zwei israelische Polizisten in der Jerusalemer Altstadt Mitte Juli die Kontrollen zum Tempelberg verschärft und Metalldetektoren sowie zusätzliche Überwachungskameras am Eingang installieren lassen. Dies versetzte die Palästinenser und Teile der muslimischen Welt in Wut. Bei den Unruhen kamen vier Menschen ums Leben, Hunderte wurden verletzt.

Die Palästinenser befürchteten, Israel wolle durch die Metalldetektoren mehr Kontrolle über den Tempelberg bekommen, der Juden und Muslimen heilig ist. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas setzte ebenfalls am Freitag unter dem Eindruck der Konfrontationen alle Beziehungen zu Israel aus. Der palästinensische Botschafter Rijad Mansur hatte den UNO-Sicherheitsrat aufgefordert, den Abbau der Metalldetektoren und Überwachungskameras zu verlangen.

Gefahr einer weiteren Eskalation

Angesichts der gewalttätigen Konflikte hatte der UNO-Sondergesandte Nikolai Mladenow zuvor eine rasche «Lösung» gefordert. «Es ist extrem wichtig, dass für die aktuelle Krise bis Freitag eine Lösung gefunden wird», sagte der Sondergesandte für den Nahen Osten am Montag am Sitz der UNO in New York.

Die Gefahr einer weiteren Eskalation nehme zu, wenn bis zu den bevorstehenden Freitagsgebeten der Muslime keine Lösung gefunden worden sei, sagte Mladenow. Der Streit um den Tempelberg könne «weit über die Stadtmauern der Altstadt Jerusalems hinaus katastrophale Kosten» verursachen. Diese Auswirkungen könnten «weit über Israel und Palästina» und «weit über den Nahen Osten» hinausreichen.

Mladenow äusserte sich vor Journalisten in New York, nachdem er dem UNO-Sicherheitsrat über die jüngsten Entwicklungen Bericht erstattet hatte. Seit Freitag wurden in dem Konflikt drei Israelis und fünf Palästinenser getötet. Die Dringlichkeitssitzung des UNO-Sicherheitsrats wurde von Frankreich, Schweden und Ägypten beantragt.

USA schaltet sich ein

Auch der jordanische König Abdullah II., der aufgrund des israelisch-jordanischen Friedensvertrages von 1994 Hüter der heiligen muslimischen Stätten in Jerusalem ist, hatte in einem Telefonat mit Netanjahu gefordert, die neuen Sicherheitsvorkehrungen am Zugang zum Tempelberg zu entfernen.

Warum Metalldetektoren im Nahen Osten problematisch sind

Es sind Geräte, die weltweit verbreitet ist. Doch seit der israelischen Entscheidung, Metalldetektoren an den Zugängen zu den heiligen Stätten in Ostjerusalem (Tempelberg) aufzubauen, herrscht in der Region Aufruhr.

Wie bei vielen politischen oder religiösen Auseinandersetzungen im Nahen Osten geht es bei dem Streit um weiterreichende Fragen wie Souveränität, Religionsfreiheit oder Besatzung. Nachfolgend wichtige Fragen und Antworten:

Warum wurden Metalldetektoren aufgebaut?

Israel stellte die Geräte vor gut einer Woche nach einem Anschlag auf zwei Polizisten auf. Die beiden Männer wurden von arabischen Israelis erschossen, die ihre Waffen in die heiligen Stätten geschmuggelt hatten. Für den Islam ist das Gebiet das Edle Heiligtum, weil dort die Al-Aksa-Moschee und der Felsendom stehen. Den Juden ist es sogar der heiligste Ort überhaupt, weil dort Tempel standen. Deswegen ist er auch als Tempelberg bekannt. Die Detektoren wurden an den Eingängen aufgestellt, durch die Muslime zu den Gebeten gehen. Nicht-Muslime dürfen das Areal als Touristen besuchen. An deren Zugang stehen schon seit langem Metalldetektoren.

Warum sind die Palästinenster aufgebracht?

Die Palästinenser wurden nach eigener Darstellung nicht über den Schritt informiert. Israel hat erklärt, man habe Jordanien informiert, das die heiligen Stätten verwaltet. Jedenfalls wurde die Massnahme schnell umgesetzt und hatte unmittelbare Auswirkungen auf Palästinenser, obwohl der Auslöser eine Attacke arabischer Israelis war.

Israel nahm Ostjerusalem erst im Sechstagekrieg 1967 ein. Der UNO-Sicherheitsrat beurteilt dies als völkerrechtswidrige Annexion. Palästinenser lehnen die israelische Kontrolle und die Präsenz seiner Sicherheitskräfte ab.

Der Konflikt reicht aber noch weiter: Über Jahrhunderte galt, dass Juden und Christen das Gebiet zwar besuchen dürfen, aber nur Muslimen das Gebet gestattet ist. Als Israel die heiligen Stätten einnahm, verpflichtete sich der jüdische Staat dazu, diese Regelung beizubehalten. Viele Palästinenser sind aber unzufrieden, weil mehr und mehr nationalistische Juden zu Besuch kommen, von denen manche beten wollen. In der Regel werden sie zwar von israelischen Polizisten hinausgeworfen. Die Errichtung der Detektoren hat aber zum Eindruck der Palästinenser beigetragen, dass Israel die Regeln ändern wolle. Die Regierung weist dies zurück.

Was macht die Politik?

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu steht international unter Druck, die Detektoren abzubauen. Er betont aber, die Sicherheit habe Vorrang. Ein Kompromiss könnten Kameras mit Gesichtserkennung oder punktuelle Kontrollen sein. Das würden aber die Palästinenser und eventuell auch Jordanien ablehnen. Daher könnten internationale Vermittler gefragt sein. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat die Zusammenarbeit mit Israel in Sicherheitsfragen abgebrochen.

Die Positionen der Bürger

Israelis sind über die Aufregung verwundert und verweisen darauf, dass Metalldetektoren überall auf der Welt normal sind. Schliesslich müssen auch Juden sie passieren, wenn sie an der Klagemauer beten wollen.

Für Palästinenser dagegen sind die heiligen Stätten ein Symbol für das Streben nach einem eigenen Staat. «Wir haben nicht nur mit den Zugängen ein Problem, sondern mit der israelischen Besatzung», sagt der Ostjerusalemer Ladenbesitzer Walid Al-Hawani. «Die Al-Aksa-Moschee ist nicht der Ort, an dem man Sicherheitsschleusen aufstellt und das Gefühl hat, als sei es eine israelische Einrichtung.»
(SDA)

 

 

Es sind Geräte, die weltweit verbreitet ist. Doch seit der israelischen Entscheidung, Metalldetektoren an den Zugängen zu den heiligen Stätten in Ostjerusalem (Tempelberg) aufzubauen, herrscht in der Region Aufruhr.

Wie bei vielen politischen oder religiösen Auseinandersetzungen im Nahen Osten geht es bei dem Streit um weiterreichende Fragen wie Souveränität, Religionsfreiheit oder Besatzung. Nachfolgend wichtige Fragen und Antworten:

Warum wurden Metalldetektoren aufgebaut?

Israel stellte die Geräte vor gut einer Woche nach einem Anschlag auf zwei Polizisten auf. Die beiden Männer wurden von arabischen Israelis erschossen, die ihre Waffen in die heiligen Stätten geschmuggelt hatten. Für den Islam ist das Gebiet das Edle Heiligtum, weil dort die Al-Aksa-Moschee und der Felsendom stehen. Den Juden ist es sogar der heiligste Ort überhaupt, weil dort Tempel standen. Deswegen ist er auch als Tempelberg bekannt. Die Detektoren wurden an den Eingängen aufgestellt, durch die Muslime zu den Gebeten gehen. Nicht-Muslime dürfen das Areal als Touristen besuchen. An deren Zugang stehen schon seit langem Metalldetektoren.

Warum sind die Palästinenster aufgebracht?

Die Palästinenser wurden nach eigener Darstellung nicht über den Schritt informiert. Israel hat erklärt, man habe Jordanien informiert, das die heiligen Stätten verwaltet. Jedenfalls wurde die Massnahme schnell umgesetzt und hatte unmittelbare Auswirkungen auf Palästinenser, obwohl der Auslöser eine Attacke arabischer Israelis war.

Israel nahm Ostjerusalem erst im Sechstagekrieg 1967 ein. Der UNO-Sicherheitsrat beurteilt dies als völkerrechtswidrige Annexion. Palästinenser lehnen die israelische Kontrolle und die Präsenz seiner Sicherheitskräfte ab.

Der Konflikt reicht aber noch weiter: Über Jahrhunderte galt, dass Juden und Christen das Gebiet zwar besuchen dürfen, aber nur Muslimen das Gebet gestattet ist. Als Israel die heiligen Stätten einnahm, verpflichtete sich der jüdische Staat dazu, diese Regelung beizubehalten. Viele Palästinenser sind aber unzufrieden, weil mehr und mehr nationalistische Juden zu Besuch kommen, von denen manche beten wollen. In der Regel werden sie zwar von israelischen Polizisten hinausgeworfen. Die Errichtung der Detektoren hat aber zum Eindruck der Palästinenser beigetragen, dass Israel die Regeln ändern wolle. Die Regierung weist dies zurück.

Was macht die Politik?

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu steht international unter Druck, die Detektoren abzubauen. Er betont aber, die Sicherheit habe Vorrang. Ein Kompromiss könnten Kameras mit Gesichtserkennung oder punktuelle Kontrollen sein. Das würden aber die Palästinenser und eventuell auch Jordanien ablehnen. Daher könnten internationale Vermittler gefragt sein. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas hat die Zusammenarbeit mit Israel in Sicherheitsfragen abgebrochen.

Die Positionen der Bürger

Israelis sind über die Aufregung verwundert und verweisen darauf, dass Metalldetektoren überall auf der Welt normal sind. Schliesslich müssen auch Juden sie passieren, wenn sie an der Klagemauer beten wollen.

Für Palästinenser dagegen sind die heiligen Stätten ein Symbol für das Streben nach einem eigenen Staat. «Wir haben nicht nur mit den Zugängen ein Problem, sondern mit der israelischen Besatzung», sagt der Ostjerusalemer Ladenbesitzer Walid Al-Hawani. «Die Al-Aksa-Moschee ist nicht der Ort, an dem man Sicherheitsschleusen aufstellt und das Gefühl hat, als sei es eine israelische Einrichtung.»
(SDA)

 

 

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Die USA schalteten sich in den eskalierenden Streit zwischen Israelis und Palästinensern ebenfalls ein. Jason Greenblatt, der Nahost-Beauftragte von US-Präsident Donald Trump, wurde nach offiziellen israelischen Angaben am Montag gemeinsam mit dem US-Botschafter in Israel, David Friedman, von Netanjahu empfangen. (SDA)

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