Über 84 Tote bei Terroranschlag im Iran
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Explosion bei Trauerfeier:Über 84 Tote bei Terroranschlag im Iran

Explosionen im Iran mit 84 Toten
Terrormiliz IS bekennt sich zu Anschlägen

Einen Tag nach dem verheerenden Anschlag in der Stadt Kerman hat sich die Terrormiliz IS zum Anschlag bekannt. Der Islamische Staat hat gute Gründe für einen Angriff auf den Iran. Blick erklärt dir, warum.
Publiziert: 04.01.2024 um 12:43 Uhr
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Aktualisiert: 05.01.2024 um 06:21 Uhr
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Über 24 Stunden nach dem verheerenden Anschlag in der iranischen Stadt Kerman mit mehr als 80 Toten hat der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) diesen für sich reklamiert. Das erklärte die Gruppe am Donnerstag über ihre üblichen Propaganda-Kanäle. Zwei Attentäter hätten am Mittwoch anlässlich des Todestags des iranischen Generals Ghassem Soleimani (†62) während der Trauerveranstaltungen ihre Sprengstoffgürtel gezündet, hiess es in der Mitteilung.

Der Weltsicherheitsrat verurteilte die Attacke am Donnerstag als «feigen Terroranschlag». Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden, hiess es in einer gemeinsamen Stellungnahme des mächtigsten UN-Gremiums.

Vor mehr als einem Jahr hatte der IS bereits einen Anschlag auf ein schiitisches Heiligtum in der südiranischen Kulturmetropole Schiras für sich reklamiert. Bei der Attacke im Oktober 2022 kamen mehr als ein Dutzend Menschen ums Leben. Die Justiz liess daraufhin zwei Männer mit afghanischer Staatsbürgerschaft öffentlich hinrichten, die der Iran für die Attacke verantwortlich gemacht hatte. Doch wieso hat es der IS immer wieder auf den Iran abgesehen? Blick erklärt’s dir.

Am Mittwoch kam es in der iranischen Staat Kerman zu einem Terroranschlag, der 84 Menschen das Leben kostete.
Foto: Uncredited
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«Der IS hasst Schiiten – mehr noch als den Westen»

Der Iran ist ein erklärter Gegner des Islamischen Staats und bekämpft die Terrorgruppe in Syrien und im Irak. Der IS betrachtet die im Iran vorherrschende schiitische Bevölkerungsmehrheit als Abtrünnige des Islam und verachtet sie. Die Schia, die kleinere der beiden grossen Strömungen im Islam, ist Staatsreligion der Islamischen Republik Iran. Der deutsche Politikwissenschaftler Peter R. Neumann (49) erklärt am Mittwoch auf X: «Der IS ist eine sunnitische Gruppe und hasst Schiiten – mehr noch als den Westen.»

Auch «Schattenkommandeur» Soleimani trug zu seinen Lebzeiten zur Bekämpfung des IS bei – im Sommer 2014 unterstützte Soleimani als Militärberater die irakischen Milizen. In der Grossoffensive auf Tikrit im März 2015 übernahm Soleimani das Kommando über die schiitische Badr-Brigade, es war der bis dahin grösste Angriff gegen den IS. Der damalige US-Aussenminister John Kerry (80) erkannte öffentlich die Rolle Soleimanis in Tikrit an, die militärische Kooperation galt als weitere Annäherung Washingtons an die Regierung in Teheran.

Damit war die jährliche Pilgerfahrt zum Grab Soleimanis in Kerman der perfekte Angriffsort für den IS. Laut «The Guardian» waren sich Experten bereits am Mittwoch einig, dass der Angriff wohl durch den IS verübt wurde. Nebst dem Drang des IS, den Iran zu schwächen, trug der Anschlag laut den Experten auch die Handschrift des IS. Experte Neumann auf X: «Der Modus Operandi – Anschläge gegen Zivilisten mit einer möglichst hohen Anzahl von Todesopfern – ist typisch für den Terror von Dschihadisten.»

Islamischer Staat profitiert von Chaos und Instabilität

Zudem hat die Geschichte gezeigt, dass die dschihadistischen Extremisten des IS Kraft aus Instabilität, Chaos und geschwächten, gespaltenen Feinden schöpfen. Als Soleimani 2020 durch einen amerikanischen Drohnenangriff auf den Flughafen Bagdad getötet wurde, begrüssten die Islamisten dies.

Denn: Damit wurde ihnen das Geschenk gemacht, dass einer ihrer Feinde, der damalige US-Präsident Donald Trump (77), einen ihrer anderen Feinde – General Soleimani – ermordete. Die Feinde des IS seien damit beschäftigt, sich gegenseitig zu bekämpfen, was ihnen Energie und Ressourcen entziehe und letztlich den Dschihadisten zugutekomme, schrieb die IS-Zeitung «al-Naba» damals.

Es ist also sehr wahrscheinlich, dass das Chaos im Nahen Osten dem IS einen Vorteil bieten wird. Schliesslich hat die iranische Quds-Truppe, welche Soleimani vor seinem Tod führte, am Mittwoch Israel und die USA für den Anschlag auf den Trauerzug verantwortlich gemacht. Beide Staaten bestritten diese Aussage allerdings.

Dschihadisten drohen mit Angriffen auf ganze Welt

Der Sprecher der Dschihadisten, Abu Hudhaifa al-Ansari, warnte auch die islamistische Palästinenserorganisation Hamas, mit schiitischen Gruppen zu kooperieren. Im Gaza-Krieg gilt etwa die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah als Verbündeter der Hamas.

Politikwissenschaftler Neumann erklärt: «Das ist übrigens auch ein Grund, weshalb sich die zwei sunnitischen Terrorgruppen Hamas und IS nicht grün sind. Der IS begrüsst zwar den Terror gegen Israel, aber würde sich niemals mit einer Gruppe verbünden, die vom Iran gesponsort wird.»

Der IS hat am Donnerstag ebenfalls zu weltweiten Angriffen gegen Juden und Christen aufgerufen. Explizit genannt wurden in der am Donnerstag über die üblichen Propagandawege veröffentlichten Audiobotschaft der Islamisten Europa und die USA.

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