800 Franken monatlich fürs Fussvolk, über 20'000 für Funktionäre
Putin lässt seine Soldaten und Offiziere für Hungerlöhne sterben

Ein Journalisten-Netzwerk hat die Löhne der russischen Armee analysiert. Dabei stellt sich heraus: Während die Personen an der Front, einschliesslich ihrer Vorgesetzten, für einen Hungerlohn ihr Leben riskieren, verdienen die Funktionäre in Russland ein Vermögen.
Publiziert: 23.05.2022 um 13:14 Uhr

Um die Ukraine einzunehmen, hat Wladimir Putin (69) ein gewaltiges Heer aufgestellt. Rund 900'000 Soldaten – offizielle Daten hat Russland nie herausgegeben – kämpfen seit drei Monaten für ihn. Viele tun es für einen Hungerlohn, wie das Investigativ-Netzwerk The Project herausgefunden hat. Die Journalisten haben die Gehälter verschiedenster Offiziere analysiert und öffentlich gemacht. Blick veröffentlicht Auszüge, die ganze Recherche gibt es hier.

Immer wieder gab es seit Beginn der Invasion Berichte über russische Soldaten, die Opfer und Städte plünderten. Danach schickten sie nicht nur Geld oder Juwelen nach Hause, sondern auch Schuhe oder Spielzeug. Videos zeigen, wie Soldaten tonnenweise Raubgut zusammenpacken und zum Versand bereitstellen.

Russische Soldaten schicken geplünderte Waren nach Hause
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Diebesgut per Post verschickt:Russische Soldaten schicken geplünderte Waren nach Hause

800 Franken gibt es für die Soldaten, nicht viel mehr für ihre Chefs

Der Grund, warum die Soldaten derart «wertlose» Gegenstände nach Hause senden: Weil sie oft aus armen Regionen stammen, wie die Recherchen zeigen. Wo Plüsch-Teddys oder neue WC-Brillen Luxus sind. Die Soldaten würden zwar mehr verdienen, als es dem Durchschnittslohn in ihren Gebieten entspreche, aber kaum mehr als 50'000 Rubel pro Monat, heisst es im Bericht. Umgerechnet sind das ungefähr 800 Schweizer Franken. Für einen Lohn, für den kein Schweizer aus dem Bett steigt, müssen die russischen Soldaten an die Front, wo sie getötet werden könnten.

Walerie Gerassimow verdiente laut offiziellen Dokumenten 2019 über 500'000 Franken. Gut möglich, dass es in Wahrheit noch weit mehr war.
Foto: Wikipedia / Kremlin.ru
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Doch nicht nur das Fussvolk, auch die Vorgesetzten werden nicht gerade fürstlich entlöhnt. Das durchschnittliche Gehalt eines Offiziers einer Armee-Einheit zu Land betrug 2019 ungefähr 270’000 Rubel im Monat – ungefähr 4500 Franken. Aktuellere Zahlen gebe es keine, weil diese Informationen seit 2021 nicht mehr öffentlich zugänglich seien, schreibt The Project.

Sogar einige der höchsten Offiziere, diejenigen des Generalbstabs, die die russische Armee und die Marine in der Ukraine leiten, erhalten ein sehr niedriges Salär. Sie tragen die Verantwortung, entscheiden über Menschenleben – und bekommen monatlich rund 300'000 Rubel, umgerechnet knapp 5000 Franken.

Das grosse Geld gibts für die, die in Russland bleiben

Anders sieht es bei denjenigen aus, die zu Hause bleiben und die Schlacht aus dem sicheren Russland verfolgen. 2019 verdienten die Stellvertreter von Verteidigungsminister Sergej Schoigu (67) laut offiziellen Angaben des Verteidigungsministeriums durchschnittlich 1,2 Millionen Rubel pro Monat (fast 20'000 Franken). Nur die Befehlshaber der Militärbezirke und bestimmter Abteilungen der Streitkräfte würden denselben Betrag wie die Beamten des Verteidigungsministeriums erhalten: etwa 900'000 Tausend Rubel pro Monat – fast 15'000 Franken.

Über allen thront einer, der ebenfalls bereits an der Front war – wobei bis heute niemand weiss, warum – eigentlich aber im Kreml sitzt: Putins wichtiger Mann in Uniform, Generalstabschef Waleri Gerassimow (66). Er gab für 2019 ein Einkommen von 33 Millionen Rubel an – mehr als 500'000 Schweizer Franken.

In anderen Ländern gibt es deutlich mehr

Die Kommandanten von Divisionen und Brigaden der Bodentruppen, der Luftwaffe und der Marine verdienten dagegen laut den Journalisten durchschnittlich 160'000 Tausend Rubel im Monat – 2600 Franken.

Was nach wenig klingt, ist auch wenig. The Project verglich die Löhne der Kommandanten mit denjenigen anderer grosser Länder. In Deutschland und Grossbritannien verdienen Personen desselben Grades mehr als dreimal so viel.

Viele haben Schulden, einige fahren zu schnell

Da verwundert auch die Tatsache nicht, dass von 166 untersuchten Offizieren, die in der Ukraine sind, 54 Schulden zu Hause haben. Und: In Russland werden die Offiziersränge, beginnend mit dem Leutnant, nur an Personen mit höherer Bildung vergeben. 40 Prozent der Kommandeure haben laut The Project zusätzlich zu ihrer Fachausbildung an der Akademie der Streitkräfte für kombinierte Waffen studiert. Sie verkehren demnach wohl in anderen sozialen Zirkeln als ihre Untergebenen, kommen aber auch mit Bildung und Karriere nicht auf einen grünen Zweig. Und das bezieht sich nicht nur auf den finanziellen Bereich.

Fünf Personen aus der Stichprobe wurden verwaltungsrechtlich zur Verantwortung gezogen, darunter einer, weil er nicht bereit war, die Korruption unter seinen Untergebenen zu bekämpfen. Im Jahr 2020 verurteilte das Gericht Oberst Igor Koleda, den Kommandeur der 30. motorisierten Schützenbrigade der 2. kombinierten Armee, zu einer Geldstrafe, weil er sich weigerte, der Forderung des Staatsanwalts nachzukommen und einen korrupten Offizier zu entlassen. Koleda selbst ist in den staatlichen Datenbanken als Unterhaltssäumiger aufgeführt. Seine Einheit war auf Charkiw vorgerückt.

34 der Personen hatten zudem eine Verkehrsbusse erhalten. Einige davon wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 60 km/h. Jede sechste Person hatte die Busse nicht fristgerecht bezahlt. Unter den Beamten befinden sich auch diejenigen, denen der Führerschein wegen Trunkenheit am Steuer oder Unfallverursachung entzogen wurde.

20 der Identifizierten sind bereits tot

The Project hat für den Artikel rund 160 Personen höheren Rangs identifiziert, von Spitzenoffizieren des Verteidigungsministeriums bis hin zu Brigade- und Regimentskommandanten. Die Informationen über Einkommen, Vermögen, Schulden und Bussgelder der Kommandeure stammen laut Verlautbarung aus den Erklärungen des Verteidigungsministeriums und den staatlichen Datenbanken, die von den Journalisten ausgewertet wurden.

Mindestens 20 russische Invasionskommandeure, die identifiziert wurden, waren Mitte Mai laut The Project bereits tot. Zehn weitere Todesfälle wurden von der ukrainischen Seite gemeldet, ohne dass es eine Bestätigung von russischer Seite gab. (vof)

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