Erbitterter Kampf um Ost-Ghouta
2570 Tage Krieg in Syrien – und kein Ende in Sicht

US-Präsident Donald Trump hat seinen Beratern gegenüber angekündigt, er wolle seine Truppen aus Syrien abziehe. Doch sieben Jahre und zwei Wochen Krieg haben das Land nicht nur physisch zerstört. Die Syrer haben den Glauben an eine gemeinsame Zukunft verloren.
Publiziert: 01.04.2018 um 22:17 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 04:40 Uhr
Johannes von Dohnanyi

Es sind genau 2570 Tage, seit die Menschen in Homs zum ersten Mal friedlich auf die Strasse gingen. Sie machten ihrer Enttäuschung über die von Präsident Bashar al-Assad versprochenen und nie eingehaltenen Reformen Luft. Sie protestierten gegen hohe Lebensmittelpreise.

Vor allem aber waren die Menschen von Homs wütend: Wegen ein paar Graffiti gegen das Regime hatte die Geheimpolizei einige Kinder und Jugendliche verhaftet. Wochen später mussten die Eltern die von Folterspuren gezeichneten Leichen der «Feinde der Regierung» abholen.

Vom Bürgerkrieg zum Spielball der Grossmächte

Seit diesem Tag, an dem die Proteste begannen, hat der Krieg in Syrien mehr als eine halbe Million Menschenleben gefordert. Mehrere Millionen Syrer befinden sich - entweder im eigenen Land oder dem Rest der Welt - auf der Flucht.

Der syrische Präsident Bashar Assad empfängt am 14. März Reporter in Damaskus.
Foto: SANA HANDOUT
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Die meisten dieser Flüchtlinge leben heute - oft unter menschenunwürdigen Bedingungen - in provisorischen Lagern im Libanon, in Jordanien und der Türkei. Die Fluchtroute für syrische Kriegsopfer nach Ost- und Westeuropa ist weitgehend versperrt. Die Zahl derjenigen, die auf dem gefährlichen Weg über das Mittelmeer auf die griechischen Inseln oder nach Italien ums Leben kommen, steigt wieder.

Hoffnung auf eine friedliche Lösung des Konflikts ist weiter entfernt denn je
In den vergangenen Wochen startete das Assad-Regime, unterstützt von russischen Flugzeugen und iranischen Söldnertruppen, einen Grossangriff auf die unmittelbar an Damaskus grenzende Region Ost-Ghouta. Dorthin hatten sich in den letzten Jahren nicht nur hunderttausende von Zivilisten aus anderen Teilen Syriens in Sicherheit gebracht. Ost-Ghouta galt auch als eine der letzten Hochburgen der islamistischen Kämpfer gegen die Regierung in Damaskus.

Beobachter der Kämpfe in Ost-Ghouta haben - einmal mehr - gezielte Angriffe auf Schulen und Krankenhäuser, aber auch den Einsatz von chemischen Waffen gegen die Zivilbevölkerung gemeldet. Ein vom russischen Präsidenten Putin zugesicherter Flucht-Korridor für diese Menschen wird immer wieder angegriffen. Die von den Vereinten Nationen auf den Weg gebrachten Hilfskonvois mit Lebensmitteln und ärztlicher Notversorgung kommen nur selten an ihr Ziel.

Gefährlicher Stellvertreterkrieg

Was vor sieben Jahren als lokaler Bürgerkrieg begann, ist längst zu einem Stellvertreterkrieg der regionalen und globalen Grossmächte geworden: Dank der politischen, militärischen und finanziellen Unterstützung aus Moskau und aus Teheran sitzt der syrische Diktator Bashar al-Assad wieder fest im Sattel. Präsident Wladimir Putin hat Spezialkräfte und Verbände der russischen Luftwaffe nach Syrien entsandt. Unterstützt werden seine regulären Truppen von einer privaten «Schatten-Armee», die unter dem Namen «Wagner» operiert.

Für die iranischen Ayatollahs sind Elite-Einheiten der schiitischen Revolutionswächter, Söldner etwa aus Afghanistan und die libanesische Hizbollah im Syrienkrieg engagiert. Ihr Beistand für das Assad-Regime soll vor allem zwei Ziele erreichen: Zum einen die von Saudi Arabien und den Golfstaaten unterstützten syrischen Sunniten von der Macht in Damaskus fernzuhalten. Und Teheran zweitens über das syrische Staatsgebiet einen direkten Zugang zu den von der Hizbollah kontrollierten Territorien und Häfen im Libanon zu garantieren. Schließlich gilt die Hizbollah als die iranische Speerspitze im Kampf gegen Israel.

Geopolitische Interessen der Kriegsparteien

Es steht zu vermuten, dass die sunnitische Allianz unter der Führung Saudi Arabiens ihre Waffenlieferungen an die sunnitischen Terrorgruppen in Syrien nicht völlig eingestellt hat.

Auf der anderen Seite dieser Front kämpft, unterstützt von den USA, die kurdische YPG-Miliz gegen die Terroristen des so genannten Islamischen Staats (IS). Mit einer Blitzoffensive im Jahr 2014 breiteten sich die sunnitischen Steinzeit-Islamisten nicht nur in Syrien, sondern auch im benachbarten Irak aus. Zeitweise kontrollierte der IS gut die Hälfte des Territoriums.

Die YPG wiederum gilt dem türkischen Präsidenten Recep Tayipp Erdogan als militärischer Flügel der als Terror-Organisation verbotenen kurdischen PKK - und damit als gefährlicher Gegner der Türkei. Im Februar marschierten türkische Truppen im Norden Syriens ein. Die von der YPG kontrollierte Grenzstadt Afrin wurde von ihnen eingenommen. Jetzt sollen Erdogans Soldaten auch die Stadt Mandschib erkämpfen - obwohl dort auch gegen den IS eingesetzte US-Spezialkräfte stationiert sind.

Zivilisten im Kreuzfeuer

Nach 2570 Kriegstagen ist Syriens Präsident Bashar al-Assad seinem wichtigsten Ziel so nahe wie noch nie: An ihm und seinem Regime vorbei wird es kein Ende der Kämpfe geben. Dafür aufgegeben hat der Syrer seine politische Unabhängigkeit. Ohne die Zustimmung seiner russischen und iranischen Berater kann Assad keine wichtige Entscheidung mehr treffen.

Das gilt auch für seinen Umgang mit Israel. Der israelische Premierminister Benjamin Nethanyahu sieht im schiitischen Iran den gefährlichsten Feind seines Landes. Nachdem es der syrischen Luftabwehr vor einigen Wochen gelang, einen israelischen Kampfjet abzuschiessen, sind die politisch-militärischen Spannungen zwischen Jerusalem und Damaskus gefährlich eskaliert. Eine weitere Front im syrischen Kriegssumpf droht sich aufzutun.

Es bleibt nichts als Hoffnungslosigkeit

Und selbst wenn es gelänge, die in den syrischen Krieg verwickelten ausländischen Mächte wenigstens auf Armlänge voneinander zu halten - der Friede bleibt in weiter Ferne.

So viel Blut ist in den letzten sieben Jahren vergossen worden. Eine ganze Generation ist nicht auf der Schulbank, sondern mit dem Sturmgewehr gross geworden. Sie kennt nur ein Leben: Das der unmittelbaren und tödlichen Gewalt.

Es hat - natürlich - Versuche für eine friedliche Lösung des Syrienkonflikts gegeben. Präsident Putin lud ein. Die Iraner boten sich als Vermittler an. Unter der Leitung des UN-Syrien-Beauftragten Staffan de Mistura wurden Konferenzen in Genf organisiert.

Herausgekommen ist bei all diesen Anstrengungen - nichts!

Zu gross sind die gegenseitigen Verletzungen gewesen, zu tief sitzen inzwischen das Misstrauen und vor allem der Hass, um sich auf die nötigen politischen Kompromisse einlassen zu können.

Irgendwo zwischen den Giftgas-Angriffen, den Flächenbombardements und den Gräueltaten der Islamisten haben die Syrer, allen Beteuerungen zum Trotz, den Glauben an eine gemeinsame Zukunft verloren.

Das, was sie als Syrien kannten, was sie als ihre Heimat bezeichneten - dieses Land gibt es nicht mehr.

Krieg in Syrien

Seit 2011 tobt der syrische Bürgerkrieg zwischen dem Assad-Regime und verschiedenen Rebellen-Gruppen. Dort engagieren sich auch ausländische Mächte, allen voran Russland und die USA oder die Türkei.

Fast jede dritte weltweit verkaufte Waffe hatte in den vergangenen fünf Jahren einen Abnehmer im Nahen Osten. (Symbolbild)
Fast jede dritte weltweit verkaufte Waffe hatte in den vergangenen fünf Jahren einen Abnehmer im Nahen Osten. (Symbolbild)
KEYSTONE/AP/STR

Seit 2011 tobt der syrische Bürgerkrieg zwischen dem Assad-Regime und verschiedenen Rebellen-Gruppen. Dort engagieren sich auch ausländische Mächte, allen voran Russland und die USA oder die Türkei.

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