12 Fragen und Antworten zur Neuauflage des von Trump abgeschmetterten Nuklear-Abkommens
Wann hat der Iran seine Atombombe?

Der Schreck war gross, als US-Präsident Donald Trump 2018 aus dem Atomabkommen mit dem Iran ausstieg. Inzwischen hat Teheran aufgerüstet – es ist höchste Zeit für eine Rückkehr zum Abkommen. Blick zeigt die Hintergründe.
Publiziert: 19.08.2022 um 20:25 Uhr
Guido Felder

Die Angst vor einer iranischen Atombombe wächst. In einem neuen Anlauf versuchen die USA sowie weitere Staaten daher, das Atomabkommen mit dem Iran wieder herzustellen. In den vergangenen anderthalb Jahren haben dazu Gespräche in Wien stattgefunden, nun liegt der Ball für eine Antwort bei Teheran.

Blick zeigt auf, welche Schwierigkeiten es mit dem Deal mit Iran gibt und was die Folgen sind, wenn er platzt.

Warum braucht es ein Atomabkommen mit dem Iran?
2015 haben die USA, Grossbritannien, Frankreich, Deutschland, China und Russland mit dem Iran ein Abkommen geschlossen – mit dem Ziel, auf der einen Seite Teherans Atomprogramm zu kontrollieren und einzuschränken und auf der anderen Seite Sanktionen gegen Iran aufzuheben. 2018 sind die USA unter dem damaligen Präsidenten Donald Trump (76) aus dem Abkommen ausgestiegen, worauf der Deal platzte.

Der Iran schickt Satelliten ins All. Zu militärischen Zwecken?
Foto: AFP
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Haben die Iraner inzwischen aufgerüstet?
«Im Mai 2019 hat der Iran begonnen, gegen das Abkommen zu verstossen», sagt Nuklear-Forscherin Névine Schepers (29) vom Center for Security Studies der ETH. Inzwischen wurde die Produktion neuer Zentrifugen zur Beschleunigung der Anreicherung weiterentwickelt. Vor wenigen Wochen hat Teheran alle verbliebenen Überwachungskameras der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), die das Atom-Programm überwacht, abgeschaltet.

Wie nahe ist der Iran an der Atombombe?
Durch die Weiterentwicklung hat sich die Zeit, um genügend waffenfähiges Kernmaterial für eine Bombe herzustellen, theoretisch von einem Jahr auf nur noch zehn Tage verkürzt. Schepers relativiert: «Das bedeutet nicht, dass der Iran innert zehn Tagen eine Atombombe hat. Die Herstellung würde weitere Forschungs- und Entwicklungsarbeit zur Waffentauglichkeit erfordern, was weitere ein bis zwei Jahre dauern könnte.»

Wie gefährlich ist die atomare Bedrohung durch den Iran?
US-Präsident Joe Biden (79) warnt davor, dass der Iran in den Besitz einer Atombombe kommt: «Dies ist ein vitales Sicherheitsinteresse sowohl für Israel als auch die USA. Und ich möchte hinzufügen: auch für den Rest der Welt.» Laut Névine Schepers besteht die Gefahr, dass ohne Abkommen die USA und Irans Nachbarländer immer heftigere Schritte unternehmen würden. «Diese Schritte könnten von den bestehenden israelischen Sabotageaktionen und gezielten Attentaten bis hin zu militärischen Massnahmen reichen», meint Schepers.

Welches sind die Herausforderungen?
Bei der Rückkehr zum Abkommen wird es schwierig sein, Misstrauen aus dem Weg zu räumen und Transparenz wieder herzustellen. Es könnte Unsicherheiten über mögliche Entwicklungen geben, die während der Lücken eingetreten sein könnten, in denen die IAEO keinen Zugang zu den erforderlichen Daten hatte.

Welches sind die Streitpunkte?
Mehrere Streitpunkte – Anzahl der aufzuhebenden Sanktionen, Reihenfolge der Aufhebung – konnten gelöst werden. Es bleiben drei Streitpunkte:

  • Der Iran will, dass das Korps der Islamischen Revolutionsgarden von der US-Terrorliste gestrichen wird.

  • Der Iran will eine Garantie, dass eine künftige US-Regierung das Abkommen nicht wieder auflösen kann, wie es Trump gemacht hat. Die Regelung in den USA: Die Regierung unterzeichnet das Abkommen durch einen Erlass und legt es nicht dem Kongress vor, weil die nötige Zweidrittels-Zustimmung im Senat unwahrscheinlich ist.

  • Die grösste Knacknuss ist die Zusammenarbeit des Irans mit der IAEO.

Warum macht Russland mit?
Moskau hat kein Interesse daran, dass weitere Länder die Atombombe entwickeln. Man geht aber davon aus, dass Russland den Deal beeinflusst und Iran dazu drängt, bei der Bedingung zum Status der Religionswächter hart zu bleiben. Moskau fürchtet nämlich, dass mit der Rückkehr Irans auf den Weltmarkt der Ölpreis sinkt und die wirtschaftliche Lage in Russland noch schlimmer wird.

Hat das Abkommen einen Einfluss auf die Midterms in den USA?
Ein Wahlkampfthema wird es kaum werden, da das Abkommen nicht dem Parlament vorgelegt wird. «Für die Demokraten kann der Wiedereintritt in das Abkommen aber als Sieg und ein erfülltes Versprechen von Biden verkündet werden», sagt Névine Schepers.

Warum ist Israel gegen das Abkommen?
Israel ist – wie Trump – der Ansicht, dass das Abkommen das Atomprogramm nicht wirklich einschränkt. Zudem könne Iran sein Raketenprogramm weiterentwickeln und in Nachbarstaaten weiterhin eingreifen. Schepers: «Israel warnt davor, dass die Sanktionserleichterungen dem Iran die Mittel zur Finanzierung von Aktivitäten verschafften, die Israels Sicherheit massiv bedrohen könnten.»

Was passiert, wenn es eine Einigung gibt?
Wenn die Sanktionen abgebaut werden, käme viel mehr Öl auf den Markt, was die drohenden Energieengpässe abfedern könnte. Schon jetzt fällt der Ölpreis. Der Konflikt zwischen den USA und dem Iran würde sich zwar entspannen, auf der andern Seite könnten die Spannungen zwischen den USA und ihren wichtigsten Verbündeten wie Israel, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten wachsen.

Was passiert, wenn das Abkommen scheitert?
Es käme zu einem Säbelrasseln. Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman (36) hat angekündigt, sein Land «so schnell wie möglich» nuklear aufzurüsten, sollte der Iran eine Atombombe bauen. Israel dürfte den Bau einer iranischen Atombombe möglicherweise mit militärischen Mitteln zu verhindern versuchen.

Ist die Schweiz an der Vermittlung des Abkommens beteiligt?
Die Schweiz, die seit 1980 im Iran die Interessen der USA vertritt, gehört nicht zu den Staaten, die das Abkommen unterzeichnen. Das EDA aber hält auf Anfrage von Blick fest: «Die Schweiz setzt sich in bilateralen Gesprächen und auf multilateraler Ebene für eine Rückkehr zum Abkommen ein.»


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