10 Kilometer fehlen, dann gibts eine grosse Chance zum Durchbruch
Ukraine steht vor Grosserfolg

Nach der Befreiung des Dorfes Robotyne eröffnet sich für Wolodimir Selenskis Truppen eine einzigartige Möglichkeit. Die Ukraine steht vor ihrer schwierigsten Schlacht bisher. Packt sie die Chance, ist der Krieg für Putin vorbei, sagen zwei Experten. Eine Analyse.
Publiziert: 28.08.2023 um 19:24 Uhr
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Aktualisiert: 29.08.2023 um 15:44 Uhr
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Samuel SchumacherAusland-Reporter

Anderthalb Jahre nach dem russischen Angriff auf ihre Heimat gibt es endlich wieder gute Neuigkeiten für die Ukraine: Kiews Truppen sind nur noch zehn Kilometer vom nächsten Grosserfolg gegen die russischen Invasoren entfernt. Der ukrainische Teilsieg, der den Russen das Genick brechen könnte, liegt näher, als das die schleppende Gegenoffensive vermuten lässt.

Der Grund dafür ist erst auf den zweiten Blick auf die Schlachtkarte ersichtlich:

Am Montag eroberten Wolodimir Selenkis (45) Kämpfer die Ortschaft Robotyne in der südukrainischen Region Saporischschja. Das allein ist noch kein Grund zum Jubeln. Und doch ist Robotyne der Schlüssel zum spektakulären nächsten Schritt in diesem Krieg.

Nur noch zehn Kilometer, dann ist das wichtige Zwischenziel bis zur Krim-Rückeroberung geschafft.
Foto: Anadolu Agency via Getty Images
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Das schreibt zumindest Jan Kallberg, für üblich ein gut informierter Professor an der United States Military Academy in West Point, New York, wo jeder vierte US-Offizier seine Ausbildung absolviert.

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Russische Truppen auf der Krim könnten bald in der Falle sitzen

Und zwar deswegen: Nach der Befreiung von Robotyne am Montag fehlen den ukrainischen Raketenwerfern nur noch zehn Kilometer, bis sie mit ihren Geschossen zielsicher auf alles schiessen können, was sich auf der wichtigen Verbindungsstrasse M14 bewegt. Das berechnet Militär-Professor Kallberg in einer Analyse für die Washingtoner Denkfabrik Center for European Policy Analysis.

Die M14, die grossteils entlang der ukrainischen Schwarzmeerküste verläuft, sei die Hauptverkehrsachse für die russischen Panzer und Transporter zwischen dem Donbass und der besetzten Halbinsel Krim. «Wenn die Ukraine den Vorstoss schafft, dann kann ich mir kaum vorstellen, dass die russische Armee weiterkämpfen kann», betont Kallberg.

Wladimir Putins (70) einzige Alternative, um seine Truppen auf der Krim zu versorgen, ist die Kerch-Brücke, die die Halbinsel im Osten mit dem russischen Festland verbindet. Seit die Ukrainer die Brücke bei Angriffen zweimal fast zerstört haben, gilt diese als höchst anfällig. Kurz: Ohne totale Kontrolle über die M14-Strasse sitzen die russischen Truppen auf der Krim plötzlich in der Falle.

Einfach wird die Aufgabe für Kiews Truppen keinesfalls. Das betont Mike Martin, Militärexperte am Departement für Kriegsstudien am Londoner King’s College. Die Russen hätten in der Gegend massive Verteidigungsanlagen gebaut. Zudem sässen die Ukrainer in Robotyne in einem faktischen Kessel, der von allen Seiten unter Beschuss genommen werden könne, schreibt Martin auf X (vormals Twitter). «Jetzt muss es schnell gehen, sonst entgleitet den Ukrainern die einmalige Chance.»

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Einen moralischen Boost für die anstehende Schlacht haben Selenskis Soldaten vergangene Woche gekriegt. Einer ukrainischen Spezialeinheit ist es am ukrainischen Unabhängigkeitstag (dem 24. August) gelungen, die ukrainische Flagge am westlichsten Punkt der Krim zu hissen. Ein Schlag ins Gesicht der Russen. Und ein klares Zeichen der Ukrainer: Die Krim geben wir niemals auf.

Schweiz steht in der Ukraine in der Kritik

Die Ukraine braucht für die schwierigsten zehn Kilometer auf dem Weg zur Krim-Befreiung alles erdenkliche Schlachtmaterial. Dass die Schweiz den Weiterverkauf von rund 100 Leopard-Panzern blockiert, die via Deutschland in die Ukraine hätten geliefert werden sollen, kommt in Kiew unter diesen Umständen gar nicht gut an.

Der «Kyiv Independent», die wichtigste englischsprachige Zeitung im Land, hat am Montag prominent über die Schweizer Verweigerungshaltung berichtet. Die Leserkommentare darunter sind eindeutig: «Jodelt weiter in euren Bergen», schreibt ein erzürnter Ukrainer. «Und betet, dass euch dann mal jemand zu Hilfe eilt, wenn die Russen oder Chinesen an eurer Tür anklopfen.»

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